Mülheim. Neue Berechnungen der Stadt zeigen, dass Mülheim trotz Verbesserungen immer noch zu laut ist. Mit diesen Maßnahmen will die Stadt Lärm bekämpfen.

Lärm sei das „fast größte Umweltproblem der letzten 20 Jahre“, hatte Umweltamtsleiter Jürgen Zentgraf bei seinem Ausscheiden vor einem Jahr bilanziert – und auch in der sympathischen Ruhrstadt sei man mit Lösungen „wenig weitergekommen“. Kann der neue Lärmaktionsplan 2023 für Mülheim Hoffnung machen auf ruhigere Zeiten?

Zehn Jahre sind zumindest vergangen, seit man einen solchen Plan erstmals aufgestellt hatte. An den damaligen Problemlagen hat die Stadt offenbar intensiv gearbeitet.

Problem Nummer 1: Der Straßenverkehr

2013 hatte die Stadt gemäß der durch das Land festgelegten Obergrenzen für den Kfz-Verkehr festgestellt, dass rund 2600 Mülheimer in Wohnungen leben, die mit Schalldruckpegeln von mehr als 70 dB(A) – Dezibel – belastet werden. Das ist knapp unter der Lautstärke einer Waschmaschine beim Schleudern. Sogar nachts dröhnt auf 4600 Mülheimer noch 60 dB(A) Lärm ein.

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Wie weit aber Mülheim von Normalwerten entfernt ist? Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt einen maximalen Straßenverkehrslärm-Wert von 53 dB(A) am Tag und 45 in der Nacht. An 25 Straßenabschnitten sah man damals Handlungsbedarf.

Knapp zehn Jahre später scheinen deutlich weniger Einwohner belastet. Maßnahmen wie offenporiger Asphalt an der A 40 und der Ersatz von Pflastersteinen an Gleisen haben wohl dazu beigetragen. So geht die Stadt davon aus, dass derzeit nur noch 1100 Einwohner tagsüber unter einem Pegel von mehr als 70 dB(A) leben müssen, und etwa 2600 mit mehr als 60 dB(A) nachts. Das wäre eine Halbierung der Betroffenen von vor zehn Jahren.

An mehr als 18 Mülheimer Straßen haben sich CDU und Grüne dafür eingesetzt, diese aus dem Vorbehaltsnetz zu nehmen. Das ist eine Voraussetzung, um dort ein Tempo 30 einzuführen. Bezirksbürgermeisterin Elke Oesterwind enthüllte im November 2021 an der Mintarder August-Thyssen-Straße ein solches Schild.
An mehr als 18 Mülheimer Straßen haben sich CDU und Grüne dafür eingesetzt, diese aus dem Vorbehaltsnetz zu nehmen. Das ist eine Voraussetzung, um dort ein Tempo 30 einzuführen. Bezirksbürgermeisterin Elke Oesterwind enthüllte im November 2021 an der Mintarder August-Thyssen-Straße ein solches Schild. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Tempo 30 soll kurzfristig den Lärm mindern

Sieben Brennpunkte im innerstädtischen Verkehr hat die Verwaltung dennoch ausgemacht: die Aktienstraße von Bahnlinie bis Schmitzbauerstraße, den Dickswall von Althofstraße bis Oststraße, Am Schloss Broich von Schloßberg bis Fossilienweg, die Eppinghofer und Sandstraße von Aktienstraße bis Tourainer Ring, die Düsseldorfer / Alte Straße von Nachbarsweg bis Düsseldorfer, Leineweberstraße von Friedrich-Ebert-Straße bis an die Ruhr sowie Aktienstraße (Ost) von Klippe / Knappenweg bis zur A 40.

Noch immer fehlen Lärmschutzwände im Ortsteil Styrum. Die Bahn will erst 2025 mit dem Bau beginnen.
Noch immer fehlen Lärmschutzwände im Ortsteil Styrum. Die Bahn will erst 2025 mit dem Bau beginnen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

An diesen Abschnitten schlägt die Stadt zur Lärmminderung vor, kurzfristig Tempo 30 einzuführen. Langfristig sei eine Lösung nur über eine generelle Verkehrswende möglich – zum Beispiel durch leisere E-Fahrzeuge. Künftig soll bei Veränderungen im Straßenraum die Akustik stärker in den Blick rücken.

Problem Nummer 2: Eisenbahn und Straßenbahn

Kaum ohrenschmeichelnd erweist sich auch der Schienenverkehr. Seit 2018 laboriert die Deutsche Bahn Netz AG daran, zwischen Mülheim-Winkhausen und Essen sowie in Styrum Lärmschutzwände zu errichten. Mehrere Male ist ein Beginn der Maßnahmen seitdem verschoben worden. Nun ist für die Strecke östlich des Hauptbahnhofs 2025 angepeilt. Zeitgleich wird der Styrumer Abschnitt in zwei Sperrpausen angegangen.

So ist es wenig überraschend, dass die Berechnungen der Stadt seither kaum Verbesserungen ergeben haben: Aktuell leben etwa 890 Einwohner (2013: 870) in Wohnungen, die am Tag mit 70 dB(A) beschallt werden. 1550 Einwohner (2013: 1750) haben auch noch nachts 60 dB(A) vor ihrer Hütte.

Ruhrbahn vermindert Lärm durch neue Busse und Straßenbahnen

Flughafen Mülheim: Stadt sieht keinen Handlungsbedarf

Belästigend scheint manchen Anwohnern auch der Lärm durch den Flughafen Mülheim. Rund 11.400 Einwohner sind tagsüber von Pegelwerten zwischen 40 und 45 dB(A) betroffen. Etwa 3795 müssen bis zu 50 dB(A) ertragen und 62 bis zu 55 dB(A).

„Die vom Umweltbundesamt zur Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen empfohlenen Auslösewerte von 65 dB(A) am Tag werden nur auf einem kleinen Teil des Flughafenareals selbst überschritten“, heißt es aber in der Analyse.

Das Fazit der Stadtverwaltung: „Auf Basis der Ergebnisse der III-Stufe lässt sich für die Lärmaktionsplanung fachlich kein Handlungsbedarf für den Verkehrslandeplatz Essen/Mülheim ableiten. Es erscheint aber ggf. sinnvoll, Möglichkeiten zur besseren Einhaltung der Platzrunde zu diskutieren.“

In zwei Bürgerbeteiligungen 2018 hatten Anwohner allerdings nicht nur den Lärm moniert, sondern waren auch besorgt, danach das Leben vor einer drei Meter hohen Wand mit entsprechender Verschattung verbringen zu müssen. So zum Beispiel an der Hauskampstraße in Styrum. Auch eine „Spaltung“ Styrums durch die Wände kritisierte mancher. Die Forderung nach durchgehend transparenten Wänden wehrte jedoch die Bahn damals mit Hinweis auf die Kosten ab.

Leiser ist es offenbar auch bei der Ruhrbahn geworden, indem sie neue Busse und Straßenbahnen anschaffte. So gebe es keine Wohnungen, vor deren Fassaden tagsüber mehr als 70 dB(A) gemessen wurden, auch nachts blieben die Werte offenbar überall in der Stadt unter 60 dB(A).

Problem Nummer 3: Fluglärm

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Weiterhin ist der Fluglärm ein Problem: In Mintard zeichnen Berechnungen ein seit zehn Jahren fast unverändertes Bild. So schwankte die Zahl der Flüge zum Düsseldorfer Flughafen zwischen 26.182 (2012) und 36.041 (2017). Für die Lärmstatistik scheint das aber nur wenig Unterschied zu machen: Der Mittelwert bleibt recht konstant bei um die 48,4 dB(A).

„Über politische Signale hinaus bestehen hier kaum Handlungsmöglichkeiten für die Lärmaktionsplanung“, zieht die Stadt ein Fazit. Um eine weitere Verschlechterung der Lärmsituation zu vermeiden, arbeitet die Stadt gemeinsam mit anderen Anrainerstädten in einem Aktionsbündnis gegen die vom Düsseldorf Airport angestrebte Kapazitätserweiterung zusammen.