An Rhein und Ruhr. Der Anteil der Erstimpfungen hat bei Kindern innerhalb einer Woche um fünf Prozent zugelegt. Grund dafür ist nicht nur die neue Impfempfehlung.
Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die sich gegen das Coronavirus impfen lassen, steigt rasant. Das geht aus Zahlen des NRW-Gesundheitsministeriums hervor. Seitdem die Ständige Impfkommission (Stiko) die Impfempfehlung am 16. August auf alle Zwölf- bis 17-Jährigen ausgeweitet hat, sei die Erstimpfungsquote in NRW innerhalb einer Woche um fünf Prozentpunkte gestiegen – von 27,8 auf 32,8.
„Einige Eltern berichten, dass sie mit der Impfung tatsächlich gewartet haben, bis die Stiko eine entsprechende Empfehlung herausgibt“, so Oberhausens Stadtsprecher Martin Berger. Daten der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) zeigen jedoch: Bereits eine Woche vor der aktualisierten Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission legten die Impfzahlen der Zwölf- bis 17-Jährigen im KVNO-Gebiet innerhalb von sieben Tagen um satte 60 Prozent zu. Im Kreis Wesel hat sich die Anzahl der Impfwilligen seit dem 8. August nach Kreisangaben sogar fast verdoppelt.
Und dennoch: Im Vergleich zu anderen Altersklassen sind Kinder und Jugendliche weit abgeschlagen. Einer der Gründe: Während Bürger ab 18 Jahren teilweise schon seit Anfang 2021 geimpft werden, sprach die Ständige Impfkommission (Stiko) eine Empfehlung für 12- bis 17-Jährige erst am 10. Juni aus. Diese galt aber zunächst nur für Personen mit Vorerkrankungen oder erhöhtem Infektionsrisiko. „Wir haben von vornherein gesagt, dass wir uns an die Stiko-Empfehlung halten und eine gesicherte Datenlage abwarten wollen“, sagt Monika Baaken, Sprecherin des Hausärzteverbands Nordrhein. In vielen Praxen seien deshalb bis zur vergangenen Woche primär 12- bis 17-Jährige aus Risikogruppen geimpft worden. Ausnahmen habe es nach individueller Beratung nur bei Jugendlichen ab 16 Jahren gegeben.
Kinder und Jugendliche: Sinkende Impfzahlen zum Ferienstart
Auch die Impfzentren waren ab dem 26. Juni zunächst nur für einen Teil der Kinder und Jugendlichen geöffnet. Geimpft wurden ausschließlich Personen ab 16 Jahren. Die Daten aus dem Zuständigkeitsgebiet der KVNO zeigen: Mit Beginn der Sommerferien am 5. Juli war die Zahl der wöchentlichen Impfungen von 12- bis 17-Jährigen in den Arztpraxen und Impfzentren sogar rückläufig (siehe Grafik). Erst am 22. Juli ermöglichte das NRW-Gesundheitsministerium in den Impfzentren auch Impfungen für 12- bis 15-Jährige. In der Folgewoche stieg die Impfrate im KVNO-Gebiet auf 23.042 Dosen an und hat sich seitdem mehr als verdoppelt.
Auch interessant
Am 16. August weitete die Stiko ihre Impfempfehlung auf Grundlage neuer Daten aus den USA auf alle 12- bis 17-Jährigen aus. Das erklärt aber nicht, warum die Zahl der Impfungen bei dieser Altersklasse bereits eine Woche zuvor schlagartig um fast 60 Prozent anstieg. Baaken vermutet, dass die deutliche Zunahme in der letzten Ferienwoche unter anderem auf den nahenden Schulstart zurückzuführen sei: „Mit Ende der Ferien und Beginn des neuen Schuljahres ist das Thema Impfen auch bei den Jugendlichen und Eltern wieder präsent. Viele Kinder sagen, sie wollen nicht noch so ein Schuljahr wie das letzte erleben.“
Geimpfte und genesene Schüler haben in NRW mehrere Vorteile: Sie sind von der Testpflicht befreit. Zudem müssen sie – im Gegensatz zu ungeimpften Schülern – laut aktueller Corona-Schutzverordnung nicht in 14-tägige Quarantäne, falls sich ihr direkter Sitznachbar infiziert. „Da haben die Schüler und Eltern großes Interesse dran“, so Baaken, die seit der Ausweitung der Stiko-Empfehlung auf alle 12- bis 17-Jährigen eine gewisse Erleichterung bei den Eltern spürt. „Sie fühlen sich jetzt sicherer. Die Familien haben anderthalb Jahre lang enorme Einschränkungen hingenommen. Deshalb ist die Möglichkeit, sich impfen zu lassen, wie eine Befreiung.“ Auch die Ärzte würden die Stiko-Entscheidung begrüßen.
Hausärzteverband Nordrhein: „Der Impfwille ist da“
Auch interessant
Die Sprecherin des Hausärzteverbands Nordrhein rechnet damit, dass das Impftempo bei den Kindern und Jugendlichen weiter steigen wird: „Der Andrang wird sehr hoch sein, das merken wir jetzt schon. Der Impfwille ist da.“ Auch viele Kommunen in NRW – darunter Mülheim, Duisburg und Oberhausen – gehen von einem weiterhin positiven Trend aus. „Eine Rückfrage beim Vertreter der Haus- und Kinderärzte ergab, dass dort ein sehr deutlicher Anstieg spürbar war und ist“, so Mülheims Sprecher Thomas Nienhaus.
Um möglichst vielen Zwölf- bis 17-Jährigen ein niedrigschwelliges Impfangebot zu machen, arbeiten die Kommunen an Rhein und Ruhr seit Beginn des neuen Schuljahres eng mit den Schulvertretern zusammen. Die Stadt Mülheim sowie die Kreise Wesel und Kleve planen in den kommenden Tagen beispielsweise Impfungen direkt vor Ort in weiterführenden Schulen oder in Schulzentren. In Duisburg und Essen sind ähnliche Impfaktionen bereits am Montag gestartet. Dort werden die Kinder und Jugendlichen teils direkt in der Schule geimpft oder feste Termine für das Impfzentrum organisiert.
>>> Infizierte und Corona-Patienten sind immer jünger
Der Altersdurchschnitt der Corona-Fälle ist laut RKI seit Jahresbeginn deutlich gesunken – von 49 auf aktuell 27 Jahre. Auch die Covid-Patienten in den Krankenhäusern werden immer jünger: Lag der Schnitt im Januar noch bei 77 Jahren, so sank der Median bis Mitte August auf 48 Jahre. Grund dafür ist unter anderem die hohe Impfquote bei den Ü60-Jährigen (NRW: 90 Prozent).
Seit dem 16. August gilt die Stiko-Empfehlung für alle Zwölf- bis 17-Jährigen. Zuerst gab die EU-Arzneibehörde EMA Anfang Juni den Biontech-Impfstoff für Kinder und Jugendliche frei. Im Juli folgte die Moderna-Freigabe.