Mülheim. Das Netzwerk Frühe Hilfen in Mülheim steht Frauen aus der Ukraine mit kleinen Kindern offen. Schwangere Geflüchtete brauchen besondere Betreuung.

Unter den Flüchtlingen aus der Ukraine sind sehr viele Frauen mit Kindern. 1082 Geflüchtete waren am Donnerstag in Mülheim offiziell registriert, darunter sind 379 Minderjährige. Das stellt die Stadt vor ganz andere Herausforderungen als in den Flüchtlingswellen der Jahre 2015 und 2016. Es sind jetzt viele kleine Kinder dabei. Und auch schwangere Frauen, von denen viele wohl nicht in ihrer Heimat entbinden werden können.

Mülheims Jugenddezernent David Lüngen nannte am Donnerstag 79 Kinder im Alter von bis zu fünf Jahren, die in Mülheim angekommen seien. Wie viele schwangere Ukrainerinnen schon in der Stadt sind, dazu hat auch Jennifer Jaque-Rodney noch keine Zahlen. Die Leiterin des Familienhebammenteams koordiniert in Mülheim das Netzwerk „Frühe Hilfen“ und weiß von den Netzwerkpartnern, dass einige der Geflüchteten Kinder erwarten. „Frühe Hilfen“ sind der Begriff für gesetzlich verankerte Beratungs- und Unterstützungsangebote für werdende Familien mit Kindern bis zum dritten Lebensjahr. Darauf haben alle Betroffenen Anspruch. Jennifer Jaque-Rodney ist es wichtig, zu betonen, dass das Netzwerk Frühe Hilfen auch für die geflüchteten Ukrainerinnen offen ist.

Ohne die Väter sind Mütter mit kleinen Kindern und Schwangere in Mülheim

„Die ukrainischen Flüchtlinge haben derzeit andere Bedürfnisse“, weiß Jaque-Rodney. Bei der Ankunft in Mülheim ist schließlich erst einmal vieles zu regeln, zu lernen und zu organisieren im fremden Land. Doch die Mütter, vor allem auch die werdenden, werden viel Unterstützung benötigen, zumal die Väter ja meistens nicht mit dabei sind, prognostiziert Jennifer Jaque-Rodney: „Wir werden auch die Schwangeren aus der Ukraine in den nächsten Wochen begleiten“, sagt sie. Auch über die Entbindung hinaus.

Das Netzwerk Frühe Hilfen ist in Mülheim dicht geknüpft: Es reicht von der Awo, Caritas, Diakonie, dem Kinderschutzbund, den Familienbildungsstätten über Gesundheitsamt und Familienhebammen bis zu weiteren, in Mülheimer Ämtern angesiedelten Diensten wie dem KSD. Auch das Evangelische Krankenhaus ist dabei, weshalb Jennifer Jaque-Rodney weiß, dass dort eine aus der Ukraine stammende Hebamme beschäftigt ist.

Erfahrungen in der Flüchtlingskrise vor einigen Jahren gesammelt

Die Familienhebammen, die im Auftrag der Stadtverwaltung praktische und handfeste Hilfe für junge Familien in schwierigen Situationen anbieten, planen auch eine Gruppe für Säuglinge und kleine Kinder aus der Ukraine, falls Bedarf besteht. „Wir müssen erst einmal schauen“, sagt Jennifer Jaque-Rodney, „welche Angebote hier überhaupt wichtig sind.“

Eine Mutter stillt ihr Baby: Dafür sollen in Mülheim mehr öffentliche Gebäude einen ruhigen Ort bereithalten. Dafür setzen sich die Familienhebammen ein.
Eine Mutter stillt ihr Baby: Dafür sollen in Mülheim mehr öffentliche Gebäude einen ruhigen Ort bereithalten. Dafür setzen sich die Familienhebammen ein. © dpa / Archiv | Patrick Pleul

Dabei können die Familienhebammen und die anderen Netzwerkerinnen auch auf Erfahrungen aus den Jahren 2015 und 2016 zurückgreifen. Gute Werkzeuge habe man noch aus der Zeit, wie etwa sinnvolle Übersetzungshilfen. „Wir sind gut auf die Frauen aus der Ukraine vorbereitet“, betont Jennifer Jaque-Rodney. „Die Frauen sollen das Gefühl bekommen, dass sie bei uns sicher sind. Das ist das Wichtigste.“

Mülheim soll „Stillfreundliche Kommune“ werden

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Wichtig ist den Familienhebammen auch, dass junge Mütter in der Stadt darin bestärkt werden, ihre Kinder zu stillen. Mülheim hat sich erfolgreich um den Titel „Stillfreundliche Kommune“ des NRW-Landesverbandes der Hebammen beworben. Die Auszeichnung soll im Juni überreicht werden. „Viele Mütter wollen ihr Kind aber nicht im Café oder im Park stillen“, weiß Netzwerkkoordinatorin Jennifer Jaque-Rodney. „Sie wollen das in einem geschützten Raum tun können.“

Diese Möglichkeit gibt es schon im Hebammenladen an der Wallstraße 5 während der Öffnungszeiten. Es sollen aber noch mehr öffentliche Gebäude dazu kommen, die einen ruhigen, geschützten Raum zum ungestörten Stillen anbieten. David Lüngen, seit einem halben Jahr Mülheims Dezernent für Schule, Jugend und Sport, kann sich auch vorstellen, dass etwa auch Geschäfte diese Möglichkeit anbieten: als „Still-Inseln“, ähnlich den Kinder-Notinseln, die man an einem Aufkleber an der Tür erkennt.

Unterstützung für stillende Mütter

Neben dem Familienhebammenladen werden künftig auch die Evangelischen Familienbildungsstätten einen ruhigen Raum für stillende Mütter zur Verfügung stellen, kündigt Jennifer Jaque-Rodney an.

Es wird noch ein Plan veröffentlicht werden, der die Orte über das Stadtgebiet verteilt aufzeigen soll. Zunächst soll aber das Netzwerk für die stillfreundlichen Gebäude erstellt werden.

Jennifer Jaque-Rodney weiß aus Befragungen der Familien, dass über 80 Prozent der Mütter gerne stillen, dass das Stillen ausdrücklich gewünscht ist. Es gebe aber auch Frauen, die dabei mehr Unterstützung benötigten, und zwar aus allen sozialen Schichten, wie sie betont.

Kontakt zum Mülheimer Familienhebammen-Team: 0208-455-1500, E-Mail: