Mülheim. Sollte die Mülheim-Saarner Einkaufsmeile entschleunigt werden zugunsten von Fußgänger und Rad? Warum Politik und Händler die Idee gut finden.
Die Beliebtheit des Dorfes Saarn als Mülheimer Einkaufsmeile ist zugleich auch ihre Achillesferse, wenn es um den Verkehr geht: Ziemlich viel Blech wälzt sich durch die Tempo-30-Einbahnstraße, Radler konkurrieren mit Autos und Fußgängern. „Lebensgefährlich“, urteilt mancher Saarner Händler. Wie wäre es aber, wenn Fußgänger und Radler mehr Platz und Sicherheit zum Bummeln hätten? Wenn die Düsseldorfer Straße eine Fahrradstraße würde?
Weniger Autoverkehr auf der Düsseldorfer zugunsten der Bummelmeile würde auch dem Handel nicht schaden
Aus Sicht der SPD zumindest ein kluger Kniff: Die Verkehrssicherheit würde durch den weiter entschleunigten Verkehr für Fahrradfahrer wie Fußgänger erhöht. Denn Autos sollen ausdrücklich weiterhin dort unterwegs sein dürfen, aber nicht mehr das Sagen auf der Straße haben, sondern die Bummler und Pedalisten. In der Bezirksvertretung stellten die Roten den Antrag
Schaden würde das den Geschäften nicht – glauben die Genossen mit Blick auf vergleichbare Ansätze in anderen Kommunen. Und denken dabei an die hochgelobte Essener Einkaufs- und Ausgehmeile Rüttenscheider Straße.
Die „Rü“ als Vorbild auch für gleichberechtigten Verkehr in Mülheim? Entschleunigen wäre im Dorf Saarn durchaus angezeigt, spricht Margit Schettler als Geschäftsführerin der Werbegemeinschaft Saarn für nicht wenige Händler. Schrittgeschwindigkeit fürs Auto würde die Aufenthaltsqualität steigern, „aber keine Fußgängerzone“, schränkt sie ein – das Auto müsse weiterhin fahren und parken dürfen.
Werbegemeinschaft hält eine Neuordnung des Verkehrs für mehr Aufenthaltsqualität für wünschenswert
Doch eine Neuordnung des Verkehrs im Dorf zugunsten von Fußgängern und Radlern ist aus Sicht des Einzelhandels notwendig: Die Fußwege sind für heutige Verhältnisse oft zu schmal, nicht nur, um dort gemeinsam oder mit dem Rollator unterwegs zu sein: „Zwillingskinderwagen sind in Saarn zum Beispiel ein echtes Problem“, sagt Schettler. Und mehr Bänke sowie Platz für Cafés wären wünschenswert.
Das aktuelle Parken müsste sich dafür verlagern: „Um mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen, wäre es nicht mehr möglich, rechts und links zu parken“, sieht die Geschäftsführerin der Werbegemeinschaft zum Beispiel nahe Flächen in den Seitenstraßen wie die Kahlenbergstraße, wo derzeit schon Parkplätze sind. Hier könnten auch einige Fahrradständer oder -boxen stehen – denn auch diese fehlen im Dorf.
Zukunftskonzept Dorf Saarn: mehr Veranstaltungen
„Wer den Einzelhandelsstandort Saarn stärken will, muss die gesamte Infrastruktur angehen“, fordert Margit Schettler für die Werbegemeinschaft im Dorf. Das Ziel: künftig für Veranstaltungen besser aufgestellt zu sein.
Für den beliebten Nikolausmarkt etwa muss die Händlerschaft bisher aufwendig Strom- und Wasseranschlüsse etwa in Form einer mobilen Spülstation organisieren. Baute man in Zukunft die Straßen um, könnte man entlang der Düsseldorfer Straße dafür Knotenpunkte schaffen, schlägt die Werbegemeinschaft vor.
Der Fußweg zur Einkaufsmeile wäre immer noch kürzer als mancher Weg im Centro. „Wir sind dafür, dass das Fahrrad gestärkt wird, denn immer mehr kommen mit dem Rad und auch mit dem Lastenrad ins Dorf.“ Auch deshalb werden am Pastor-Luhr-Platz mit Hilfe der Medl bereits Ladestationen für E-Bikes eingerichtet. Ein „Zukunftskonzept Dorf Saarn“ wünscht sich die Händlerschaft, das die Infrastruktur gründlich überarbeitet – aber nicht nur (siehe Info-Kasten).
Schon 2018 beauftragte ein Antrag der Grünen die Verwaltung mit der „Neuaufteilung des Verkehrsraumes“
Im politischen Raum stößt das auf wache Ohren: Vor wenigen Tagen stellten die Genossen in der BV3 einen Antrag für eine Fahrradstraße. Doch begonnen hatte die Debatte um den Dorf-Verkehr tatsächlich 2018 auf dem Gehweg. Dort hoben Baumwurzeln das Pflaster an und sorgte für Stolperfallen. Nach langer Debatte beschloss die Bezirksvertretung die 41 Baumstandorte zu erhalten.
In diesem Zug meldeten sich auch die Grünen und schlugen eine „Gesamtkonzeption für die Erneuerung der Düsseldorfer Straße“ vor. Schon diese beinhaltete – in einem Ergänzungsantrag – die „Neuaufteilung des verfügbaren Verkehrsraumes für rollenden und ruhenden Verkehr unter Beachtung und Abwägung der Interessen möglichst vieler Beteiligter“. Und die Öffnung der Einbahnstraße für einen Radverkehr in Gegenrichtung.
SPD will einen gemeinsamen Antrag mit Schwarz-Grün, um die Umgestaltung zu beschleunigen
Letzteres schmetterte damals noch die SPD ab, die übrig gebliebene „Neuaufteilung“ aber ging die Verwaltung bislang nicht an. Susanne Dodd, SPD-Fraktionssprecherin in der BV3, begrüßt heute auch die Idee des Rad-Gegenverkehrs, aber erst dann, wenn die Sicherheit durch eine Umgestaltung des Verkehrs auch gegeben ist: „Es wäre ein richtiger Schritt zur Gleichberechtigung aller Teilnehmer.“
Jetzt will die SPD mit der Schwarz-Grünen Koalition an einem Strang ziehen. Dodd sieht die Notwendigkeit, die Verwaltung mit einem erneuten, gemeinsamen Antrag an den Auftrag zur Umgestaltung des Verkehrs zu ,erinnern’ und auch einen zeitlichen Rahmen für die Erledigung festzulegen: „Ich habe den Eindruck, dass die Verwaltung diesen Auftrag nicht verstanden hat, denn damals ging es im Hauptantrag um den Baumerhalt. Sonst werden wir die Verkehrswende in Saarn wohl nur auf vier Rädern erleben.“