Mülheim. Sie könnte essbar werden, tanzbar oder gar autofrei? Für die Mülheimer City hat der Verschönerungs-Klub viele Ideen im Kopf. Was Bürger wollen.

Mülheim soll schöner werden. Logisch – aber wer macht das? Die Verwaltung? Die Politik? „Die Bürger – wer sonst? Sie sind doch die Chefs“, das ist für Andreas – Alfa – Preker-Frank so klar wie abgekochtes Ruhrwasser. Dafür hat der Mit-Fünfziger, aber junge Bezirkspolitiker (Die Partei) neulich erst eine „gute alte“ Mülheimer Tradition reaktiviert: den Verschönerungs-Klub. Und mit einer wachsenden Zahl von derzeit rund 300 Mülheimerinnen und Mülheimern über die vergangenen Wochen auf Facebook und anderswo reichlich Ideen debattiert. Jetzt aber soll nicht nur gequatscht, sondern angepackt werden.

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Doch wo sollen die „Chefs“ anfangen? Fünf Orte in der Innenstadt hätten es nach Ansicht der „Klub-Mitglieder“ dringend nötig. Der wohl umfassendste Aufschlag der ,Verschönerer’ liegt nicht weit von einem Lieblingsort Preker-Franks entfernt: dem Siegfried-Reda-Platz am Fuße der Petrikirche und der Altstadt. Hier hat „das Kaff“ die Zelte neben der Mausefalle, Isi Babas Falafel-Büdchen und gegenüber von „Mode Wichtig“ aufgestellt.

Den Siegfried-Reda-Platz am Fuße der Altstadt hat sich gut entwickelt – auch weil hier nicht mehr wild geparkt wird.
Den Siegfried-Reda-Platz am Fuße der Altstadt hat sich gut entwickelt – auch weil hier nicht mehr wild geparkt wird. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Schöner Genießen in Mülheim – und zwar autofrei

Mit der Gastronomie lebte auf diesem Jahrzehnte lang vergessenen Pflaster viel Atmosphäre auf. Und das Publikum entdeckte die Qualität des Durchgangsorts, der zuvor allenfalls als Parkplatz missbraucht wurde. Wo das Auto weichen musste, strömten also die Bürger hinein.

Preker-Frank erkennt ein Prinzip, das sich verbessern ließe, „wenn man die komplette Bachstraße für den Autoverkehr schließen würde“. Und für die Gastro entlang der Einbahnstraße öffnen. Das Restaurant Mediterran an der Ecke zum Kohlenkamp etwa müsste seine Außengastronomie nicht mehr auf schmale Bürgersteige an der Kirchenmauer verteilen. Und der Landsknecht könnte nach draußen.

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Zumindest als Versuch für ein Jahr, meint der Bezirkspolitiker (siehe Info-Kasten). Und dann mal schauen. Wer sich mit ihm auf den Parkplatz am Kohlenkamp stellt und sich statt der Blechboliden nun geschmückte Tische vor Augen führt, an denen die Mülheimer Stadtgesellschaft vor der Kulisse der Petrikirche Platz nimmt, kann auf den Geschmack kommen. „Herrlich“ schwärmt Preker-Frank.

Geschmückte Tische statt Blechboliden? Mehr Platz für Gastronomie und Atmosphäre am Parkplatz Bachstraße, Ecke Kohlenkamp fordert Andreas Preker-Frank – zumindest mal testweise für ein Jahr.
Geschmückte Tische statt Blechboliden? Mehr Platz für Gastronomie und Atmosphäre am Parkplatz Bachstraße, Ecke Kohlenkamp fordert Andreas Preker-Frank – zumindest mal testweise für ein Jahr. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Der Platz hätte zudem eine Brückenfunktion zwischen Alt- und Innenstadt, überlegt der Verschönerer: über die Achse Kohlenkamp/Löhberg – die sich mit originellen und inhabergeführten Läden wie Good Life, Sorellis, Perfetto und Püngel und Prütt als Bummelmeile langsam mausert.

Schöner Relaxen: vergessene Grünflächen sollen aufgewertet werden

Gleich nebenan an der Friedenstreppe hat der Verschönerungs-Klub eine weitere Ecke entdeckt, die wohl beispielhaft für verschiedene Grünflächen in der City steht. Als „Fixer-Hotspot“ gemieden, könnte das Fleckchen auf halber Höhe der Treppe im Sommer ein gemütlicher und schattiger Verweilort sein. Es gebe einige im Verschönerungs-Klub, die dieses Grundstück ehrenamtlich aufhübschen und betreuen würden, sagt Preker-Frank: „Das weckt den Gemeinsinn.“ Zu klären ist noch, wem es gehört.

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Apropos Aufwerten: Die oft despektierlich als „Kotzkübel“ verschrienen Pflanzpötte auf der Schloßstraße stoßen bei den ,Verschönerern’ überraschend auf Gegenliebe. „Ich finde sie nicht schlimm. Man könnte sie mit weiteren Hochbeeten und Pflanzen, von denen man Naschen kann, ergänzen“, schwebt Preker-Frank das Konzept der „Essbaren Stadt“ vor, ähnlich wie es Kassel und Andernach umgesetzt haben. Damit wäre die Geschäftsstraße ein Stück schmackhafter – wortwörtlich.

Alles (K)Übel auf der Schloßstraße? So schlimm findet der Verschönerungs-Klub es hier nicht. Man könnte die Geschäftsstraße mit Hochbeeten nach dem Vorbild einer „essbaren Stadt“ schmackhaft machen.
Alles (K)Übel auf der Schloßstraße? So schlimm findet der Verschönerungs-Klub es hier nicht. Man könnte die Geschäftsstraße mit Hochbeeten nach dem Vorbild einer „essbaren Stadt“ schmackhaft machen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Und auch das ist eine Idee des Klubs: Händlern sollte die Stadt mehr Freiheiten geben, vor ihren Läden Blumen und Ähnliches aufzustellen.

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Schöner Flanieren: Tanzen auf der Ruhr und Schwimmen im Hafenbecken

Wenig Gnade hingegen findet das sogenannte Stadtquartier Schloßstraße bei den Klub-Mitgliedern. Entsprechend fassungslos starrt Preker-Frank auf die Versiegelung und die schmalen Häuserschluchten, durch die man von der Schloßstraße muss, um zur Ruhr zu kommen: „Die Menschen im Seniorenheim sehen zum Teil nichts anderes als das gegenüberliegende Haus. Vom ursprünglichen Gedanken, die Stadt an den Fluss zu bringen, erkenne ich nichts wieder.“

Das Hafenbecken ist für die „Klub-Mitglieder“ allzu funktional ausgefallen. Hier würden Bäume gut tun. Zudem könnten mehr Events passieren, zum Beispiel Tanzen auf der Ruhr.
Das Hafenbecken ist für die „Klub-Mitglieder“ allzu funktional ausgefallen. Hier würden Bäume gut tun. Zudem könnten mehr Events passieren, zum Beispiel Tanzen auf der Ruhr. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Auch die Marina und die Ruhrpromenade schneiden in Sachen Schönheit und Grün nur wenig besser ab: „Es müsste drastisch entsiegelt werden. Warum stehen nicht mehr Bäume auf der Fläche vor der Marina?“ Oder mobile Hochbeete?

Und dennoch gibt es Ideen. Zum Beispiel Stege, die in die Ruhr führen. Oder wie wäre ein Tanzfloß auf der Ruhr – als Event? Man könnte auch das Hafenbecken zu bestimmten Zeiten als Schwimmbecken absperren – der Verschönerungs-Klub sieht viel ungehobenes Potenzial, die karge Kärcher-Fläche hübscher, lebendiger zu machen.

Schöner Shoppen: Brücken vom RS1 auf den Rathausplatz und ein Markt

„Hier muss ein Markt hin“, fordert der Verschönerungs-Klub für den Rathausmarkt. Lange ist darüber debattiert, beschlossen und wieder verworfen worden. Ein Haken an der Sache: Es gab lange Zeit kaum einen Grund, von der Schloßstraße hierher zu schlendern. Und Händler bestanden darauf, einen Teil der Fläche als Parkplatz zu belassen, obwohl bereits die Tiefgarage nicht ausgelastet ist.

Autofreie Bachstraße soll Versuchsballon sein

Der Bezirkspolitiker will die Idee der autofreien Bachstraße mit seiner „Partei“ auf den Weg bringen – als Versuchsballon zunächst für ein Jahr.

Ausweichparkplätze sollte es genug geben, glaubt „Alfa“ Preker-Frank. Zwischen 20 und 40 Prozent der Parkfläche in der Innenstadt sind ungenutzt, hat die Mülheimer Verkehrsplanung berechnet.

Es hätte einen weiteren Vorteil: „Mülheim müsste nach Landesvorgaben bis 2030 einen Fahrradanteil im Straßenverkehr von 25 Prozent erreichen. Wir liegen aktuell bei sechs. Für die Gleichberechtigung von Rad und Fußgänger müssten wir jetzt unglaublich loslegen“, meint Preker-Frank. Die autofreie Bachstraße wäre ein möglicher Baustein zu mehr kreuzungsfreien Rad- und Fußwegen in der Stadt.

Doch seit der Diskussion ist einiges passiert: An der Dröppelminna und am Löhberg/Kohlenkamp bieten Läden wie Püngel und Prütt neue Konzepte, der Radschnellweg ist in Gang gekommen. Preker-Frank plädiert dafür, beides zu verbinden: „Mit einer Brücke von der Aussichtsplattform des RS1 auf den Rathausmarkt.“ Mehr Grün und weniger Autos wären auch hier ein Ansatz, um das funktionale Pflastergrau und die Bänke, die mitten in der Sonne stehen, aufzuwerten.

Doch eine Brücke kostet – gibt es dafür politische Mehrheiten? „Einen Platz so zu verschenken, ist für mich ein Grund zu handeln“, will der Politiker in der Bezirksvertretung darum werben. Und was tut der Bürger? Dinge selbst in die Hand nehmen: Nach den Sommerferien will der Klub entsprechend Gruppen organisieren, um verschiedene Ecken zu begrünen und Ideen politisch auf den Weg zu bringen. Sich informieren und Mitmachen kann man übrigens auf der Facebookseite des „Mülheimer Verschönerungs-Klubs“.