Mülheim. Banken und Sparkassen müssen sich nach dem BGH-Urteil die Zustimmung ihrer Kunden zu neuen AGB einholen. Viele Kunden in Mülheim verweigern dies.

Unmut und Unklarheit sind nach wie vor groß unter Sparkassen- und Bankkunden wegen der angepassten Geschäftsbedingungen, die die Geldinstitute als Reaktion auf das BGH-Urteil zu Gebührenerhöhungen ohne aktive Zustimmung seit einigen Monaten verschicken. Mancher Mülheimer ärgert sich zudem über die Rückerstattungspraxis der Sparkasse.

Der eine geht leer aus, der andere bekommt ein paar Euro erstattet – immerhin 3,20 Euro sind es bei Berthold Klein. „Da war die Sparkasse besonders großzügig“, schmunzelt der Mülheimer, der innerlich aber eher brodelt. „Gefordert hatte ich 17,60 Euro, denn es wurde ja eine Bezifferung verlangt. Mein Rechenmuster: 44 Monate mal 0,40 Euro. „Nach individueller Prüfung“ wurde laut Schreiben der Sparkasse der Erstattungsbetrag „ermittelt“, schildert Klein seine Erfahrungen.

Es geht um Rückerstattung zu viel gezahlter Gebühren und um neue AGB

Eine Begründung für die Kürzung, die die Sparkasse in seinem Fall vorgenommen hat, suchte der Mülheimer in dem Schreiben seines Geldinstitutes vergeblich: „Fehlanzeige“, sagt Klein und macht deutlich: „Durch eine Erstattung praktisch in Höhe einer Konkursquote fühle ich mich als Kunde schon fast verhöhnt.“ Mit Galgenhumor fügt er hinzu: „Möglicherweise wurden die Erstattungsbeträge auch ausgelost: Meine Schwiegermutter hat nämlich, obwohl sie eine Bezifferung nicht vorgenommen hatte, sagenhafte 59,70 Euro ,gewonnen’.“

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Neben der Rückerstattung von zu viel gezahlten Gebühren geht es im Nachgang zu dem Urteil des BGH zur Gebührenerhöhung ohne aktive Zustimmung auch um die Annahme der neuen beziehungsweise überarbeiteten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Geldinstitute.

Sparkasse Mülheim wertet Zustimmung von rund 82 Prozent der Kunden als positiv

Zum Hintergrund: Laut dem BGH-Urteil aus April 2021 reicht es nicht, wenn Kontoinhaber nicht wider­sprechen, sobald es zu Preis­erhöhungen bei ihrem Geldinstitut oder zu ungüns­tigen Veränderungen der Bedingungen von Banken und Sparkassen kommt. Nahezu jedes Kreditinstitut verschickte in der Folge neue oder veränderte AGB an seine Kundinnen und Kunden und bat um Zustimmung.

Rund 82 Prozent der Kunden und Kundinnen der Mülheimer Sparkasse haben inzwischen den überarbeiteten AGB zugestimmt, teilt Pressesprecher Frank Hötzel mit.
Rund 82 Prozent der Kunden und Kundinnen der Mülheimer Sparkasse haben inzwischen den überarbeiteten AGB zugestimmt, teilt Pressesprecher Frank Hötzel mit. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Zum aktuellen Stand der Zustimmung der Kundinnen und Kunden zu den neuen beziehungsweise überarbeiteten Geschäftsbedingungen befragt, sagt Frank Hötzel, Pressesprecher der Sparkasse Mülheim: „Über 82 Prozent unserer Kunden haben unseren AGB bereits zugestimmt. Damit haben uns über 65.000 Kunden ihr Vertrauen ausgesprochen. Dies ist uns gelungen, ohne dass wir eine explizite Frist ausgegeben haben. Wir sind wirklich sehr zufrieden mit dem Verlauf.“

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Sparkassen-Sprecher zu Kunden, die AGB nicht zustimmen: Kündigungen kein Thema

Welche Konsequenzen ergeben sich aber für Kunden, die bislang noch nicht zugestimmt haben und dies weiter verweigern? Droht ihnen die Kündigung des Geschäftsverhältnisses? Sparkassen-Sprecher Hötzel erläutert: „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden bei den Kunden weiter um die Zustimmung zu unseren AGB bitten, damit wir auch die noch ausstehenden Zustimmungen einholen. Daher sind Kündigungen auch aktuell kein Thema.“

Ähnlich verfährt die Commerzbank, die in Mülheim nach eigenen Angaben mehr als 20.000 Kunden zählt. „Auf Kunden, die noch nicht zugestimmt haben, gehen wir noch einmal zu, um ihre Zustimmung einzuholen“, schildert Pressesprecher Matthias Kretschmer. Sollten Commerzbank-Kunden ihre Zustimmung nicht erteilen, drohe ihnen nicht die Kündigung ihres Kontos. „Das ist nicht unser Ziel“, sagt Kretschmer und betont: „Es geht darum, die vertragliche Basis mit unseren Kunden rechtssicher zu gestalten.“

Rund 70 Prozent Rücklaufquote bei der Sparda-Bank West

Etwas schärfer formuliert es ein Sprecher der Deutschen Bank: „Wir gehen weiterhin von einer Zustimmung zu den schon bekannten Preisen und Bedingungen aus, behalten uns aber unverändert eine Prüfung der Kundenbeziehung im Fall der Nichtzustimmung vor.“ Nach Aussage des Sprechers der Deutschen Bank, die keine Angaben zur Anzahl ihrer Kunden in einzelnen Niederlassungen machen will, entwickele sich der Anteil der Rückmeldungen derjenigen Kundinnen und Kunden, die den Preisen und Bedingungen bereits zugestimmt haben, mit über 85 Prozent positiv.

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An ihre rund 12.600 Kundinnen und Kunden in Mülheim hat die Sparda-Bank West bereits im Oktober vergangenen Jahres die neuen AGB mit Bitte um Zustimmung verschickt, erläutert Pressesprecherin Ulrike Hüneburg. Die Rücklaufquote insgesamt bei allen rund 460.000 Girokontokunden betrage aktuell rund 70 Prozent. Wer die AGB noch nicht akzeptiert habe, werde weiterhin mehrfach auf unterschiedlichen Kommunikationswegen angesprochen, so Hüneburg, die versichert: „Unser Ziel ist es, unsere vertragliche Basis mit all unseren Kunden eindeutig und für diese und uns als Bank rechtssicher zu gestalten.“

Die Sparda-Bank West hat nach eigener Aussage rund 12.600 Kundinnen und Kunden in Mülheim. Noch haben nicht alle den angepassten AGB zugestimmt, schildert die Pressesprecherin.
Die Sparda-Bank West hat nach eigener Aussage rund 12.600 Kundinnen und Kunden in Mülheim. Noch haben nicht alle den angepassten AGB zugestimmt, schildert die Pressesprecherin. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Mülheimer Sparkassen-Kunde ist sauer: „Sparkasse schaltet dreist auf stur“

Sparkassen-Kunde Berthold Klein hat den neuen AGB der Mülheimer Sparkasse in Teilen zugestimmt, wie er berichtet: „Ich habe die AGB der Geschäfte durchgestrichen, die ich gar nicht bei der Sparkasse betreibe: Ich habe dort kein Schließfach, kein Depot, mache kein Online-Banking. Warum soll ich den diesbezüglichen AGB zustimmen? Das ist so, als solle ich beim Kfz-Händler, dem ich ein Auto zur Reparatur bringe, auch die AGB für den Neuwagenkauf akzeptieren.“

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Nachhaken, ob die Sparkasse ihm den Betrag auszahlen wolle, den er ursprünglich gefordert hatte – also 17,60 Euro statt der gezahlten 3,20 Euro – will Klein nicht: „Mir geht es nicht um das Geld, sondern um das Prinzip, weil die Sparkasse dreist auf stur schaltet, offenbar anders als andere Geldinstitute. Dabei ist ihr die Rechtslage wohl vollständig schnuppe, was mich besonders ärgert.“ Was Klein besonders sauer macht: „Auslöser der Aktion war doch wohl nur die Erhöhung der Gebühren für Girokonten. Diesen schlichten Punkt, den jeder verstehen würde, spricht man nicht offen und klar an, sondern versteckt ihn in einem Wust von rund 150 Seiten AGB, die kein Mensch liest.“

Finanzexperte der Verbraucherzentrale NRW rät zur Wachsamkeit bei Bankgeschäften

Eine weitere Vorgehensweise, die manche Banken und Sparkassen deutschlandweit derzeit ausüben, ist die des konkludenten Handelns. Die betreffenden Geldinstitute stellen sich demnach offenbar auf den Standpunkt, dass schon allein die Nutzung eines Kontos als Zustimmung zum dazugehörigen Preismodell gewertet werden könne.

Die betreffenden Kreditinstitute schrieben ihren Kunden, dass diese bis zu einem gewissen Datum auch durch die „aktive Beauftragung einer Dienstleistung“ ihr Einverständnis signalisieren könnten. Eine Auszahlung etwa reichte ebenso wie eine Überweisung oder ein Bezahlvorgang mit der Bankkarte – und schon hatte der Kunde, bewusst oder unbewusst, seine Zustimmung zum neuen Preismodell gegeben.

Bankkunden können sich an Musterfeststellungsklagen beteiligen

David Riechmann, Finanzexperte der Verbraucherzentrale NRW, meint dazu: „Es gibt einzelne Institute, die behaupten, die Kunden hätten durch ihre Nutzung in der Vergangenheit den damals eingeführten Preisen zugestimmt. Mit dem Argument wird dann die Rückzahlung der Ansprüche abgelehnt, so ist etwa die Sparkasse Westmünsterland vorgegangen.“

Auch in dem angestoßenen Prozess nach dem BGH-Urteil, in dem die Geldinstitute darum bitten, neuen AGB zuzustimmen, soll es vereinzelt vorgekommen sein, dass die Nutzung einer Bank-Dienstleistung trotz ausbleibender aktiver Zustimmung als Einverständnis fürs neue Preismodell gewertet wurde, so Bankenjurist Riechmann, der betont: „Ich halte beide Vorgehen für nicht rechtmäßig.“

Um Kontoinhabern zu mehr Rückendeckung zu verhelfen, strebt der Dachverband der Verbraucherzentrale zwei Musterfeststellungsklagen an. Die Musterfeststellungsklagen gegen die Sparkassen Köln-Bonn und Berlin sind jetzt zur Eintragung für Betroffene freigeschaltet, informiert Finanzexperte David Riechmann und verweist auf die Homepage bundesjustizamt.de.