Mülheim/Düsseldorf. IG Metall und Belegschaft sind in großer Sorge um den Industriestandort Deutschland von Vallourec. Steht auch das Mülheimer Werk vor dem Aus?

IG Metall und Belegschaft sind in großer Sorge um die Standorte Mülheim und Düsseldorf-Rath des Stahlrohr-Produzenten Vallourec. Mit einer Flugblatt-Verteilaktion am Donnerstagmorgen am Werkstor des Werkes in Styrum zündete die Gewerkschaft nun die nächste Eskalationsstufe.

„Es reicht uns“, lässt sich der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Vallourec Deutschland, Wolfgang Freitag, in der aktuellen Sonderausgabe der Stahlnachrichten der IG Metall zitieren, die den Mitarbeitern am Donnerstag an die Hand gegeben worden ist. „Die Manager liefern uns keine Antworten auf unsere Zukunftsfragen, sie zeigen uns keine Perspektive, deshalb nehmen wir die Sache jetzt in die Hand.“

Arbeitnehmerseite wirft Vallourec-Management „schwere strategische Fehler“ vor

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Das Unternehmen, das außer in Australien auf allen Kontinenten der Welt mit Standorten vertreten ist und im Mülheimer Rohrkontiwalzwerk nahtlose Stahlrohre produziert, sei in eine gefährliche Schieflage geraten, heißt es auf dem Flugblatt. Die Zukunft von Vallourec sei ungewiss, die Lage „dramatisch schlecht“. „Das Management hat schwere strategische Fehler gemacht“, sagt Freitag, „darüber wird in der Branche längst offen gesprochen.“ Antworten sei Vallourec bislang schuldig geblieben. Zugleich sorgten Nachrichten über mögliche Produktionsverlagerungen nach Brasilien für Unruhe.

Das Mülheimer Vallourec-Werk aus der Luft: Nach einigem Stellenabbau in der Vergangenheit arbeiten dort immer noch rund 750 Menschen.
Das Mülheimer Vallourec-Werk aus der Luft: Nach einigem Stellenabbau in der Vergangenheit arbeiten dort immer noch rund 750 Menschen. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Der Betriebsratsvorsitzende des Werkstandortes Mülheim, Andreas Peters, wirft der Vallourec-Geschäftsführung vor, Informationen zur Zukunftsplanung zurückzuhalten. Die Weichen würden aber jetzt gestellt.“ Deshalb müssen wir auch jetzt handeln“, so Peters mit Blick auf die Forderung der Arbeitnehmerschaft nach einem Zukunftstarifvertrag für 750 Beschäftigte in Mülheim und 1800 in Düsseldorf.

IG Metall fordert Geschäftsführung auf, über Zukunftstarifvertrag zu verhandeln

Historie: Vallourec und Mannesmann

Die französische Firmengruppe Vallourec ist als Hersteller von nahtlosen Stahlrohren sowie anderen Rohranwendungen schwerpunktmäßig für die Öl- und Gasindustrie sowie andere Energie- und Industriebereiche tätig.

1997 stieg Vallourec in ein Joint Venture mit den Mannesmannröhren Werken ein und wurde unter dem Namen Vallourec & Mannesmann Tubes so zum Weltmarktführer im Bereich nahtloser Stahlrohre. Im Juni 2005 übernahm Vallourec auch die Anteile der Mannesmannröhren-Werke an V&M Tubes.

Gegebenenfalls sei gar ein Sozialtarifvertrag auszuhandeln, macht Peters die wohl bedrohliche Schieflage deutlich, die vor Kurzem damit beschrieben worden war, dass die Stopfenstraße in Düsseldorf-Rath auf halber Auslastung fahre und auch in Mülheim „locker doppelt so viel“ produziert werden könne. „Dazu aber bräuchte es echte Ideen und unternehmerisches Engagement. Das aber fehlt“, hieß es zuletzt aus dem Arbeitnehmerlager.

Die IG Metall kündigt nun an, zügig eine betriebliche Tarifkommission bilden zu wollen, um in Verhandlungen mit der Geschäftsführung einzusteigen. Die Vertrauensleute der IG Metall sollen Mitglieder für eine solche Kommission am 23. November wählen. Für die Mittagszeit am 15. November ist eine Infoveranstaltung der Betriebsräte an beiden Standorten, in Mülheim an Tor 2, geplant.

Vallourec hat Werk in Düsseldorf Reisholz bereits geschlossen

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Mit der Bildung einer Tarifkommission sei man sofort handlungsfähig, betont Dirk Horstkamp, IG Metall-Sekretär in Mülheim. Ausdrücklich will die IG Metall die Belegschaft eingebunden wissen. Es gelte ihre Expertise für die Zukunftsplanung zu nutzen. Es soll um die Sicherung von Arbeitsplätzen, um „ein klares Konzept“ für die Standorte Mülheim und Düsseldorf-Rath gehen. Die Arbeitnehmerseite hat die Unternehmensberatung Q&A Banner Küster beauftragt, ihr zur Seite zu stehen bei der offenbar schwierigen Auseinandersetzung mit der Geschäftsführung.

Erst Anfang 2020 hatte Vallourec Deutschland verkündet, seine Produktionsstätte in Düsseldorf-Reisholz aufzugeben. Eine 120-jährige Industriegeschichte endete dort. Seit Jahren kriselt Vallourec; Sanierungskonzepte gab es schon einige. Einen echten Befreiungsschlag hätten sie nicht gebracht, so die IG Metall. „Dem Unternehmen fehlt eine Vision“, so Gesamtbetriebsratsvorsitzender Freitag.

IG Metall will Vallourec-Geschäftsführung „richtig Druck machen“

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Einem weiteren Aus für die verbliebenen zwei deutschen Produktionsstandorte will die IG Metall durch frühe Kampfansagen vorbeugen. Lehne Vallourec Verhandlungen ab, werde man „richtig Druck machen“ und „die Gesprächsbereitschaft mit Unterstützung der Belegschaft erzwingen“, so Karsten Kaus, Geschäftsführer der IG Metall Düsseldorf-Neuss.

Die Zeit dränge, betonen die Betriebsräte. Wie andere Industriebetriebe auch stehe Vallourec vor einem „gewaltigen Umbruch“, den es zu gestalten gelte. Das Geschäftsmodell von Vallourec sei ins Trudeln geraten, die Strukturkrise in diesem Segment setze dem Unternehmen zu. Für eine Sicherung der Standorte seien auch neue Produkte nötig. Eine große Frage sei auch, ob das Unternehmen seine Aufträge richtig steuere und nicht zu viele Aufträge an Mülheim und Rath vorbei an Vallourec-Werke in Billiglohnländer wie Brasilien vergebe.

Vallourec selbst hat sich auf Anfrage zur aktuellen Lage noch nicht geäußert.