Mülheim. Die „Herzwochen“ der Deutschen Herzstiftung nutzt der Chefkardiologe am St. Marien-Hospital, um einige Grundlagen zum Bluthochdruck zu erklären.

Im Monat November ruft die Deutsche Herzstiftung traditionell die „Herzwochen“ aus. In diesem Jahr geht es unter dem Motto „Herz unter Druck“ speziell um den Bluthochdruck. Der wird in schweren Fällen auch im St. Marien-Hospital in Mülheim behandelt. Der Chefarzt der Klinik für Kardiologie und Angiologie, Prof. Dr. Heinrich Wieneke, erklärt die Erkrankung und wie man sie behandelt.

Bluthochdruck ist ja beinahe eine Volkskrankheit. Wie viele Menschen leiden daran?

Prof. Dr. Heinrich Wieneke: Generell kann man sagen: Bluthochdruck ist eine Erkrankung des Alters. Ich habe meine Doktorarbeit über das Thema geschrieben, und dazu haben wir den Blutdruck der Studierenden vor der Mensa gemessen. Von 1000 jungen Leuten hatten nur vier bis fünf Bluthochdruck, also unter ein Prozent. In der Altersgruppe über 70 Jahre haben aber über 30 Prozent Bluthochdruck.

Bluthochdruck ist ein unsichtbares Leiden, es wird häufig gar nicht bemerkt…

Das ist ja das Gefährliche! Bluthochdruck geht mit einem deutlich erhöhten Risiko für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall einher. Tragischerweise bemerkt man Bluthochdruck erst, wenn man schon eine Komplikation hat. Wichtig ist es daher, den Blutdruck regelmäßig zu messen. Natürlich nicht täglich, man sollte sich ja nicht verrückt machen.

Mülheimer Kardiologe: Bluthochdruck ist eine unsichtbare Erkrankung

Wie oft sollte man denn messen? Und ab welchem Alter?

Jeder sollte seinen Blutdruck kennen. Bei normalen Blutdruckwerten reicht eine Messung alle fünf Jahre. Ab dem 50. Lebensjahr sollte man eine Messung dann häufiger durchführen.

Was ist ein normaler Blutdruckwert?

120 zu 80 ist ein optimaler Wert. 140 zu 90 ist noch akzeptabel, wenn man keine weiteren Risikofaktoren wie zum Beispiel Diabetes hat. Man muss aber beachten, dass der Bluthochdruck variabel ist, also auch von Emotionen abhängig ist. Der Volksmund sagt ja nicht umsonst: „Ich war auf 180!“ Zum Messen sollte man sich daher ganz entspannt zu Hause aufs Sofa setzen, ein paar Minuten warten und erst dann messen.

Eine Ärztin misst den Blutdruck eines Patienten: 120 zu 80 ist ein optimaler Wert. 140 zu 90 ist noch akzeptabel, wenn man keine weiteren Risikofaktoren wie zum Beispiel Diabetes hat, erklärt der Chefarzt der Kardiologie in Mülheim, Prof. Dr. Heinrich Wieneke.
Eine Ärztin misst den Blutdruck eines Patienten: 120 zu 80 ist ein optimaler Wert. 140 zu 90 ist noch akzeptabel, wenn man keine weiteren Risikofaktoren wie zum Beispiel Diabetes hat, erklärt der Chefarzt der Kardiologie in Mülheim, Prof. Dr. Heinrich Wieneke. © dpa / Archiv | Maurizio Gambarini

Wie kommt es eigentlich im Alter zu Bluthochdruck?

In 95 Prozent der Fälle findet man keine richtige Ursache. Man muss sich das ein bisschen so vorstellen, dass die Blutgefäße nicht mehr so elastisch sind wie in jüngeren Jahren. Wenn das Herz dann das Blut in die Adern pumpt und die sich eben nicht mehr so gut weiten, nicht mehr nachgeben, dann wird auch nicht mehr so viel Druck aus dem Kessel genommen. Der Blutdruck steigt dann an.

https://www.waz.de/staedte/muelheim/medizin-in-muelheim-kardiologe-ueber-luftnot-bei-herzleiden-id233850627.html Es gibt aber auch Ursachen für Bluthochdruck. Etwa eine Schilddrüsenüberfunktion oder eine Nierenerkrankung. Dann kann man häufig die Ursachen behandeln, und der Bluthochdruck ist weg. Aber: Wenn man einen Bluthochdruck bemerkt, muss man erst einmal zum Hausarzt gehen, um die Ursachen abklären zu lassen.

Patienten scheuen den Gang ins Krankenhaus: Das kann fatale Folgen haben

In der Pandemiezeit scheuen es viele Patienten, ein Krankenhaus aufzusuchen. Merken Sie das auch in der Kardiologie?

Bundesweit gibt es da ganz klare Daten: Die Häufigkeit, mit der Herzinfarkt-Patienten ins Krankenhaus kommen, hat deutlich abgenommen. Viele haben Symptome, wie ein Druckgefühl in der Brust, warten aber mit dem Gang ins Krankenhaus. Wir merken das auch hier im St. Marien-Hopital. Wir haben Patienten in der Notaufnahme, die seit sieben Tagen Beschwerden haben. Wir sehen dann, dass auch der Infarkt schon sieben Tage her ist. Wenn aber ein Herzkranzgefäß schon sieben Tage zu ist, ist ja schon ein erheblicher Schaden entstanden. Besser ist es, wenn das Gefäß sofort wieder geöffnet werden kann. Wir appellieren daher, trotz der Pandemie bei Beschwerden ins Krankenhaus zu kommen.

Auch interessant

Das St. Marien-Hospital hat jetzt auch ein zertifiziertes Hochdruckzentrum. Was wird da gemacht?

Die meisten Patienten kann der Hausarzt behandeln. Aber bei rund fünf Prozent der Patienten lässt sich der Bluthochdruck nur schwer mit den üblichen Maßnahmen und Medikamenten einstellen. Man muss dann stärkere Medikamente einsetzen. Viele schwere Bluthochdruckerkrankungen kommen von der Niere her. Und da haben wir einen eigenen Experten im Haus: Unser Hochdruckzentrum, das seit vier Monaten zertifiziert ist, leite ich zusammen mit Dr. Frederic Bauer, dem Chefarzt der Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen, Diabetologie im SMH. So können wir den Bluthochdruck interdisziplinär behandeln.

Was man gegen Bluthochdruck tun kann: Sport, Gewicht reduzieren, salzarm essen

Was können Patienten selbst tun, um den Bluthochdruck positiv zu beeinflussen?

Auf die Ernährung achten und bei Übergewicht das Gewicht reduzieren. Man sagt, dass man bei der Abnahme von einem Kilogramm den Blutdruck um etwa 1 mm Quecksilber (1 mm Hg) senken kann. Und möglicherweise dann auch Medikamente einsparen kann. Meistens reicht ein Präparat zur Blutdrucksenkung ja nicht aus. Auch mehr Bewegung trägt dazu bei. Sport kann durchaus den Bluthochdruck senken.

Aufklärung über Herzleiden

Das Ziel der Deutschen Herzstiftung ist es in den Herzwochen 2021, über den Bluthochdruck zu informieren und möglichst viele Menschen dafür zu gewinnen, den Blutdruck messen zu lassen.

Die Deutsche Herzstiftung klärt über Herzerkrankungen auf, fördert die Herzforschung und engagiert sich auch in der Hilfe für herzkranke Kinder.

Wir ernähren uns auch oft zu salzreich. Empfohlen werden sechs Gramm Salz pro Tag, der Durchschnittsdeutsche nimmt aber zwölf Gramm Salz zu sich. Das liegt auch daran, dass wir Fertiggerichte wie Fertigpizzen oder Chips gern essen, und die sind extrem salzhaltig. Salz ist ja ein Geschmacksverstärker. Darauf sollte man achten, dann hat man schon viel erreicht. Letztlich landet man immer bei der mediterranen Ernährungsweise: viel Gemüse, Früchte, wenig Fleisch. Der Mensch ist ja auch ein Gewohnheitstier. Wer sich umstellt, kann viel erreichen.