Mülheim. . Ferdi Schüth wollte schon als kleiner Junge die große Welt der Chemie durchblicken. Ein guter Lehrer am Gymnasium war der erste, der ihn heranführte an „die sinnliche Wissenschaft“ - und ein Nachbarskind. Nach steiler Karriere kam er 1998 als Direktor ans Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim.

In dem winzigen Dorf bei Warstein, aus dem Prof. Dr. Ferdi Schüth stammt, gab’s anno dazumal „einen Lehrer, einen Pastor, einen Arzt – und das war’s mit den Akademikern“. Dass der kleine Ferdi einmal ausziehen würde, um die große, weite Welt der Chemie zu erobern, war nicht sonderlich wahrscheinlich. Doch die Eltern – ein Handwerker und eine Hausfrau – waren von Beginn an „bedacht auf Bildung“. Und als dann auch noch Herr Dehnert ins Leben des Sauerländers trat, war der Weg gen Wissenschaft geebnet.

„Mein Chemielehrer war ein super Didaktiker. Der verstand, wovon er sprach, und er konnte uns seine Faszination vermitteln.“ Ähnlich prägend war die Begegnung mit einem Nachbarsjungen: Mit dem reaktivierte der junge Ferdi alte Knallkörper, die von Silvester übrig waren. Er befüllte sie mit selbstgemischtem Pulver, und ab ging die Post. „Knallen ist einfach“, lernte er, „Raketen bauen ist schwieriger.“

Es ist „die Sinnlichkeit“, die Ferdi Schüth, seit 1998 einer der Direktoren am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, bis heute an der Chemie fasziniert: „die Farben, die Geräusche, die Gerüche“. Im Labor steht er allerdings nur noch selten; es ist eher der Schreibtisch, der seinen Arbeitsalltag bestimmt – oder der Flieger. Seit zwei Monaten nämlich ist der 54-Jährige zusätzlich ­Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft, der – laut Homepage – „erfolgreichsten deutschen Forschungsorganisation“, zu der seit der Gründung 1948 immerhin 17 Nobelpreisträger zählen. In dieser Eigenschaft muss Schüth oft zur Verwaltung nach München jetten oder eines der 83 weit verstreuten Max-Planck-Institute ansteuern.

Zu Vorträgen in aller Welt

Apropos: Auch in fremde Länder, vornehmlich nach Japan, China, in die USA und andere europäische Staaten, fliegt der Chemiker regelmäßig und hält Vorträge. „Das sind die wissenschaftlich aktiven Nationen“, und dort höre man eben auch gerne hin, wenn’s Wortbeiträge von den Fachleuten aus Mülheim gibt.

Die Mülheimer, das weiß Schüth, sind stolz, dass in ihrer Stadt „Forschung auf Weltniveau“ betrieben wird, ebenso die allermeisten der rund 350 Mitarbeiter. Auch Schüth sagt, „ich finde es wundervoll, am MPI zu arbeiten“. Und wenn er an das Jubiläum der Forschungseinrichtung denke, dann denke er vor allem „an Hunderte von Wissenschaftlern, die hier hervorragend ausgebildet wurden, und von denen heute viele als Professoren weltweit in führenden Positionen sitzen“.

Als Chemie-Professor in Frankfurt

Schüths ganz persönlicher Weg führte vor Jahr und Tag zunächst zum Studium an die Uni Münster, wo er 1988 auch promovierte. Ein Jahr als „Postdoc“ in den USA folgte und anschließend die Habilitation in Mainz. Drei Jahre lehrte er als klassischer Chemie-Professor an der Uni Frankfurt, ehe er 1998 in die Ruhrstadt wechselte.

Feurige Experimente auf der Freilichtbühne

Den Mülheimern ist Prof. Schüth vor allem durch seine Experimentalvorlesungen auf der Freilichtbühne bekannt, die in vergangenen Jahren schon mal bis zu 2500 Besucher angezogen haben. Auch im Jubiläumsjahr zeigt er wieder feurige Experimente: und zwar in den Abendstunden des 13. Septembers.

Schon in früheren Jahrhunderten kannte man ähnliche Veranstaltungen, berichtet der Wissenschaftler, „die Quacksalber wollten so ihr Publikum anziehen“. Wer auf dem Jahrmarkt eine Brandsalbe unters Volk bringen wollte, habe sich etwa der spektakulären Dienste eines Feuerspuckers bedient.

Und auch an den Hochschulen gebe es eine lange Tradition chemischer Schauvorlesungen; er selbst habe seine Studenten früher immer zu Weihnachten auf diese Weise unterhalten. „Es ist halt deutlich anschaulicher, wenn man bestimmte Effekte mal live gesehen hat.“ Die Knallgasexplosion beispielsweise sei wunderschön, so sagt der Chemiker, „aber wer sie mal erlebt hat, weiß auch, wie gefährlich sie ist“.

Seither leitet der Mülheimer die Abteilung „Heterogene Katalyse“. Was das heißt? Unter anderem betreut er die Mitarbeiter, die aus allen Teilen der Welt in seine Abteilung streben. „Ich bespreche etwa Forschungsergebnisse mit ihnen und überlege, wie es weitergehen könnte und in welcher Fachzeitschrift wir die Erkenntnisse veröffentlichen könnten.“ All das geschieht natürlich auf Englisch; „das ist nun mal die Wissenschaftssprache“.

Seine Mutter, die noch immer in dem winzigen Dorf bei Warstein lebt, habe seinen Werdegang natürlich gespannt verfolgt, sagt Schüth. Mittlerweile ist er selbst zweifacher Vater – und für viele junge Wissenschaftler genau das, was einst Chemielehrer Dehnert für ihn war. . .