Mülheim. Jetzt kommt’s tatsächlich, wie befürchtet: In der Gastronomie gilt 2G-plus. Mülheims Wirte sind in Aufruhr: Wieder drohen massive Umsatzeinbußen.
Bald gilt die 2G-plus-Regel in der Gastronomie bundesweit: Wer als (doppelt) geimpfter oder genesener Gast ein Restaurant oder Café in Mülheim besuchen möchte, muss dann einen tagesaktuellen negativen Schnelltest dabei haben. Lediglich Geboosterte sind von dieser Regel ausgenommen. Für die ohnehin Corona-gebeutelte Gastronomie bedeutet das weitere üble Einbußen, fürchten Mülheimer Wirte.
„Die Stimmung und die Motivation sind total im Keller“, sagt etwa Rafael Dreyer, Inhaber des Burger- und Steak-Restaurants „Manducare“ angesichts der „erheblichen Umsatzverluste“ jeden Monat. Auch die Gäste seien genervt. Neulich habe er einen Stammgast wegschicken müssen, weil der zu seinem Impfnachweis den Personalausweis vergessen hatte. „Das macht mir ein total schlechtes Gewissen“, sagt der Koch, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Und nun auch noch 2G-plus!
Von acht Vollzeitkräften konnte der Mülheimer zwei halten, den Rest erledigen Aushilfen
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Aufs Weihnachtsgeschäft habe man sich im Manducare gefreut, doch Weihnachtsfeiern wurden bekanntlich angesichts der Coronasituation zumeist abgesagt. „Wir können nur noch am Personal sparen“, sagt Dreyer. Von acht Vollzeitkräften hat er noch zwei behalten, den Rest stemmt er mit Aushilfen. Was auch ein Problem sei, weil er so keine Kurzarbeit beantragen könne.
„Viele Kollegen haben schon ganz geschlossen, um nur noch die Fixkosten zahlen zu müssen“, weiß Rafael Dreyer. „Viele sagen auch: Für uns wäre ein Lockdown besser.“ Dreyer fühlt sich und seine Gastronomie-Kollegen durch 2G-plus erneut in die Enge getrieben: „Wir können das auch nicht mehr lange durchhalten. Wir haben keinen Puffer mehr.“
50 Prozent weniger Umsatz durch das weggebrochene Weihnachtsgeschäft
Jörg Thon ist nicht nur Inhaber von „Ratskeller“ und „Bürgergarten“, er ist auch der Mülheimer Ortsgruppenvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). Auch er weiß: Schon das weggebrochene Weihnachts- und Silvestergeschäft war ein Problem, und zu Karneval drohen ja wohl erneut massive Einbußen, fürchtet er.
Weihnachtsgeschäft mit 50 Prozent Umsatzverlust
Jörg Thon, der Mülheimer Dehoga-Vorsitzende, verweist beim Gespräch mit dieser Zeitung auf die Ergebnisse einer aktuellen, bundesweiten Dehoga-Umfrage: Danach haben die Umsatzverluste beim für das Gastgewerbe so wichtigen Weihnachts- und Silvestergeschäft 50 Prozent betragen.
„Und das“, so sagt Thon, „war ja schon das zweite Corona-Weihnachten in Folge. . .“
Mit der im November geltenden 3G-Regelung habe die Gastronomie ja noch ganz gut dagestanden: „Da hatten sich die Leute dran gewöhnt.“ Nun aber stöhne die Branche, „warum wir schon wieder“, weiß Thon. „Wir machen doch alles: Sorgen für Abstand, haben den ganzen Tag Masken auf, kontrollieren Impfnachweise.“
„Verkürzte Öffnungszeiten und Take-away – mehr wird uns wohl nicht bleiben“
Der „Ratskeller“ und der „Bürgergarten“ hätten viele Stammgäste, das wäre schon ein Vorteil. „Beim älteren Publikum haben viele schon die dritte Impfung.“ Viele Gäste blieben aus Angst aber dennoch lieber zu Hause. Der Dehoga-Ortsgruppenvorsitzende rechnet damit, dass bei 2G-plus einige Wirte freiwillig in den Lockdown gehen werden, Kurzarbeit anmelden. „Verkürzte Öffnungszeiten und Take-away – mehr wird uns wohl nicht bleiben.“ Frustrierend sei das, die Perspektive fehle.
Die „Mausefalle“ in der Altstadt hat derzeit Betriebsferien. Wenn Inhaber Hendrik Peek am 17. Januar wieder öffnet, muss er sich wohl auf neue Corona-Regeln einstellen. Mit seinem Weihnachtsgeschäft war er zufrieden, auch wenn die großen Feiern meist storniert wurden. Man habe das aber auffangen können.
Zu allem Übel wurden auch noch alle großen Messen abgesagt
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„Es funktioniert ja, aber der Aufwand für die Kontrollen an der Tür ist enorm“, sagt Peek. In der Mausefalle sei streng kontrolliert worden, im Zweifelsfall habe man Gäste auch wegschicken müssen, um die nötigen Ausweispapiere zu holen.
Jetzt, im neuen Jahr, dürften aber viele Gäste fehlen, weil ja auch die großen Messen abgesagt worden sind. Wenn 2G-plus flächendeckend gelten würde, und nicht nur branchenspezifisch, wäre das nicht ein so großes Problem, schätzt Peek. Dann könnten sich die Leute viel besser darauf einstellen: „Etwa mit einem aktuelle Test erst shoppen, und dann essen gehen.“
Der Wirt der „Quelle 2.0“ denkt darüber nach, vielleicht ganz zuzumachen
Auch der Wirt einer – wie er sagt – „typischen Bierkneipe für Rentner“ ist alles andere als glücklich. „Die aktuelle Situation ist ganz böse für uns“, sagt Sergen Akgül, der die „Quelle 2.0“ am Haagerfeld in Broich seit August 2021 betreibt. Früher hieß dieser Laden „Zum Depot“ und Chefin war Sladjana Petrovic. Allerdings nur bis Dezember 2020, dann blieben die Rollläden unten und die Tür zu: „Die Pandemie hat mich ruiniert“, klagte die Wirtin damals.
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Übers Aufgeben denkt nun auch ihr Nachfolger nach. Schon vor der 2G-plus-Regel seien die Gäste ausgeblieben, erzählt Sergen Akgül und seufzt. „Keiner hat mehr Lust, keiner hat mehr Vertrauen. Niemand weiß mehr, was los ist und was noch kommt.“ Er plädiere für „ein Leben mit dem Virus ohne Einschränkungen“.
Mitten im Lockdown mit Freude ins Lokal eingestiegen, mittlerweile aber doch frustriert
An der Hausecke gegenüber liegt „Crêpe und Baguette“, ein kleines, feines Restaurant, das in der Stadt Kultcharakter hat. Auch dort gab es im vergangenen Jahr einen Betreiberwechsel. Verantwortlich ist seither Kumanan Pulenthirarajah. Er hat das Lokal im Januar 2021 übernommen, mitten im Lockdown. Und war guter Dinge, „weil es einfach ein besonderer Ort ist“.
Mittlerweile aber leidet auch der 46-Jährige: „Die aktuelle Lage schadet der Gastronomie extrem.“ Die Situation sei finanziell sehr belastend. Und plane könne man auch schlecht: Weil alles so unbeständig sei, kaufe man manchmal ein und müsse es hinterher wegschmeißen, weil alles abgelaufen sei. Es gebe unter den Wirten kaum mehr ein anderes Thema – „und das wird wohl noch schlimmer werden“.