Mülheim. Ursel Geruschkat hat den Teams der Mülheimer Intensivstationen Engel geschenkt. Was eine Grenzerfahrung auf Mallorca mit ihrer Kunst zu tun hat.

Es gab da diesen einen intensiven Moment im Jahr 2015, der Ursel Geruschkats Blick aufs Leben nachhaltig verändert hat: Nachdem sie nach einem Herzinfarkt in ihrer kleinen Wohnung auf Mallorca wieder zu sich kam, fühlte sie: „Ich bin nicht allein, es ist jemand bei mir.“ Sie schaffte es, sich bei einem benachbarten Arzt Hilfe zu holen und fand ins Leben zurück. Die Grenzerfahrung aber blieb. Sie prägt die Kunst der 81-jährigen Mülheimerin bis heute: In ihrer Töpferwerkstatt in Saarn entstehen vor allem Engel. Am Freitag übergab sie je 75 der himmlischen Begleiter an das Personal der Intensivstationen von Evangelischem und Katholischem Krankenhaus.

Diese Menschen leisten Besonderes, findet Ursel Geruschkat. „Ich weiß, was das heißt, dort im Einsatz zu sein.“ Sie hat früher selbst als Krankenschwester gearbeitet und wurde eines Tages gefragt, ob sie auf die Intensivstation wechseln wolle. „Ich habe abgelehnt, weil ich dachte, das schaffe ich nie.“ In der jetzigen Zeit, mit all den vielen schweren Coronafällen, sei die Aufgabe „gewiss noch schwieriger“. Sie habe deshalb entschieden, gerade diesen Ärzten und Pflegern „eine Freude zu machen“.

Kein Engel gleicht dem anderen, jeder ist ein Unikat mit eigenem Ausdruck

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Rund zwei Tage braucht Geruschkat, um einen ihren hübschen Engel herzustellen. Bis zu 40 Zentimeter groß sind diese und keiner gleicht dem anderen. Jeder ist ein Unikat mit eigenem Ausdruck. In ihrem Fachwerkhaus hat die Saarnerin sich einen Ausstellungsraum eingerichtet und die geliebte Werkstatt, in der sie täglich rund vier Stunden kreativ ist. Einen eigenen Ofen zum Brennen der Kunstwerke besitzt die 81-Jährige nicht, doch die Evangelische Gemeinde vor Ort hat einen und sie darf ihn nutzen. Geruschkat engagiert sich dort auch im Töpferkreis.

Bis zu 40 Zentimeter groß sind die Ton-Engel von Ursel Geruschkat und keiner gleicht dem anderen.
Bis zu 40 Zentimeter groß sind die Ton-Engel von Ursel Geruschkat und keiner gleicht dem anderen. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Seit Jahrzehnten brennt die gebürtige Mülheimerin für diese Form der Kunst. Ende der 60er Jahre, als der erste ihrer drei Söhne gerade geboren war, lebte sie vorübergehend in Bergisch Gladbach. Die Tätigkeit als Krankenschwester ruhte, so ganz ohne Beschäftigung aber wollte die junge Mutter nicht sein. Sie begeisterte sich für die Produkte einer nahe gelegenen Töpferei – und stieg kurzerhand dort ein. Ihr Lehrmeister ließ sie unterschiedliche Techniken ausprobieren. So verstand sie immer mehr von dem Kunsthandwerk und stellte viele, viele Tonfiguren her, die deutschlandweit verkauft wurden.

Intensivfachpfleger bedankte sich für die liebevolle Geste

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Wie mannigfaltig ihre Arbeit ist, davon konnte sich in den vergangenen Tagen auch das Personal der Mülheimer Intensivstationen überzeugen. Jeder durfte sich den Engel aussuchen, den er am schönsten fand. Intensivfachpfleger Robert Schruba vom St. Marien-Hospital bedankte sich im Namen seines Teams für die liebevolle Geste: „Wir haben uns sehr darüber gefreut. Es ist schön, dass jemand an uns denkt.“

In der aktuell schwierigen Zeit müsse man sich Tag für Tag motivieren, um weiterzumachen. „Noch ist die Stimmung im Team gut. Wenn man aber fünf, sechs Stunden in einem Covid-Zimmer war, kann das schon mal anders sein.“ Man hoffe, „dass irgendwann wieder normales Leben einzieht“ und versuche bis dahin alles, um sich nicht unterkriegen zu lassen.

Ursel Geruschkat will eine Portion Zuversicht schenken

Eine Portion Zuversicht schenken – das will Ursel Geruschkat. Sie ist immer nah dran am Menschen, interessiert sich für das Wohlergehen anderer. Das zeigt sich auch in den Ausbildungen, die sie in späteren Jahren noch absolviert hat: Yogalehrerin und Heilpraktikerin. Schon im vergangenen Jahr hat die freischaffende Künstlerin Menschen in nicht ganz leichter Lebenslage mit ihren Engeln beglückt. Damals durften sich die Bewohner des Altenheims Ruhrgarten über die tönernen Himmelsboten freuen.