Mülheim. Am 17. August kehren Kitas auch in Mülheim zum Normalbetrieb zurück. Die neuen Kinder kommen aber schon zwei Wochen vorher. Was erwartet sie?
Die Eingewöhnung neuer Kindergartenkinder wird wohl niemals Routine. Auch nicht für eine erfahrene Erzieherin wie Antonella von der Heiden, die seit rund drei Jahrzehnten im Beruf steht. In diesem Jahr kommen die Kleinen, bedingt durch Corona, in eine Ausnahmesituation, die auch die Leiterin des städtischen Familienzentrums Villa Kunterbunt noch nie erlebt hat. Man spürt gemischte Gefühle.
Zur Eingewöhnung darf ein Elternteil ausnahmsweise die Kita betreten
Am 1. August beginnt offiziell das neue Kita-Jahr, in der Praxis am nächsten Montag. Nicht alle Kinder starten am selben Tag, das war auch vor der Corona-Krise schon so. Die meisten Kitas halten sich an das „Berliner Eingewöhnungsmodell“, wo es schrittweise, stundenweise losgeht, anfangs noch mit Mama oder Papa an der Seite.
Eingewöhnung – das Berliner Modell
Die meisten Kitas arbeiten nach dem „Berliner Eingewöhnungsmodell“, das in vier Phasen vorgeht.
Ziel ist, dass das Kind die Erzieherin als sichere Basis akzeptiert und sich bei Bedarf auch von ihr trösten lässt. Bis dahin bleiben die Eltern zur Sicherheit dabei.
Anfangs kommen Mutter/Vater und Kind für etwa eine Stunde gemeinsam in die Kita. In den ersten drei Tagen soll kein Trennungsversuch unternommen werden.
Mit ersten kurzen Trennungen und einer Stabilisierungsphase dauert die Eingewöhnung, je nach Kind, zwischen einer und drei Wochen. Auch danach sollen die Eltern jederzeit erreichbar bleiben, falls die neue Beziehung noch nicht in allen Situationen tragfähig ist.
Nur: Eigentlich sind Erwachsene in den Kitas momentan gar nicht zugelassen, außer denjenigen, die dort arbeiten. Auch in der Villa Kunterbunt am Kuhlendahl gilt: „Kinder werden morgens am Haupteingang übergeben. Die Eltern bleiben vor der Tür.“ Und bis zur Lockerung der Corona-Vorschriften am 17. August, die jetzt überraschend verkündet wurde, wird dies so bleiben. Für die Aufnahme neuer Kinder erlaubt das NRW-Familienministerium jedoch Ausnahmen: Zur Eingewöhnung darf ein Elternteil das Kind begleiten.
Kita-Leiterin: Schwierig, mit Gesichtsmaske eine Beziehung aufzubauen
Sobald es zum engeren Kontakt zwischen den Erwachsenen kommt, was ja unter anderem Sinn der Gewöhnungsphase ist, müssen sie einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Für manche Kinder könnte das problematisch werden, befürchtet Antonella von der Heiden: „Die Kontaktaufnahme zur Bezugserzieherin ist viel schwieriger, weil man die Mimik nicht richtig erkennt.“ Auch wenn die meisten Kinder an den Anblick halb verdeckter Gesichter schon gewöhnt seien: „Es ist etwas ganz anderes, ob man jemandem beim Einkaufen begegnet oder eine persönliche Beziehung aufbauen soll.“
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Die Villa Kunterbunt hat insgesamt 81 Plätze, 28 kleine Mädchen und Jungen werden in der nächsten Woche aufgenommen. Auch für die Eltern ist vieles neu. Sie wurden überwiegend per Telefon, Brief oder E-Mail informiert. „Die Verträge haben wir noch vor Corona gemacht, im Februar, März“, berichtet Antonella von der Heiden. „Aber Aktionen wie Kennenlernnachmittage, Flohmärkte oder Schnuppertage mussten diesmal in allen Kitas ausfallen.“
Manche Kinder brauchen sechs bis acht Wochen
Wie schnell kleine Kinder mit der neuen Umgebung und fremden Betreuungspersonen warm werden, sei sehr unterschiedlich, weiß die Kita-Leiterin. „Manche brauchen sechs bis acht Wochen.“ Hinzu kommt: Die Villa Kunterbunt ist eine integrative Einrichtung, die in der nächsten Woche auch Kinder mit Handicap neu aufnimmt. „Beispielsweise kommt ein schwerstmehrfachbehinderter kleiner Junge, bei dem wir noch gar nicht wissen, wo die Reise hingeht.“
Allein in den 37 städtischen Kitas gibt es rund 640 neue Gesichter, berichtet Karin-Bode Brock, Kita-Fachberaterin im Amt für Kinder, Jugend und Schule. So viele Schulanfänger sind vor den Sommerferien entlassen worden und haben ihre Plätze frei gemacht. Insgesamt stehen zwischen Dümpten und Selbeck aber mehr als doppelt so viele kleine Jungen und Mädchen in den Startlöchern. Denn von den insgesamt 89 Kindertageseinrichtungen sind nur 37 in städtischer Trägerschaft. 52 werden konfessionell oder von freien Trägern geführt.
Schätzungweise 1300 bis 1400 Kita-Neulinge starten in Mülheim
Die städtischen Kitas sind im Schnitt etwas größer: Sie verfügen insgesamt über 2526 Plätze (davon 463 für unter Dreijährige), die übrigen haben zusammen 3024 Plätze (654 davon U3). Man kann wohl von 1300 bis 1400 neuen Kita-Kindern ausgehen. Genaue Daten gibt es nach Angaben des Amtes für Kinder, Jugend und Schule noch nicht. Bekannt ist aber die Zahl der diesjährigen Schulanfänger in Mülheim: 1474 Kinder.
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Der katholische Kita-Zweckverband betreibt in Mülheim 15 Einrichtungen, insgesamt 256 Neuanmeldungen hat es gegeben. Grundsätzlich werde auch hier nach dem „Berliner Eingewöhnungsmodell“ gestartet, erklärt eine Sprecherin. Manchmal bieten sich aber auch Alternativen an, „etwa bei Kindern, die schon vorher in einem Tagespflegenest waren“. Anfangs sei aber immer eine Bezugsperson dabei.
Katholische Kindergärten: Unsicherheit eher bei einigen Eltern
Trotz der aktuellen Situation mit Blick auf Corona fühlten sich die Teams in den katholischen Kitas „gut aufgestellt“, so die Sprecherin. Sie hätten positive Erfahrungen im eingeschränkten Regelbetrieb gesammelt. Unsicher seien manchmal noch Mütter und Väter von einzugewöhnenden Geschwisterkindern, „wenn es um die Einhaltung der Abstandsregelung von 1,5 Metern zu den anderen Kindern in der Gruppe geht“.
Für alle 89 Kitas in Mülheim gilt: Gestartet wird in der nächsten Woche ganz vorsichtig. „Im letzten Jahr ist uns eine gute Eingewöhnung gelungen“, sagt Antonella von der Heiden aus der Villa Kunterbunt. „Wie es diesmal wird, müssen wir sehen...“
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