Mülheim. Mülheimer Ärzte helfen Geflüchteten mit Notfallsprechstunden am Flüchtlingsdorf. Wie funktioniert die Hilfe und was wird behandelt? Ein Besuch.

Vor der improvisierten Arztpraxis auf dem Saarner Kirmesplatz hat sich schon eine kleine Schlange gebildet. Jeden Mittwochnachmittag werden hier Kinder und Jugendliche, Freitagnachmittag Erwachsene Geflüchtete, untersucht. Im Container spielen ein paar Kinder mit Bauklötzen, eine Handvoll Frauen lehnen auf ihren Stühlen im Wartezimmer.

Nebenan warten zwei erfahrene Mülheimer Kinderärzte auf die jungen Patientinnen und Patienten. Dr. Jürgen Hower und Dr. Olaf Kaiser sind heute im Dienst. Eine Jugendliche betritt den Raum, ihre Mutter kommt hinterher. An ihrer Seite, Dolmetscherin und Ärztin Ludmilla Kutscher, die selbst vor 30 Jahren aus der Ukraine nach Deutschland gekommen ist. Dr. Hower schaut dem Mädchen in den Hals, außer einer leichten Rötung ist zum Glück nichts Auffälliges zu erkennen.

Die wichtigen Unterlagen der geflüchteten Menschen sind meist mit in Mülheim

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Währenddessen kramt die Mutter in einer pinken Filzmappe nach Unterlagen, holt zwei ukrainische Reisepässe aus der Tasche. Die 16-Jährige ist vorerkrankt, in Mülheim sucht sie weiter eine medizinische Betreuung. Eine der Arzthelferinnen fragt die Mutter nach einem Krankenkassenschein. Dr. Kaiser erklärt, bei der Registrierung erhielten Geflüchtete eine Bestätigung über eine Krankenversicherung, in Mülheim läuft die Erstregistrierung über die AOK. Grundsätzlich gilt, alle Flüchtlinge aus der Ukraine haben nach ihrer Ankunft in Deutschland Anspruch auf eine medizinische Versorgung.

Doch mit welchen Beschwerden kommen Geflüchtete in die Praxis? Das sei unterschiedlich, so Kaiser. „Es gibt natürlich Beschwerden, wie Bauch- oder Kopfschmerzen, akute Erkrankungen. Aber viele kommen mit chronischen Beschwerden, wurden schon in der Ukraine behandelt und wünschen sich eine Fortsetzung der Therapie.“ Dabei fiele auf, dass viele mit den wichtigen Unterlagen geflohen sind. „Arztbriefe, Impfpässe, alles gut organisiert.“

Mülheimer Ärzte: „Wir sind als Lotsen da“

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Hier im Flüchtlingsdorf geht es nur um die Erstuntersuchung und einen Notdienst. In einem Regal an der Seite stehen Medikamente gegen gängige Beschweren, große Behandlungen sind hier jedoch weder geplant noch möglich. Die Hauptaufgabe bestehe darin, die Geflüchteten einmal zu checken und an passende Fachärztinnen und Ärzte zu vermitteln. „Wir sind als Lotsen da“, so Kaiser lachend. Doch die Sprechstunden würden gut besucht. „Die Leute kommen nicht nur aus dem Flüchtlingsdorf. Das Angebot wird allein schon wegen der Dolmetscherin gerne genutzt. Das spricht sich natürlich auch rum“, so Kaiser.

Die Kinderärzte Dr. Jürgen Hower (l.) und Dr. Olaf Kaiser (r.) mit Dr. Stephan von Lackum und Dolmetscherin Ludmilla Kutscher vor der Flüchtlingsunterkunft in Mülheim.
Die Kinderärzte Dr. Jürgen Hower (l.) und Dr. Olaf Kaiser (r.) mit Dr. Stephan von Lackum und Dolmetscherin Ludmilla Kutscher vor der Flüchtlingsunterkunft in Mülheim. © Funke Foto Services | Martin Möller

Schlimme Verletzungen sind dem Kinderarzt zum Glück noch nicht begegnet. „Man kann sehen, wie gut auf die Kinder während der Flucht aufgepasst wird.“ Anderes berichtet Dr. Stephan von Lackum von seiner Sprechstunde mit Erwachsenen. „Die Leute haben teils lange Märsche hinter sich, unter anfangs noch ganz ungünstigen Witterungsverhältnissen“, so von Lackum. „Wir sehen in den Praxen viele Erfrierungen und offene Wunden an den Füßen. Das kennen wir Ärzte hier kaum“, sagt er. Die Menschen hätten ja zum Teil tagelang draußen geschlafen und seien lange im Schnee gelaufen.

Psychologische Betreuung wird wichtig in Mülheim

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Neben den körperlichen Beschwerden sorgen sich die Mediziner aber vor allem um die Psyche der Menschen. „Man kann den Kindern die Traurigkeit ansehen. Wir müssen die Kinder auf andere Gedanken bringen“, so Kaiser. Deshalb seien vor Ostern auch süße Schokohasen verteilt worden und es seien Ausflüge und Bastelaktionen geplant. „Aber Kinderpsychologen wird man brauchen. Und es gibt ja sowieso schon einen Engpass.“

Von Lackum sieht die größte Gefährdung bei den Müttern: „Die Erwachsenen haben noch mehr gelitten. Sie lassen ihre Söhne und Männer da.“ Die Schicksale würden ihn sehr berühren. „Ich nehme die Themen und das Leid mit nach Hause, etwas was ich sonst nicht tue.“ In einer Beobachtung sind sich die beiden Ärzte einig. „Eigentlich wollen alle wieder zurück nach Hause, zurück in die Ukraine.“

Öffnungszeiten der Sprechstunde für Geflüchtete

Die Sprechstunde am Flüchtlingsdorf findet aktuell zwei Malin der Woche für Geflüchtete statt.

Mittwochs ca. von 14 Uhr bis 17 Uhr für Kinder und Jugendliche und freitags von ca. 14.30 Uhr bis 17.00 Uhr für Erwachsene.