Hagen. Viele Kontoinhaber warten auf eine Rückzahlung für zu viel gezahlte Gebühren. Es betrifft fast jeden. Wie ein Hagener um sein Recht kämpft.

Für die meisten Kontoinhaber geht es nicht um Millionen, aber doch um ein paar Euro und auch ums Prinzip. Ende April hatte der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil gegen die Postbank gefällt, das für viele Bank- und Sparkassenkunden von Bedeutung ist. Gebührenerhöhungen auf dem Wege der stillschweigenden Zustimmung absegnen zu lassen, ist unzulässig. Entsprechend können Erhöhungen für die Zeit ab 2018 zurückgefordert werden, sogar plus fünf Prozent Zinsen, erklärt der Verbraucherzentrale Bundesverband (vbzv).

Sparkasse Hagen/Herdecke lässt sich Zeit

Ganz einfach scheint dies in der Praxis aber doch nicht zu sein, will man nicht direkt den Rechtsweg einschlagen. Matthias Deggeller ist von Kindesbeinen an Kunde der Sparkasse Hagen, heute Sparkasse Hagen/Herdecke, und nach eigener Aussage seit jeher interessiert an Finanzthemen. Kein Wunder, dass der gebürtige Hagener schnell auf das BGH-Urteil aufmerksam wurde und Anfang Mai „seine“ Sparkasse per Email mit der Bitte um Aufstellung der zu viel gezahlten Gebühren und Rückerstattung anschrieb. Immerhin gab es eine Reaktion. Man müsse zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Deggeller bat darum, zeitnah informiert zu werden, wenn die Begründung vorliege und die Sparkasse denn so weit sei.

Direktbank war flott

Seine Erfahrung: Stillschweigen anders herum. Dieses Mal von Seiten der Sparkasse. „Es passierte gar nichts“, war der Kunde im Sommer schon etwas genervt. Zumal andere Finanzinstitute flotter reagierten, Gebühren kurz nach dem BGH-Urteil senkten und ihren Kunden unbürokratisch pauschale Erstattungen anboten, um viel Papierkram zu vermeiden. Auch Matthias Deggeller erhielt so eine Pauschale. Von der Bank 1822direkt – einem Tochterunternehmen der Sparkasse Frankfurt, bei dem er ebenfalls ein Konto hat. „Die haben 30 Euro angeboten. Das war für mich okay“, fand Deggeller.

Die Hagener Sparkasse prüfe jeden Einzelfall, erklärt der Institutssprecher: „Wir suchen die persönliche Kommunikation mit unseren Kunden.“ Allzu viele seien es übrigens nicht, die sich gemeldet hätten. „Die Anfragen bewegen sich bislang im niedrigen dreistelligen Bereich.“ In Relation zu den rund 100.000 Privatgirokonten der Sparkasse Hagen/Herdecke überschaubar.

Ob sich daraus tatsächlich ableiten lässt, wie zufrieden die Kunden mit der Gebührenpolitik sind, scheint fraglich. Auch wenn dies der oberste Sparkassenpräsident Helmut Schleweis gegenüber dem Handelsblatt kürzlich genau so interpretierte: „Die meisten Kunden sind offensichtlich der Auffassung, dass ihre Zahlungen für die erhaltenen Leistungen angemessen waren.“

Verbraucherschützer wollen erneut klagen

Nach Ansicht des vzbv ein absoluter Irrglaube und Anlass für den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) darüber nachzudenken, nach der Postbank noch weitere Institute zu verklagen, weil sie die Rückzahlungen nach dem BGH-Urteil hinauszögerten oder einfach gar nicht auf ihre Kunden reagierten. „Die Sparkassen haben nichts aus ihren Fehlern gelernt. Abermals werten sie ,keine Rückmeldung’ der Kunden einfach als ,Zustimmung’ in ihrem Sinne“, twitterte der oberste Verbraucherschützer, vzbv-Chef Klaus Müller, empört.

Der Verband hat nun Betroffene aufgerufen, sich online auf dem vzbv-Portal (siehe Infobox) zu melden und das jeweilige Kreditinstitut zu nennen: Bei dem Aufruf hat sich bisher eine vierstellige Anzahl von Verbraucherinnen und Verbrauchern beteiligt. „Der vzbv analysiert die Ergebnisse quantitativ und inhaltlich. Anhand der Daten entscheidet sich, welche Kreditinstitute für eine Klage in Frage kommen“, heißt es vom vzbv.

Matthias Deggeller sagt, er sei nicht der Typ, der sofort mit dem Anwalt drohe. Umgekehrt will man ihm keine Aufstellung für das gesamte Jahr 2018 geben, weil das Zahlungskontengesetz die Institute dazu erst verpflichtet, seitdem es gilt. Und das war im November 2018. „Natürlich kann man mit dem Gesetz wedeln, aber ich dachte nicht, dass es so läuft“, sagt Deggeller. Gebrochen habe er, längst im Raum Stuttgart wohnhaft, dennoch bislang nicht mit der Sparkasse. Deggeller weiß ja sehr genau, dass die Sparkassen vielleicht nicht die günstigsten sind, „aber ich finde das Filialsystem gut. Ist ja klar, dass das etwas mehr kostet“. Dennoch: Ihn monatelang hinzuhalten wegen der paar Euro, findet der 37-Jährige insgesamt enttäuschend.

Pauschale eine Billiglösung

Ob die Sparkasse Hagen/Herdecke infolge des BGH-Urteils aus dem Frühjahr überhaupt schon einen Eurocent an Kunden zurückgezahlt hat, lässt sie auf Anfrage offen. Eine andere, beispielsweise die Sparkasse Holstein, versucht die Kosten gering zu halten, indem sie – „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht...“ – in einem der Redaktion vorliegenden Schreiben einer älteren Dame für den Zeitraum April bis Oktober 2021 eine Pauschale in Höhe von 13,65 Euro anbietet. Damit seien dann alle bestehenden und künftigen Ansprüche abgegolten...Umgerechnet also knapp zwei Euro pro Monat. Auf die Zeit ab Januar 2018 betrachtet, durchaus lohnend.