Mülheim. Bei Mülheimer Schulkindern sind die Inzidenzen alarmierend hoch. Zugleich melden Kinderärzte „extrem viele Impfungen“ in ihren Praxen.
Bei der Entwicklung der Inzidenzen wird in Mülheim oft auf die Stadtteile geblickt. Werte jenseits der 300, etwa in Styrum, lösen Besorgnis und breite Diskussionen aus. Doch noch alarmierender wirken die Zahlen, wenn man einzelne Altersgruppen betrachtet. Hier stehen die Kinder und Jugendlichen besonders im Blickpunkt.
Extrem hohe Inzidenzen bei den Zehn- bis 14-Jährigen in Mülheim
Das Landeszentrum Gesundheit (LZG) schlüsselt Inzidenzwerte nach Altersgruppen auf. Seit Ende der Sommerferien sind die Werte vor allem bei den Zehn- bis 14-Jährigen in Mülheim extrem hochgeschnellt. Der bisherige Rekord - im negativen Sinne - wurde mit 643,7 am vergangenen Donnerstag erreicht.
Seit Mitte August ist in dieser Altersgruppe - Kinder an weiterführenden Schulen, die größtenteils noch keinen Impfschutz haben - ein besonders steiler Anstieg der Inzidenz zu verzeichnen. Ende vergangener Woche gab es zwar eine leichte Entspannung, am Sonntag wurde der Wert aber immer noch mit 509,6 angegeben.
Dreistellige Inzidenzwerte auch bei den Kindergartenkindern
Generell liegen die Inzidenzen bei Kindern im schulpflichtigen Alter seit Ende der Ferienzeit stetig und deutlich über dem Durchschnittswert in Mülheim. In der Altersgruppe der Vorschul- und Grundschulkinder (fünf bis neun Jahre) wurde zuletzt ein Wert von 321,6 verzeichnet, bei den Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren betrug die Inzidenz laut LZG am Sonntag 385,6. Demgegenüber sind die Werte in der Altersgruppe der jungen Erwachsenen (20 bis 24 Jahre) momentan relativ unauffällig. Jüngste Daten lagen bei 117,2 und entsprechen in etwa dem stadtweiten Durchschnitt.
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Das Gleiche gilt für die Jüngsten im Kindergartenalter. Doch auch hier ist die sorglose Sommerzeit definitiv vorbei. Von Ende Juni bis Ende Juli gab es keinerlei Neuinfektionen, wochenlang Null-Inzidenzen in der Altersgruppe der unter Fünfjährigen in Mülheim. Nun ist der Inzidenzwert auch bei den Kita-Kindern wieder dreistellig, liegt aktuell bei 107,9.
Zahlen müssen täglich von den Städten ans LZG gemeldet werden
Das Landeszentrum Gesundheit (LZG) mit Hauptstandort in Bochum berät und unterstützt die Landesregierung und die Kommunen, unter anderem beim Schutz vor übertragbaren Krankheiten. Laut Infektionsschutzgesetz müssen die städtischen Gesundheitsämter die Fälle dem LZG täglich melden, das sie wiederum an das Robert-Koch-Institut (RKI) weiterleitet.
Auf seiner Website weist das LZG darauf hin, dass die Daten auf der lokalen, Landes- und Bundesebene nicht immer hundertprozentig übereinstimmen. Das Meldeverfahren sei vor allem für die Gesundheitsämter vor Ort arbeits- und zeitaufwendig. Abweichungen seien daher „nie gänzlich vermeidbar“, heißt es.
Bislang kein Verstorbener unter 45
Auch zu den Todesfällen im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion veröffentlicht das LZG detaillierte Zahlen.
In Mülheim wurden bislang 235 Verstorbene gemeldet, davon war niemand jünger als 45 Jahre. Einen einzigen Fall gab es in der Altersgruppe 45 bis 49 Jahre.
Die weitaus meisten Todesfälle mit Covid-19 betrafen Menschen über 80 Jahre, in Mülheim insgesamt 145 Personen. 56 Verstorbene waren über 90 Jahre alt.
Dies gilt besonders für die Zahl der aktuell infizierten Personen, wie eine Sprecherin des LZG auf Anfrage erläutert. Denn ob jemand schon wieder gesund ist oder immer noch als infiziert gilt, ob eine Quarantäne noch andauert oder schon zu Ende ist, werde in den Kommunen unterschiedlich definiert und nicht immer lückenlos gemeldet. „Die Zahl der laborbestätigten Fälle und die Inzidenzwerte sind aber fest und nicht verhandelbar“, ergänzt die Sprecherin.
Gesundheitsamt: Schulkinder stecken sich meist im privaten Umfeld an
Am Montagmorgen waren in Mülheim nach Angaben der Stadt insgesamt 394 Coronafälle gemeldet, darunter 174 Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren. Das Gesundheitsamt geht weiterhin nicht davon aus, dass sich viele Kinder in der Schule anstecken. Dort heißt es, anhand der Beobachtungen der vergangenen Monate: „Die meisten Infektionen, die in Schulen registriert wurden, hatten ihren Ursprung im privaten Umfeld.“
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Doch angesichts der Inzidenzentwicklung bleibt die Frage nach dem Schutz der Schul- und Kita-Kinder, etwa durch Luftfilter in Klassenräumen oder Impfkampagnen - hoch brisant.
„Schon extrem viele Kinder und Jugendliche in den Arztpraxen geimpft“
Gegensteuern will die Stadt mit der flächendeckenden Impfkampagne, die in dieser Woche an allen Mülheimer Gymnasien, Gesamtschulen, Realschulen und der Hauptschule am Hexbachtal Station macht. Pro Tag werden zwei Standorte angefahren. Nach Angaben des leitenden Impfarztes sind insgesamt 650 Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren angemeldet worden, Spitzenreiter mit 103 Anmeldungen ist demnach die Gesamtschule Saarn.
Gemessen an den Schülerzahlen klingen 650 Impfwillige nicht nach einem großen Run. „Das hört sich erst mal wenig an“, sagt Stadtsprecher Thomas Nienhaus. „Aber in der Krisenstabssitzung am Montagmittag hat der Vertreter der Kinder- und Jugendärzte, Dr. Olaf Kaiser, berichtet, dass schon extrem viele Kinder und Jugendliche in den Kinderarztpraxen geimpft worden sind.“