Mülheim. Bundespräsident Steinmeier setzt auf Expertise aus Mülheim: Welche Aufgaben auf Prof. Ferdi Schüth vom MPI für Kohlenforschung jetzt zukommen.

Der Wissenschaftsrat tut alles, um die Hochschullandschaft in Deutschland zu verbessern, er ist hochkarätig besetztes Gremium und wichtiger Ansprechpartner für das Bundesforschungsministerium. Seit Februar ist auch ein Mülheimer Teil dieser Institution: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Prof. Dr. Ferdi Schüth, Direktor am hiesigen Max-Planck-Institut (MPI) für Kohlenforschung, für zunächst drei Jahre in das Amt berufen. „Eine weitere große Ehre für ihn“, heißt es freudig vom MPI über den bereits vielfach ausgezeichneten Chemiker.

Vorgeschlagen wurde der 61-Jährige von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die regelmäßig bei renommierten Forschungseinrichtungen nachfragt, wer für die Aufgabe geeignet sein könnte. Die Max-Planck-Gesellschaft empfahl den Mülheimer Wissenschaftler, der 2014 bis 2020 als ihr Vizepräsident fungierte und so schon Erfahrung auf dem wissenschaftspolitischen Parkett sammeln konnte.

Wissenschaftsrat erarbeitet Empfehlungen und Positionspapiere für die Bundesregierung

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Der Wissenschaftsrat, der seit 1957 besteht, erarbeitet Empfehlungen und Positionspapiere für die Bundesregierung. „Es setzt sich zusammen aus zwei Kommissionen“, erläutert MPI-Pressereferentin Sarah-Lena Gombert. „In der wissenschaftlichen Kommission sitzen neben den Fachleuten auch Personen des öffentlichen Lebens, etwa die Chefs der Unternehmen Merck und Schott. Zur Verwaltungskommission gehören politische Vertreter aus Bund und Ländern, darunter zum Beispiel NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen.“ Die erstgenannte Gruppe hat 32 Mitglieder, die zweite 22.

„Getagt wird in der Regel vier Mal pro Jahr“, so Gombert, „einmal in Berlin und drei Mal an wechselnden Standorten.“ Coronabedingt finde aktuell jedoch fast alles online statt, „das nächste analoge Treffen aber ist für April in Erfurt geplant“.

Begutachtung neuer Hochschulen gehört auch zum Aufgabenfeld

Zu den Aufgaben des Wissenschaftsrats zählt unter anderem die Evaluation wissenschaftlicher Einrichtungen, etwa von Instituten, die zu Bundesministerien gehören. „Auch die so genannte Akkreditierung zählt dazu“, berichtet Gombert, „also die Begutachtung neuer Hochschulen in Deutschland.“ Dies sei eine zunehmend wichtige Aufgabe, weil es immer mehr private Hochschulen gebe. Der Wissenschaftsrat überprüfe, ob diese die Standards einhalten, zum Beispiel personell vernünftig ausgestattet sind. „Denn das hat ja unmittelbar Auswirkung auf das Studium der jungen Frauen und Männer, die sich dort einschreiben.“

Das Gremium spricht auch Empfehlungen aus für die deutsche Wissenschaftsstruktur: Wie viel Geld fließt in die Hochschulen, wo muss gegebenenfalls nachgebessert werden? Das sind Fragen, die nach Antworten verlangen. „Der Rat hat kürzlich in einer Sitzung, an der auch Ferdi Schüth schon teilgenommen hat, ein Papier verfasst, in dem es um den Sanierungsstau an deutschen Hochschulen geht.“ Danach bestehe ein Investitionsbedarf von insgesamt 60 Milliarden Euro, so die Pressesprecherin.

Gremium beschäftigt sich auch mit Publikationen von Fachartikeln

Ein Wissenschaftler, der auch Laien begeistern kann

Ferdi Schüth ist in Mülheim nicht nur als Top-Chemiker bekannt, sondern auch als Wissenschaftler, der Laien für seine Disziplin begeistern kann. Bei der Osterakademie an der Luisenschule faszinierte er Mülheimer Grundschüler zuletzt im April 2019 mit seinen Versuchen.

Seine Experimentalvorlesungen auf der Freilichtbühne sind schon fast als legendär zu bezeichnen. Im September 2019 war auch Schüler Joe (10) dabei und stellte treffend fest: „Wenn Chemie-Lehrer in der Schule auch so coole Experimente machen würden, wäre für viele von uns Chemie das Lieblingsfach.“

Ein weiteres Thema, mit dem der Wissenschaftsrat sich beschäftigt, ist die Publikation von Fachartikeln. Klassischerweise veröffentlichen die Forscher und Forscherinnen in Wissenschaftszeitschriften, die von privaten Verlagen herausgegeben werden. „Doch der Ruf nach ,open access’ wird immer größer“, so Gombert, also nach frei zugänglichen wissenschaftlichen Publikationen für jedermann. An dieser Stelle müsse man sich fragen: Wie kann man für mehr Transparenz im Wissenschaftsbetrieb sorgen, ohne dass die Qualität der wissenschaftlichen Aufsätze leidet? Und was bedeutet das wirtschaftlich für die Verlage?