Mülheim. Eine Gleichbehandlung ihrer Zwillinge habe es in der Kita nicht gegeben, so eine Mülheimerin. Wie finden behinderte Kinder einen Kita-Platz?
Zwillingsmutter Suma Dandale ärgert sich auch nach vielen Monaten noch. Sie spricht von „Diskriminierung“, wenn sie darüber berichtet, wie unterschiedlich ihre beiden Söhne (4) im letzten Jahr in einer Saarner Kita aufgenommen wurden. Ein Junge ist nicht behindert, der andere beeinträchtigt – wohl durch frühkindlichen Autismus. „Er hat aber das Recht, genauso behandelt zu werden wie sein Bruder“, sagt die gelernte Krankenschwester.
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Während das nicht-behinderte Kind in der Kita problemlos in den Regelbetrieb integriert wurde, habe man dem behinderten Kind von Anfang an skeptisch gegenüber gestanden. Schon nach zwei Wochen habe die Kitaleiterin erklärt, dass „die Betreuung nicht leistbar sei“, nach mehreren Gesprächen habe man sich dann aber doch bereit erklärt, den Jungen - zunächst für sechs Monate - 90 Minuten am Tag zu betreuen. Als „Eingewöhnungszeit“ sei das bezeichnet worden.
„Können wir das Kind bei uns angemessen behandeln?“
„Mir hat es sehr weh getan, zu sehen, dass ein Zwilling nach Hause geschickt wurde, während der andere in der Kita - das heißt bei den anderen Kindern - bleiben durfte“, berichtet Suma Dandale. Zudem sei der Junge abweisend behandelt worden. „Es gab kein freundliches „Hallo!“. Erst als die Familie eigenständig eine über den LVR finanzierte Integrationskraft fand, habe das Kind länger bleiben dürfen. Die erste Assistentin war leider keine große Hilfe, eine zweite habe ihre Sache aber sehr gut gemacht, das sei in der Kita aber nicht gewürdigt worden, so die Mutter. Ein Kita-Wechsel im laufenden Kindergartenjahr sei generell - ob der fehlenden Plätze - sehr schwer realisierbar. https://www.waz.de/staedte/muelheim/die-arbeit-der-inklusionshelfer-es-erfuellt-mit-stolz-id228255403.html
Den Oberbürgermeister, das Jugendamt, den Träger der Einrichtung (die Vereinigte August Thyssen Stiftung), den Landesminister, usw. hat die Zwillingsmutter angeschrieben und sich beschwert. Im Raphaelhaus will man auf Nachfrage unserer Zeitung zu dem konkreten Fall nichts sagen – „aus Datenschutzgründen“. Leiter Christian Weise erklärt aber: „Wir sind keine integrative Einrichtung. Nach der aktuellen Gesetzeslage hat jedes Kind das Recht in einer Kita aufgenommen zu werden, auch ein beeinträchtigtes Kind. Das ist eine enorme Herausforderung für das Personal. Wir müssen uns fragen: Was für ein Setting braucht das behinderte Kind? Können wir es bei uns überhaupt angemessen behandeln? Mit den Eltern sprechen wir darüber.“
Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz
Die Stadt ist im konkreten Fall zwar nicht zuständig - weil nicht der Träger - Jugendamtsleiterin Lydia Schallweg erläutert aber, wie es normalerweise läuft, wenn ein behindertes Kind in einem Regelkindergarten angemeldet werden soll. „Behinderte Kinder ab einem Jahr haben einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, genauso wie nicht-behinderte Kinder. Die Eltern melden das Kind in ihrer Wunsch-Kita an. Dann finden Gespräche zwischen Kita-Leitung und Eltern statt – oft reibungslos. Gibt es Beratungsbedarf, kann man sich an die Fachberatung im Jugendamt wenden.“
Spezielle integrative Einrichtungen gibt es in Mülheim nicht mehr, jedes Kind muss heute jede Kita besuchen können. Durch die aktuelle Gesetzgebung seien die Anforderungen an das Kita-Personal gestiegen, der Umgang mit beeinträchtigten Kindern sei eine Herausforderung. „Die Träger müssen ihre Mitarbeiterinnen auch zu entsprechenden Fortbildungen schicken“, so Lydia Schallwig. Bei behinderten Kindern sei immer der Einzelfall zu betrachten - je nach Behinderung seien ganz unterschiedliche Hilfen notwendig. Auch die Eingewöhnungszeit variiere je nach Kind. „Im Gespräch kommt man gemeinsam mit den Eltern zu einem Ergebnis. Die Situation vor Ort muss so geschaffen sein, dass man dem Kind auch gerecht wird.“
Lösung durch das Jugendamt
Manchmal gelangen alle Beteiligten in der Anmeldephase zu dem Schluss, dass eine andere Einrichtung besser für das betreffende Kind geeignet ist. Dafür gibt es die unterschiedlichsten Gründe. Im unwahrscheinlichen Fall, dass Familien gar keinen Kita-Platz für ihr beeinträchtigtes (oder auch nicht-behindertes) Kind finden, ist das Jugendamt gefragt. Es muss eine Lösung herbeiführen, das heißt, den Rechtsanspruch des Kindes befriedigen.
Suma Dandale hat ihre Zwillinge mittlerweile in einer anderen Kita, in der Stadtmitte, untergebracht. Dort laufe alles problemlos, sogar ohne Integrationskraft, sagt sie. Empört über ihre früheren Erfahrungen ist sie weiterhin.