Mülheim. Er hat den jahrelangen Streit um das illegale Wohnen der Dauercamper an Mülheims Entenfang an vorderster Front erlebt: Das ist Dietmar Harsveldt.

Gut gelaunt ist er zum Start ins Jahr 2022, locker, selbstbewusst und zupackend: Dietmar Harsveldt hat schon manchen Marathon in seinen Beinen; seine Sportlerlaufbahn ist ihm Quell seiner Zuversicht, immer doch ins Ziel einzulaufen. Auch die Auseinandersetzung um das illegale Dauerwohnen auf seiner Campingplatzanlage am Entenfang war so ein Marathon.

Langen Atem musste Harsveldt haben. 2011 hat er die Campinganlage am Entenfang übernommen, 2015 türmten sich tiefschwarze Wolken über See und Siedlung: Das NRW-Bauministerium hatte die Stadt aufgefordert, die illegalen Zustände in der Entenfang-Siedlung aufzulösen. Jahrzehntelang hatte die Stadtverwaltung zugesehen, wie Menschen sich dort ihre dauerhafte Bleibe einrichteten. Nur war das rechtlich gar nicht zulässig; die Anlage war baurechtlich nicht mehr als ein Campingplatz.

Illegales Wohnen: 2015 machte die Stadt auf Drängen des Landes plötzlich Druck

Auch interessant

Auf Drängen des Landes musste die Stadt 2015 einschreiten, sechs Jahre lang dauerten die Auseinandersetzungen um die Zukunft für hunderte Entenfang-Bewohner an. Erst im Sommer 2021 kam mit Gerichtsurteilen die Erlösung.

Überdies erklärte sich Harsveldt schlussendlich bereit, in nötige Brandschutzmaßnahmen zu investieren. Die Umsetzung läuft. Fast allen Altpächtern hat die Stadt zwischenzeitlich unter Bezug auf bestimmte Sozialklauseln in Aussicht gestellt, ihren Dauerwohnsitz am Entenfang bis zu deren Lebensende zu dulden. Harsveldt hat es mit Klagen bis vor das Oberverwaltungsgericht durchgeboxt und möglich gemacht.

10-Millionen-Invest ohne großes Eigenkapital: „Ich hatte mich“, sagt Harsveldt

Auch interessant

Campingplatz-Unternehmer ist Harsveldt seit 1993. „Ein Zufall“ habe ihn dazu bewegt, eine Anlage in Kamp-Lintfort zu kaufen. Zu dieser Zeit, im Alter von 34 Jahren, war Harsveldt von München aus selbstständig mit den Themen Steuern, Revision und Finanzierung unterwegs. Der studierte Betriebswirtschaftler hatte einen Kunden, der für sich die Finanzierung der Campingplatzanlage in Kamp-Lintfort durchrechnen lassen wollte. Am Ende schlug Harsveldt selbst zu.

Rund 10 Millionen D-Mark schwer sei sein Invest damals gewesen. Sein Startkapital? „Ich hatte mich“, sagt Harsveldt, dass er weniger Geld mitgebracht habe denn ein überzeugendes Auftreten als Unternehmer, um die Bank von seiner Kreditwürdigkeit zu überzeugen. „So etwas“, räumt er mit einem Schmunzeln und wohl etwas Bedauern ein, „wäre heute nicht mehr möglich. Da sind nur noch Kennzahlen wichtig, der Mensch als Unternehmer spielt keine Rolle mehr für eine Bewertung.“

Mülheimer Unternehmer besitzt neun Campingplätze und eine Marina

Zufall war es, dass Dietmar Harsveldt Campingplatz-Unternehmer geworden ist. Heute besitzt er neben der Anlage am Mülheimer Entenfang acht weitere Plätze.
Zufall war es, dass Dietmar Harsveldt Campingplatz-Unternehmer geworden ist. Heute besitzt er neben der Anlage am Mülheimer Entenfang acht weitere Plätze. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Harsveldt hat jedenfalls vorgemacht, dass unternehmerischer Erfolg auch mit niedriger Eigenkapitalquote möglich ist. Heute betreibt der 62-Jährige neun Campingplatzanlagen und eine Marina (in Flaesheim). Dabei hatte er vor seinem Einstieg ins Geschäft, als er sich von München, Krawatte und Anzug löste, gar keinen Bezug zur Camping-Szene. Eher schon zum Ruhrgebiet: Harsveldts Frau, ebenfalls Betriebswirtschaftlerin, kommt aus Oberhausen, hat einst zur Risikoabschätzung als Tourismus-Expertin Branchendaten zusammengetragen und ist heute noch mit im Geschäft aktiv.

Das steuern die Harsveldts von Mülheim aus. Er habe digital Zugriff auf alle seine Anlagen, sagt der 62-Jährige – ob zum Freizeitpark Rethemer Fähre in Niedersachsen, zum Eifel-Camp in Blankenheim oder zum Freizeitpark Kinzigsee bei Frankfurt. Selbst ist Camping-König Harsveldt in einem Einfamilienhaus in Mülheims Uhlenhorst sesshaft geworden. Um anfangs reinzufinden, den Geist des Campings zu erfahren und ein Gespür für die Camper zu bekommen, ist Harsveldt damals auch für ein halbes Jahr auf den Platz in Kamp-Lintfort gezogen.

Campingplatz-Anlage am Mülheimer Entenfang: ein ganz eigener sozialer Kosmos

Auch interessant

„Dadurch habe ich die Anerkennung der Leute gewonnen“, sagt Harsveldt, dem wichtig ist zu betonen, nicht ausschließlich Vermieter zu sein, schon gar kein Blutsauger, wie ihn manch einer sehe, dem er aus guten Gründen (dauerhaft ausbleibende Pachtzahlungen, asoziales Verhalten) die Pacht aufkündige. So ein Platz mit Dauercampern sei wie „eine große Familie“. Er lasse seinen wirtschaftlichen Erfolg nicht raushängen, vielmehr hätten er und sein Team insbesondere am Heimatstandort Entenfang „vielen auf die Beine geholfen“.

Eine Anlage wie am Entenfang, so fern der anderen Zivilisation, ist ein eigner sozialer Kosmos. „Die menschliche Komponente hier spielt eine große Rolle“, sagt Harsveldt. Jung und Alt, jede Schicht sei anzutreffen auf seinen Plätzen. Da sei die Frau, die in der Stadt nach zwei Überfällen große Unsicherheit spüre und in der überschaubaren Gemeinschaft am Entenfang ihren Ruhepol gefunden habe. Da gab es den Pächter mit Alkoholproblemen, dem die Gemeinschaft auf die Beine geholfen habe. Unternehmer seien unter den Pächtern, in Frankfurt ein Lufthansa-Pilot, am Entenfang eine Schulleiterin. . .

Entenfang-Betreiber: Alle Pächter haben meine Handynummer

Auch interessant

Harsveldt legt Wert darauf, dass die jeweilige Verwaltung präsent ist vor Ort. Er selbst ist dies am Entenfang, alle Pächter hätten seine private Handynummer. Auf anderen Plätzen setzt er am liebsten Ehepaare ein, die auch am Platz wohnen und jederzeit ansprechbar sind. „Neid, Intrigen, Gerüchte, Fremdgehen. . .“ Na klar: All das gebe es auch am Entenfang. „Aber die Leute lieben es so“, sagt der 62-Jährige.

7000 Dauermieter und 15.000 Menschen hat Harsveldt nach eigenen Angaben auf seinen Anlagen. Dazu kommen die Touristen, etwa 100- bis 120.000 im Jahr, die sich etwa auf Harsveldts Fünf-Sterne-Superior-Plätzen in der Eifel oder am Biggesee im Sauerland einmieten.

Mülheimer hat 14 Jahre lang in der Volleyball-Bundesliga gespielt

Auch interessant

Stillstand kennt Harsveldt nicht. Seine Vergangenheit als Leistungssportler benennt er als prägend. Harsveldt war einst 14 Jahre lang in der Volleyball-Bundesliga aktiv. Erst in seiner Heimatstadt Freiburg, später lange und in Co-Verantwortung als Manager für den TSV 1860 München sowie den TSV Milbertshofen.

Dieses Leistungssportler-Gen habe ihm auch geholfen, im langwierigen Streit um die Anlage am Entenfangsee Ausdauer zu haben. „Als Leistungssportler weiß ich, was es heißt zu trainieren, um was zu erreichen. Auch wenn man das Ziel nicht erreicht, so sorgt das Training doch dafür, die Leistung zu verbessern“, sagt Harsveldt. „Jede Schwierigkeit, die ich meistere, führt nur dazu, dass alles substanziell wertvoller wird.“

Um 4, 5 Uhr geht’s raus aus dem Bett: Dann kreisen die Gedanken ums Geschäft

Unternehmen vor Übergang in zweite Generation

Campingplatzbetreiber Dietmar Harsveldt sieht die Zukunft seiner Freizeit-Oasen gesichert. Der Übergang zur zweiten Generation in Familienhand sei fest geplant, sagt er.

Sohn und zukünftige Schwiegertochter sollen nach Abschluss ihrer Masterstudiengänge den Betrieb übernehmen. „Sie sind schon eingebunden und werden es, in ihrer Art und Weise, weiterführen“, sagt der 62-Jährige. „Ich werde dann nur noch als Back Office fungieren.“

Mit dieser Philosophie sei er auch in die gerichtlichen Auseinandersetzungen mit der Stadt gegangen. Niemals seien in ihm Gedanken hochgekommen, was er sich da mit dem Entenfang womöglich ans Bein gebunden habe. Das Ende ist bekannt: Harsveldt ist über die Ziellinie.

„Für mich ist das Schlimmste Stillstand. Wenn was losgeht, will ich da nicht mit Berg-, sondern Sprungstiefeln dastehen“, sagt Harsveldt. So ist er auch Frühaufsteher. Abends früh ins Bett, um 4, 5 Uhr ist die Nacht für ihn zu Ende. „Dann bin ich drei, vier Stunden für mich alleine, mache mir Gedanken. Um 8 Uhr, wenn ich meine Mitarbeiter erreiche, geht es dann los.“

Harsveldt plant Open-Air mit Stars wie Max Giesinger und Mark Forster im Sauerland

Nächstes Ziel: ein „Biggesee Open-Air“. Zwei Anläufe hat Harsveldt dafür schon unternommen, Corona hat ihn ausgebremst. Mitte Juni soll’s endlich klappen. Mark Forster, Max Giesinger, Cro, James Blunt oder Atze Schröder sind gebucht, sieben Konzerttage mit jeweils 8- bis 10.000 Besuchern geplant. „Es wird ein Highlight für das Sauerland“, frohlockt Harsveldt, dass sein nächster Marathon ins Ziel führen wird.