Mülheim. Einer Umfrage der Gewerkschaft Verdi zufolge, sind Kitas aller Träger unterbesetzt, die Erziehenden oft überfordert. Wie die Lage in Mülheim ist.

Zu große Gruppen, zu wenig Erziehende: Zum Start ins neue Kita-Jahr schlägt die Gewerkschaft Verdi Alarm – auch in den Kitas in Mülheim, Essen und Oberhausen fehlen Fachkräfte. Das ergab eine bundesweite Befragung in Kitas, an der sich über 12.000 Kita-Beschäftigte unterschiedlicher Träger beteiligten, darunter auch Mülheimer Erziehende.

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Über ein Drittel der Erziehenden gab an, dass sie zeitweise für mehr als 17 Kinder am Tag gleichzeitig verantwortlich sind. Über 13 Prozent davon waren sogar für mehr als 21 Kinder zuständig. Dabei gibt der Personalschlüssel in NRW (KiBiz) eigentlich vor, dass eine Fachkraft nicht mehr als zehn Kinder (ab zwei Jahren) betreuen sollte, bei Kindern unter drei Jahren kommt eine Fachkraft auf fünf Kinder. Daher sei es nicht überraschend, dass die Hälfte der Beschäftigen sagen, dass sie zu wenig Zeit haben, um auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder einzugehen, kritisiert die Gewerkschaft.

3,74 Prozent der Stellen in städtischen Kitas sind derzeit nicht besetzt

Von den insgesamt 89 Kindertageseinrichtungen in Mülheim sind 37 in städtischer Trägerschaft. In diesen scheint die Lage zwar angespannt, aber nicht ganz so dramatisch zu sein. „Insgesamt sind in den städtischen Einrichtungen 3,74 Prozent der gesamten Stellen nicht besetzt, das entspricht 13,15 Vollzeit-Stellen bei 450 Mitarbeitern insgesamt“, sagt Karin Bode-Brock, Kita-Fachberaterin im Amt für Kinder, Jugend und Schule. Dies sei jedoch zusammengerechnet, in manchen Einrichtungen fehlen halbe Stellen oder auch nur einige Stunden.

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Coronabedingt fehlen derzeit noch drei Fachkräfte sowie vier aus dem pädagogischen Personal, die noch nicht in die Einrichtungen zurückgekehrt sind, da sie zu Risikogruppen zählen. Generell sei es schwieriger geworden, Stellen nachzubesetzen, denn überall entstehen neue Kita-Plätze. Die Konkurrenz unter den Trägern ist groß. Auch Corona habe die Situation verschärft. „Wir nutzen daher verstärkt die Möglichkeit, befristete Arbeitsverträge zu entfristen“, so Bode-Brock. Zudem sei die Stadt froh, seit dem 1. August die Praxisintegrierte Ausbildung anbieten zu können, bei der die Auszubildenden parallel zur Schule gleich von Anfang an in der Einrichtung mitarbeiten.

Beschäftigte gaben an, dass in jeder Kita im Schnitt 4,5 Vollzeitkräfte fehlen

Zweitgrößter Kita-Träger ist der Katholische Zweckverband, der 15 Einrichtungen in Mülheim unterhält. „Die Mindestbesetzung laut KiBiz ist erfreulicherweise in allen unseren Kindertageseinrichtungen in Mülheim erreicht“, sagt Sprecherin Lina Strafer. Die einzelnen Gruppen seien nach dem Personalschlüssel, den das KiBiz vorgibt, besetzt.

18 Kinder warten noch auf einen Kita-Platz

Insgesamt starten stadtweit 5680 Kindergartenkinder und 1055 U-3-Kinder in der Tagespflege ins neue Kita-Jahr, das am 1. August begonnen hat. „Überbelegungen sind schon eingerechnet“, sagt Minka Gerent, Jugendhilfeplanerin im Amt für Kinder, Jugend und Schule.

Schließlich gebe es auch in diesem Jahr „deutlich mehr Kinder als Plätze“. Auf der Warteliste stehen aktuell 18 Kinder, die noch einen Betreuungsplatz suchen. Einige von ihnen konnten in Brückenprojekten untergebracht werden, die an einer Grundschule angesiedelt sind und durch freie Träger betreut werden.

Doch genau dieser Personalschlüssel sei nicht ausreichend, um die Kinder adäquat betreuen und fördern zu können, kritisieren Beschäftigte und Elternvertreter. Gefragt wurden die Kita-Beschäftigten in der Verdi-Umfrage auch, wie viele Kollegen in ihrem Team fehlen würden, um die pädagogische Arbeit so leisten zu können, wie es die gestellten Anforderungen, etwa Bildungspläne, erwarten lassen. Demnach fehlten in jeder Kita im Schnitt 4,5 Vollzeitkräfte. „Das ist skandalös und nicht hinnehmbar. Für die Beschäftigten, für die Kinder und Eltern muss sich dringend etwas ändern, um diese Situation zu verbessern“, fordert Verdi-Gewerkschaftssekretärin Katharina Schwabedissen.

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Auszubildende durch Alltagshelfer-Programm gewonnen

Denn auf die Erziehenden in den Kitas sind seit dem Auslaufen des KiTa-Helfer-Programms des Landes Ende Juli noch mehr Aufgaben hinzugekommen, die sie übernehmen müssen. Die Stadt schließt eine Fortsetzung des Programms aus Kostengründen aus: „Wir müssten die Kräfte aus unserem eigenen Budget beschäftigen, was derzeit nicht möglich ist“, so Karin Bode-Brock.

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Der Kita Zweckverband konnte zumindest 20 der Alltagshelfer für die Praxisintegrierte Ausbildung zur Kinderpflegerin, bzw. zum Kinderpfleger gewinnen. „In einigen Fällen wird noch geprüft, ob eine Ausbildung im nächsten Jahr möglich ist“, sagt Lina Strafer.