Mülheim. Am Siegfried-Reda-Platz entsteht ein Ort mit Aufenthaltsqualität und Brückenschlag zur Altstadt. Worin das neue Café „Kaff“ seine Chancen sieht.
Die gelbbraunen Fliesen mit der Craquelle-Maserung hinter der Theke könnten aus den 70ern stammen, an der anderen Wand hängt Gaby Delgados nackter Oberkörper auf der 80er DAF-Platte „Alles ist gut“ neben der Wutang-Clan LP. Auch die einfachen Holzmöbel und die Theke sind aufbereitete „alte Schätzchen“. Die Speisen? Vegetarisch. Am Siegfried-Reda-Platz macht sich ein Café auf, zum Szene-Ort zu werden: „Das Kaff“.
Wo bitte? Eben. Der Platz am Scheitelpunkt zur Mülheimer Altstadt war lange Zeit ein Ort ohne nennenswerte Aufenthaltsqualität. Dann „verirrte“ sich ein Bücherschrank hierhin, dann schlüpfte „Isi Baba“ – der ehemalige Freilichtbühnen-Koch Ismail Omari – mit seiner nomadischen Küche und Falafeln in eine Ladennische. Der Gothic-Punk-Laden „Mode Wichtig“ bezog Stellung. Stück für Stück ist im Schatten der Petrikirche wieder Leben eingekehrt.
„Das Kaff“ soll Brücke zwischen Mülheimer Altstadt und Stadtmitte spannen
Und nun „Das Kaff“. Mitinhaber Jerry Krüger, den die meisten Mülheimer eher als Künstler Jerry Jerome kennen werden, hat die Idee mit seiner Frau und sechs Mitarbeitern ins Leben gerufen. Er habe „schon immer Orte geschaffen – das ist mein Ding“, meint der 43-Jährige. Das AZ und das Makroscope hat der Künstler mitgegründet, Mülheimer Partys und Festivals wie Hüftgold, Garden Groove, Now or never und das Shiny Toys gehen mit auf seinen Deckel.
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Das „Kaff“ soll die Brücke zwischen Altstadt und Stadtmitte spannen. Ab dem 1. Juli gibt es hier selbstgemachte Bagels – New York Style, und das heißt: mit Biss und „Shmear“, wie die jiddischen Ostküstler sagen. Und das Loch wird nicht schnell mit Daumen und Zeigefinger gezwickt, sondern traditionell wie ein Zopf gerollt und zum Kreis geflochten. Selbstgemachte Brote, Salate und auch Kuchen ergänzen das Programm.
Alle Speisen im „Kaff“ vegetarisch, aber nicht vegan
Jerry und die Kaff-Crew haben sich auf lange Tage in der Küche eingestellt. „Wir stehen meist sowieso um 5 Uhr auf“, meint der Künstler, da reicht die Zeit bis zur Öffnungszeit um 9 Uhr, um die Kringel und Brote vorzubereiten.
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Alles soll vegetarisch hergestellt sein – aber nicht vegan. Ein kleines Zugeständnis, aber die Nachhaltigkeit ist der Kaff-Crew wichtig, das zeigt sich in der Möblierung aus aufgehübschten Tischen und der Theke, die der Mülheimer „Biotischler“ Sebastian Michaelis-Braun hergestellt hat. Und auch die Wandfarben aus der Mülheimer „Farbenmühle“ tragen dazu bei. Für den „Coffee-to-go“ will sich Krüger was einfallen lassen, kompostierbare Becher, lieber aber ein Pfandsystem mit Leihbechern.
Laden mit schillernder Vergangenheit
Apropos: Das Kaff hat eine ebenso schillernde Vergangenheit. Für kurze Zeit war hier ein Burger-Laden, davor hielt sich länger der Diebels-Fass-Keller.
Wer aber älter als 50 sei, so Krüger, habe wohl hier seine Jugend verbracht, als der Schuppen noch Twen hieß und unter „Disco“ firmierte. Geblieben davon ist zumindest die Erinnerung und die Reminiszenz in Form von Plattencovern an der Wand im Kaff.
Ab August will das Kaff auch am Abend zur Kneipe wechseln, Bandauftritte sind auf den 120 Quadratmetern ebenfalls angedacht. Dann wird’s auch Bier geben – ökologisch wertvoll natürlich und aus dem Fass: Die Finne-Craft Beer Brauerei aus Münsters Kreuzviertel liefert dann nach Mülheim, weil’s so schön auf der Achse nach Düsseldorf und Köln liegt.
„Mülheim kann ein gutes Café gebrauchen“
„Das muss sich entwickeln“, meint Krüger zum Konzept von Kaff – und ist überzeugt, dass ein ökologisch bewusstes, alternatives und auch szeniges Publikum hier den Ankerplatz findet. Entwicklungen wie Ronja und Püngel und Prütt, aber auch Isi Baba nebenan könnten ihm Recht geben. Gestartet wird am 1. Juli mit drinnen Corona-bedingt weniger Sitzplätzen als die gedachten 60, aber wahrscheinlich bereits 36 Plätzen draußen.
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Krüger fühlt sich jetzt schon wohl am Ort, Sorge um Konkurrenz macht er sich nicht: „Wir haben mit Ronja, Püngel und Prütt, Isi Baba, Mausefalle und anderen in der Altstadt gute Beziehungen. Und Mülheim kann ein gutes Café gebrauchen.“