Mülheim. Die Caritas unterstützt die ukrainischen Flüchtlinge. Wie geht es den Menschen hier in Mülheim? Zwei Caritas-Frauen im Interview.

Die Caritas unterstützt die mittlerweile schon über 1000 ukrainischen Kriegsflüchtlinge in Mülheim. Martina Pattberg (Vorstand) und Monika Schick-Jöres (Gemeindecaritas) berichten über ihre Arbeit.

Wie organisieren Sie Ihre Hilfe für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine?

Martina Pattberg: Wir haben diese Aufgabe bei der Gemeindecaritas angedockt. Da Monika Schick-Jöres in unserem Verband federführend für alle Ehrenamtlichen zuständig ist und wir derzeit keine neue hauptamtliche Stelle schaffen können, lag das für uns nahe.

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Gibt es genug Ehrenamtliche, die helfen wollen?

Monika Schick-Jöres: Die Solidarität und Geberfreude ist seit dem Kriegsbeginn am 24. Februar riesig. Allein bei uns haben sich mehr als 150 Menschen gemeldet, die den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine helfen wollen. Einige waren schon bei der Flüchtlingswelle 2015 mit dabei. Das sind Menschen, die spenden wollen, die Flüchtlinge zum Essen einladen wollen. Aber auch Friseurinnen, die einen kostenlosen Haarschnitt anbieten, Menschen, die Flüchtlinge bei Ämtergängen und bei Erkundungsgängen durchs Wohnquartier begleiten wollen oder sich als sprachkundige Übersetzer zur Verfügung stellen.

Hilfsangebote müssen auch gesteuert werden

Unter den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine sind viele Frauen und Kinder, aber auch alte kranke Männer. Die Geflüchteten haben oft nur ein Gepäckstück dabei. Sie hoffen, dass sie bald zurückkehren können.
Unter den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine sind viele Frauen und Kinder, aber auch alte kranke Männer. Die Geflüchteten haben oft nur ein Gepäckstück dabei. Sie hoffen, dass sie bald zurückkehren können. © Alexander Volkmann

Das hört sich gut an.

Monika Schick-Jöres: Ja. Aber das muss auch gesteuert werden. Denn oft passen die Hilfsangebote und die Hilfsbedarfe nicht 1:1 zusammen. Aber wir nehmen alle Hilfsangebote gerne an und registrieren sie, um bei Bedarf auf sie zurückgreifen zu können.

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Was sind die Hilfsbedarfe der Flüchtlinge?

Monika Schick-Jöres: Wir konnten bisher 30 private Wohnunterkünfte für Flüchtlinge vermitteln und vermitteln auch weiterhin Wohnungsangebote, die bei uns eingehen. Das war vor allem für Familien wichtig, die ihre Haustiere mitgebracht haben, und deshalb nicht in der städtischen Notunterkunft an der Mintarder Straße untergebracht werden konnten. Wir haben aber auch Sachspenden, wie zum Beispiel Kindernachttöpfe, Bettwäsche, Bademäntel, Kinderwagen und Badelatschen zur Mintarder Straße gebracht. Man muss bedenken, dass die Flüchtlinge nachts ihre Unterkunft verlassen müssen, wenn sie zur Toilette müssen.

Aktuell werden eher Geldspenden benötigt

Brauchen Sie noch weitere Sachspenden?

Martina Pattberg: Nein. Wir sammeln vorerst keine weiteren Sachspenden, weil der Träger, der in der vergangenen Woche die Leitung des Flüchtlingscamps an der Mintarder Straße übernommen hat, weitere Sachspenden in großen Mengen erwartet und unsere Lagerkapazitäten erschöpft sind. Deshalb bitten wir um Geldspenden, die wir individueller und flexibler für Neuanschaffungen oder andere Hilfestellungen verwenden können.

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Monika Schick-Jöres: Wenn wir die Wohnungsgeber und die Flüchtlingsfamilien zusammenbringen, müssen wir auch schon mal kleinere Möbel und Haushaltsgeräte beschaffen bzw. für eine erste Kühlschrankfüllung sorgen, so dass die Familien auch ankommen können und gleich am ersten Tag etwas zu essen und zu trinken haben.

Die Spendenbereitschaft ist auch in Mülheim sehr große. Viele Sachen wurden und werden nach Polen gebracht, andere sind für die In Mülheim gestrandeten Flüchtlinge gedacht.
Die Spendenbereitschaft ist auch in Mülheim sehr große. Viele Sachen wurden und werden nach Polen gebracht, andere sind für die In Mülheim gestrandeten Flüchtlinge gedacht. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Welchen Menschen begegnen Sie bei Ihrer Arbeit?

Monika Schick-Jöres: Wir haben es vor allem mit Kindern und Frauen, aber auch mit einigen wenigen jungen Männern im Teenageralter und nicht wenigen alten und kranken Männern zu tun. Die Menschen sind sehr in sich gekehrt und brauchen erst mal Ruhe. Die meisten Flüchtlinge sind mit ihren Gedanken noch in der Heimat, wohin sie auch zeitnah zurückkehren möchten, weil sie sich nur als Gäste, aber nicht als dauerhafte Flüchtlinge sehen. Gott sei Dank haben wir unter unseren Ehrenamtlichen auch sprachkundige und medizinisch gebildete Menschen, auf die wir zurückgreifen können. Wir haben Menschen kennengelernt, die sich hier mit der englischen Sprache gut verständigen und selbstständig bewegen können. Es gibt aber auch Flüchtlinge, die kein Englisch sprechen. Wir sehen Menschen mit finanziellen Reserven und andere, die völlig mittellos zu uns gekommen sind.

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Wohlfahrtsverbände tauschen sich regelmäßig aus

Wie sind Sie in das kommunale Krisenmanagement eingebunden?

Martina Pattberg: Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände (AGW) vertritt uns im kommunalen Krisenstab. Die Wohlfahrtsverbände tauschen sich in einer wöchentlichen Videokonferenz darüber aus, was wo und wann gebraucht wird oder gemacht werden muss.

Monika Schick-Jöres: Wir haben auch einen guten und regelmäßigen Kontakt zur städtischen Wohnungsfachstelle und zum Centrum für bürgerschaftliches Engagement. Das hat sich schon mehrfach bewährt. Das CBE führt die ehrenamtlichen Hilfen zusammen und unterstützt die Koordination aller Hilfen.

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Zwei Flüchtlingswellen und eine Corona-Pandemie. Wird unsere Stadtgesellschaft überfordert?

Monika Schick-Jöres: Aufgrund der großen Hilfsbereitschaft sehe ich zurzeit keine soziale Überforderung. Natürlich kommt auf die Schulen noch einiges zu. Ich weiß aus Gesprächen mit Lehrkräften, dass es da jetzt wirklich eng wird.

Martina Pattberg: Mir ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir bei aller Hilfsbereitschaft für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, nicht die Menschen aus dem Blick verlieren, die schon jetzt bei uns in Not leben und zum Beispiel auf die kostenlosen Lebensmittel der Tafel angewiesen sind. Das könnte zu sozialen Spannungen führen. Und nicht nur angesichts der kriegsbedingt steigenden Lebenshaltungskosten, sondern auch der expandierenden Energiekosten halte ich es für sinnvoll, diese Menschen mehr denn je zu unterstützen.