Mülheim. Im Naturbad Mülheim endet ein grausiger Sommer: extrem wenige Öffnungstage, teure Hochwasserschäden. Sorgen und Hoffnung beim Styrumer Team.
Das Styrumer Naturbad verabschiedet sich verfrüht in die Herbst- und Winterpause. Das Team bedauert es nicht. Zwei gravierende Zwischenfälle haben die Saison verdorben, das Bad hatte extrem wenige Öffnungstage. Auf einem Zettel, der jetzt am Kassenhäuschen hängt, heißt es: „Es gibt Schlimmeres als das vorzeitige Ende eines Katastrophen-Jahres und wir lünkern schon mal vorsichtig Richtung 2022...“
Mülheimer Naturbad ist seit 12. September geschlossen
Letzter Öffnungstag war der Sonntag, 12. September. Eine Handvoll Badegäste hatte die Anlage für sich, zwei Familien, eine Einzelperson. Am folgenden Tag waren die Wasserwerte suboptimal und die Wetteraussichten schlecht, so dass es für Badleiter Dustin Radde keinen Sinn hatte, wie üblich bis Ende September durchzuziehen.
Wennmann-Bad: „Sommer noch nicht vorbei“
Auch im Friedrich-Wennmann-Bad gab es eine deutlich verkürzte Freibadsaison - es durfte nach langem Lockdown erst am 1. Juni öffnen.
Anfangs war nur Open-Air-Betrieb mit geöffnetem Dach erlaubt. Die Badegäste mussten Zeitblöcke buchen. Mittlerweile sind diese Vorschriften gelockert, es gilt die 3G-Regelung.
Bisher liegen die Besucherzahlen im Heißener Bad über denen von 2020, berichtet Andreas Wildoer, Geschäftsführer der SWiMH gGmbH. Bis dato wurden rund 24.000 Badegäste gezählt, im vergleichbaren Zeitraum des Vorjahres kamen rund 19.000 Leute.
Das Dach war bislang an 60 Tagen geöffnet. Zu Beginn der Sommerferien musste es zehn Tage geschlossen bleiben, weil zwei Antriebsmotoren kaputt waren.
„Für uns ist der Sommer aber noch nicht vorbei“, sagt Wildoer. Er hoffe auf warme Tage im Oktober. Bei Temperaturen ab 22 Grad werde das Schiebedach nachmittags aufgefahren.
Insgesamt haben in dieser Saison, die wegen des Lockdowns erst verspätet am 6. Juni begann, nur rund 6900 Besucher den Weg in das Styrumer Freibad gefunden. So viele zieht es sonst in einer einzigen hitzigen Woche an. Im Vorjahr, auch schon unter Corona-Bedingungen, kamen knapp 17.000 Leute. „Wir dachten schon, das wäre die absolut niedrigste Zahl“, sagt Radde. Nun noch einmal 10.000 weniger, das ist hart. Der beste Besuchstag war einer der letzten: Am 8. September strömten fast 700 Menschen auf die Wiesen.
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Wenn dieser Sommer aus Sicht der Naturbad-Mannschaft irgendetwas Gutes gebracht hat, dann waren es viele neue Gesichter, die sich blicken ließen. „Sehr viele Leute waren das erste Mal hier und haben gesagt: ,Was für ein schönes Bad!’“ Da sich jeder Gast online registrieren muss, kann man erkennen, woher die Besucher kommen, längst nicht nur aus Mülheim, sondern vielfach auch aus den Nachbarstädten.
„Die Anlage ist ein Traum - aber das hat sich bei den Mülheimern noch nicht genügend rumgesprochen“
In früheren Zeiten, das ist Radde bewusst, hatte das Naturbad hier in der Stadt keinen guten Ruf. Für ein besseres Image kämpfe das Pia-Team, seit es 2012 den Betrieb übernommen hat. „Die Anlage selber ist ein Traum“, schwärmt der Badleiter, „und wir arbeiten hier mit sehr viel Herzblut. Aber das hat sich in der Mülheimer Bevölkerung noch nicht genügend rumgesprochen.“
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Immer wieder musste das Schwimmbad auch bei bestem Sommerwetter schließen - aus Gründen, die das Team nicht beeinflussen kann. Vor allem die natürliche Aufbereitung des Wassers, ohne Chlor, mit Hilfe von Algen, ist ein sensibler Bereich. Ab Mitte Juni 2021 blieb das Naturbad rund einen Monat lang dicht. RWW hatte Chlor ins Trinkwasser eingeleitet, aufgrund einer Warnung vor Coli-Bakterien, die sich letztlich nicht bestätigte. Der Wasserversorger hatte nach dem Vorfall erklärt, dass die Chloreinleitung nicht der Grund für die schlechten Werte im Naturbad sein konnte. Letztlich wurde die Ursache nie eindeutig geklärt.
Absoluter Tiefpunkt: der Morgen nach dem Hochwasser
Kaum wieder geöffnet, brachte das Hochwasser die nächste Misere. Das Naturbad, direkt an den Ruhrauen gelegen, drohte in schlammigen Fluten unterzugehen. Letztlich hat der Deich zwar gehalten, doch Abwasser stieg im Technikhaus hoch und beschädigte die Pumpen. Den Morgen danach hat Dustin Radde als persönlichen Tiefpunkt der Saison in Erinnerung. „Wir hatten gerade anderthalb Tage auf und wieder Hoffnung geschöpft, dann mussten wir noch mal einen Monat schließen.“ Zunächst war sogar fraglich, ob die Saison weitergehen kann. Gemessen daran war der Hackerangriff, der vor rund vier Wochen kurz die Homepage lahm legte, nur eine Lappalie.
Das Hochwasser hat Schäden an der Hebeanlage hinterlassen - zwei Abwasserpumpen müssen erneuert werden. Auch andere Arbeiten drängen, die eigentlich schon in der vorigen Winterpause anstanden. Radde hält beispielsweise die Sanierung eines der Aufbereitungsbecken für dringend erforderlich, um die Phosphatwerte im grünen Bereich zu halten.
Besondere Sorge bereitet ihm die poröse Folie im Nichtschwimmerbecken, die seit Jahren nur noch geflickt wird und aussieht, als würden lauter Kaugummis auf dem Untergrund kleben. Dies nachhaltig und auf lange Zeit zu erneuern, könnte eine siebenstellige Summe erfordern. Radde macht sich nichts vor: „Bekanntlich schwimmt die Stadt Mülheim nicht gerade im Geld.“ Aber er ist ganz sicher, dass es nach dem grausigen Sommer 2021 und der Herbst- und Winterpause ein Frühlingserwachen 2022 geben wird.
MSS-Leiterin beruhigt: Diese und letzte Saison sind kein Maßstab
Auch Martina Ellerwald, Leiterin des Mülheimer Sportservice (MSS), sieht die Styrumer Badelandschaft nicht bedroht. Sie sagt: „Diese und die letzte Saison kann man nicht als Maßstab nehmen. Das Bad wird normalerweise gut angenommen und ist sehr gepflegt.“ Der Vertrag mit der Pia als Betreiberin läuft bis 2022 und verlängert sich automatisch jährlich, wenn er nicht gekündigt wird.
Vor viereinhalb Jahren war das Naturbad, wie viele andere Einrichtungen, Gegenstand der breiten Spardebatte in Mülheim. Gutachter hatten vorgeschlagen, den jährlichen Zuschuss der Stadt zu streichen - beziffert wurde er auf 220.000 Euro plus 117.000 Euro Betriebskosten. Hätten die Idee sich durchgesetzt, würde es das Bad nicht mehr geben.
Nötigste Investitionen sollen erfolgen
Die MSS-Chefin signalisiert, dass die nötigsten Investitionen auf dem Weg seien: Man wolle zusehen, dass die Hebeanlage repariert wird, und für die löchrige Folie im Nichtschwimmerbecken - laut Badleiter Dustin Radde seit Jahren ein leidiges Thema - sei immerhin „eine Schadenbegutachtung in Auftrag gegeben“.
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Das Naturbad-Team lässt sich erwiesenermaßen nicht leicht unterkriegen und schreibt auf seiner Website: „Wir freuen uns bereits auf das nächste Jahr mit euch.“ Dann wird es hoffentlich wieder lange, erfüllte Arbeitstage geben, die den Badleiter mitunter dazu bewegen, im kleinen Wohnwagen auf dem Gelände zu übernachten, was er keineswegs lästig findet. „Wer hat schon so einen Garten? Mit drei Pools...“