Mülheim. Schulen zu, Geschäfte zu, Kitas? Geöffnet für Notbetreuung, die stark nachgefragt ist. Eine Mülheimer Erzieherin spricht von „tagtäglicher Qual“.
Während Schulen in Mülheim nun schon in der zweiten Woche geschlossen sind für die überwiegende Zahl an Kindern und Jugendlichen, halten die Kitas eine Notbetreuung aufrecht. Dabei macht Corona keinen Bogen um sie.
Mit Stand vom vergangenen Sonntag gab es für 22 Mülheimer Kita-Gruppen Quarantäne-Anordnungen des Gesundheitsamtes wegen aufgetretener Corona-Infektionen. Einzelne Einrichtungen mussten zuletzt gar ganz schließen, weil gleich mehrere Gruppen betroffen waren. Dennoch hat das neue Infektionsschutzgesetz die Kitabetreuung von wesentlich schärferen Maßnahmen ausgenommen. Egal wie hoch die Inzidenz – die Kita haben mindestens eine Notbetreuung anzubieten für Eltern, die triftige Gründe dafür geltend machen.
Teilweise sind Mülheimer Kitas noch bis zu 80 Prozent ausgelastet
Laut Lydia Schallwig, der stellvertretenden Leiterin des Amtes für Kinder, Jugend und Schule, sind die Rückmeldungen aus den städtischen Kitas und Kindertagespflegeeinrichtungen aktuell höchst unterschiedlich, wie die Notbetreuung in Anspruch genommen wird. Es gebe Einrichtungen mit 60 bis 80 Prozent Auslastung, „aber auch einige mit deutlich weniger“.
Schallwig sieht einen „schwierigen Spagat“: Einerseits gelte es die Pandemie einzudämmen, andererseits sei die Not von Eltern, ihre Kinder zu betreuen, groß. Nicht immer helfe es Eltern, dass sie nun mehr Anspruch auf Kinderkrankentage geltend machen könnten. Sie müssten dann Druck vom Arbeitgeber, aber auch von Kollegen aushalten, die im Zweifel deren Arbeit miterledigen müssten. Die Stadt als Trägerin setze hier auf den guten Draht zwischen Kita-Personal und Eltern, um eine Lösung zu finden.
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Stellvertretende Amtsleiterin: Kitas sind zumindest noch kein absoluter Infektionsherd
Als Infektionsherd sieht Schallwig die Kitas weiter nicht, trotz der vielen Quarantänen zuletzt. Hochgerechnet seien aktuell etwa 260 Kinder und Erzieher von Quarantänen betroffen. Bei einer Zahl von rund 5000 Kinder, die in Mülheim betreut würden, sei hier „zumindest noch kein absoluter Infektionsherd“ zu erkennen. Das Robert-Koch-Institut hatte in seinem aktuellen Situationsbericht von April die „zahlreichen Ausbrüche“ in Kitas durchaus kritisch bewertet.
Gegenüber der Redaktion drückte am Dienstag eine Erzieherin einer Mülheimer Kita ihren Frust aus, dass das neue Infektionsschutzgesetz den Kita-Betrieb nicht schärfer einengt trotz hoher Infektionszahlen. Seit Monaten quälten sich Erzieherinnen tagtäglich wegen des Infektionsrisikos mit dem Gedanken, selbst zu erkranken und Familienangehörige anzustecken. Man sei „ohne jeglichen Schutz“, die Zweitimpfungen ließen noch auf sich warten, obwohl das Kita-Personal in den Einrichtungen mitunter Kontakt zu bis zu 30 anderen Familien habe.
Erzieherin klagt: „Die Hütte ist weiterhin voll“ – trotz Notbetreuung
Die Erzieherin arbeitet in einer Einrichtung, die schon mehrfach von Quarantänen heimgesucht wurde, einmal gar ganz schließen musste. Sie sieht ihren Berufsstand über Gebühr strapaziert, zumal pädagogische Arbeit mit Kindern mit Maskenpflicht und Abstandsregeln nicht zu bewerkstelligen sei.
„Trotz des Appells und der Bitte an die Eltern, eine andere Betreuungsmöglichkeit zu finden oder gar die 60 Kinderkrankentage in Anspruch zu nehmen, sind die Kitagruppen voll“, beklagt sie ein halbherziges Gesetz. Auch jetzt sei „die Hütte voll" – trotz Notbetreuung, die es eigentlich nur geben soll. Manche Eltern hätten gar die Betreuung noch in Anspruch genommen, obwohl sie in Elternzeit seien.
Selbsttests für Erzieherinnen und Kinder: Stadt beklagt Lieferprobleme des Landes
Noch ein Problem, das auch Amtsleiterin Lydia Schallwig bestätigt, sind die Selbsttests. Laut Schallwig läuft die vom Land NRW organisierte Lieferung an die Kitas „nicht ganz so rund. Für Erzieherinnen kommen so gut wie gar keine Lieferungen bei den Kitas an“, auch seien für die Zeit seit Mitte April zu wenige Tests für die Kinder geliefert worden, als dass diese zweimal freiwillig und zu Hause getestet werden könnten. Die Stadt habe beim Land nachgehakt. Aber noch keine Antwort bekommen. . .
Die Erzieherin, die zu ihrem Eigenschutz ihren Namen nicht öffentlich nennen will, bestätigt dies, sieht aber noch ein weiteres Problem: Auch die Nachfrage der Eltern nach den Tests sei „sehr gering“. Zudem macht ihr Sorgen, dass für „Kinder mit Rotznase und Husten“ weiterhin nur die Pflicht besteht, 24 Stunden zu Hause zu bleiben. Dann dürften sie ungetestet wieder zurück in die Einrichtung, obwohl doch mittlerweile klar sei, dass viele Infizierte symptomfrei seien.