Mülheim. Die Erzieherinnen in vielen Mülheimer Kitas gehen auf dem Zahnfleisch. Der Unmut der Eltern schlägt bei ihnen auf – aber auch viel Anerkennung.

Die Belastung in Kitas ist groß auf beiden Seiten: Erzieherinnen sind überarbeitet, den Leitungen fehlt das Personal, den Eltern die Betreuungszeit. Weil Gruppen nicht durchmischt und personelle Engpässe nicht ausgeglichen werden können, gehen Eltern und Erzieher auf dem Zahnfleisch. Viel Unmut wird bei den Erzieherinnen abgeladen, doch viele erleben auch Wohlwollen und Verständnis. Schilderungen aus dem Alltag der Einrichtungen.

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„Es braucht viel Wertschätzung und Anerkennung“, sagt Lydia Schallwig, stellvertretende Leiterin des Amtes für Kinder, Jugend und Schule. Denn der Alltag in Kitas in Zeiten von Corona ist täglich ein neuer Kraftakt: Da ist der Infektionsschutz, der über allem steht, aber eben auch der Betreuungsanspruch, den die Eltern haben, viele von ihnen gebeutelt noch von der langen Schließzeit im Frühjahr.

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Corona in den Kitas: Das Personal ist knapp, Gruppen dürfen nicht gemischt werden

Doch weil das Personal ohnehin knapper ist, da Erzieherinnen der Risikogruppe ins Gesundheitsamt abgeordnet wurden, weil Krankheitsausfälle nicht mit Springern kompensiert werden dürfen, werden Betreuungszeiten verkürzt, Eltern gebeten, ihre Kinder zu Hause zu lassen – und regelmäßig auch ganze Gruppen geschlossen .

In der Kita „Zauberhöhle“ war es gleich die ganze Einrichtung, die wegen Corona-Fällen zwei Wochen lang schließen musste. Ein Drittel des Personals war erkrankt, sagt Leiterin Stefanie Werntges. Wie viele Kinder und Eltern genau betroffen waren, kann sie nicht sagen, da es jedem frei stand, selbst zu entscheiden, ob man die Familie testen lassen will. Jedoch wurden alle Kinder der vier Gruppensettings, wie die corona-konforme Zuteilung der Gruppen genannt wird, in Quarantäne geschickt .

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Trotz der angespannten Situation erfahren Werntges und ihre Kolleginnen viel Wertschätzung. „Das ist für mich als Leitung ein Geschenk. Ich bin gerührt, mit wie viel Ruhe die Eltern mit der Situation umgehen.“ Sie habe noch kein ausfallendes Wort gehört, obwohl immer wieder Betreuungszeiten verkürzt und Eltern gebeten werden müssen, ihre Kinder zu Hause zu betreuen.

Elterngespräche finden oft nur zwischen Tür und Angel statt

Ähnlich erlebt es Antonella von der Heiden, die die Villa Kunterbunt leitet. Manchmal allerdings gebe es Unmut, weil Eltern die Personalplanung nicht verstehen. „Sie nehmen nur die Zahl der Personen wahr, aber nicht, dass darunter viele Teilzeitkräfte sind“, sagt von der Heiden. So kann es vorkommen, dass für den Vormittag genug Erzieherinnen im Dienst sind, es aber am Nachmittag eng wird. Unter der Corona-Situation leide vor allem die Kommunikation mit den Eltern, die nur noch im wahrsten Sinne zwischen Tür und Angel oder auf dem Gelände draußen stattfindet.

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Ein weiteres Problem sei die hohe personelle Belastung. „Es macht etwas mit den Kollegen, wenn man merkt, in einer Gruppe ist viel Bedarf, aber man darf nicht helfen“, sagt von der Heiden. So kann es vorkommen, dass ein Betreuungssetting gut besetzt ist, ein anderes kaum zu händeln – aber niemand aushelfen darf, weil die Gruppen nicht durchmischt werden können.

„Wir müssen täglich gucken, wie wir die Betreuung aufrecht erhalten“

Niedrige Infektionszahlen bei Kindern

Viel Unverständnis bei den Eltern rühre auch daher, sagt Lydia Schallwig, dass die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Kinder relativ niedrig ist. Derzeit gibt es 100 unter 20-Jährige, die an Covid-19 erkrankt sind. Ein Großteil davon sind Schüler.

Allerdings verlaufen viele Corona-Erkrankungen ohne Symptome , werden also häufig auch nicht erkannt.

Ein Problem, das auch Heiko Möller kennt, Leiter der Tageseinrichtung „Menschenskinder“. Zum Ende des Jahres stehen noch einige Urlaube der Erzieherinnen der etwa 120 Kinder starken Kita an. Hinzu kommen die typischen Krankheitswellen in der Herbst- und Winterzeit. „Es ist nie genug Personal da, wir müssen täglich gucken, wie wir die Betreuung aufrecht erhalten können “, sagt Möller. Weil seine Kolleginnen darum wissen, falle es ihnen umso schwerer, sich krankzumelden, auch wenn sie wirklich krank sind.

Heiko Möller und sein Team erfahren trotz hoher Belastung auch viel Unverständnis. „Eigentlich stehen die Eltern hinter uns, sie wissen, dass wir nur umsetzen, was uns vorgegeben wird“, sagt der Einrichtungsleiter. Trotzdem gebe es Kommentare von Müttern und Vätern, dass sie eben auch einen Anspruch auf Betreuung hätten, dass sie genug für den Kitaplatz zahlten.

Das bekommt Lydia Schallwig auch von anderen Kita-Leitungen gespiegelt. „Die Belastung der Eltern ist da und der komplette Unmut schlägt beim Personal auf“, sagt sie. Der Infektionsschutz gehe vor, aber den Betreuungsanspruch gebe es eben auch . „An der angespannten Lage wird sich erst etwas ändern, wenn es flächendeckende Impfungen gibt.“