Mülheim. Mülheim hat zu viele Parkplätze, die kaum genutzt werden. Bislang hat die Politik sich nicht getraut, in der Autostadt den Rotstift anzusetzen.

Die einen sehen in ihnen den Garant für eine wirtschaftlich florierende Innenstadt und hätten gerne viele vor jedem Geschäft, die anderen sehen in ihnen eine Blockade für andernfalls attraktive Räume zum Verweilen: Parkplätze werden in der Autostadt Mülheim beinahe religiös diskutiert. Doch die Fakten sprechen eine klare Sprache: Die Innenstadt hat zu viele und auch teure. An normalen Werktagen stehen bis zu 40 Prozent frei.

In Mülheims Innenstadt stehen bis zu 40 Prozent der Parkplätze frei

Diese Bilanz zogen die Mülheimer Verkehrsplaner bereits 2015. Die Daten gelten im Wesentlichen aber noch heute, davon ist Abteilungsleiter Roland Jansen überzeugt. Derzeit sitzen die Planer im Auftrag von Schwarz-Grün an einem Konzept, das die Parkauslastung der City punktgenau erfassen soll. Ziel? Eine fundierte Antwort auf die Frage zu geben, wie viele der rund 3700 bewirtschafteten und 400 kostenlosen Parkplätze die Stadt wirklich anbieten muss. Und wo.

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Denn Parkplätze kosten die Allgemeinheit gutes Geld. Bis zu 5000 Euro im Jahr kostet den Steuerzahler ein öffentlicher Autostellplatz – so rechnete es pauschal die „Zeit“ unlängst vor. Die Kosten in Mülheim dürften – je nach Betrachtung – darunter liegen. 50.000 Euro etwa muss man für den Bau eines Tiefgaragenstellplatzes aufbringen. Hinzu kommen etwa 50 Euro Unterhalt im Jahr sowie zwei Prozent des Herstellungspreises für die Instandsetzung. Das macht zusammen jährlich etwa 1050 Euro aus.

Ähnlich gilt das für Flächen in Parkhäusern, deren Bau rund 30.000 Euro kostet. 1840 Plätze in Tiefgaragen und Parkhäusern bietet die Innenstadt an – überwiegend aber sind diese nicht im städtischen Besitz oder gehören zum Teil Stadttöchtern. Für den Bau eines Parkplatzes auf der Straße liegen die Kosten deutlich tiefer, hier muss mit etwa 1400 Euro gerechnet werden und weiteren 60 Euro jährlich für die Wartung.

Kampf um kostenloses Parken: Autofahrer meiden Tiefgaragen und Parkhäuser

Der Haken an der Sache: Während die kostenlosen Parkplätze oberirdisch von 8 bis 18 Uhr nahezu zu 100 Prozent ausgelastet sind, sind die bewirtschafteten es nur zwischen 44 und – in der Spitze – zu 89 Prozent. Insbesondere die Parkhäuser und Tiefgaragen werden gemieden. Hier haben die Stadtplaner 2015 Auslastungen von maximal 70 Prozent verzeichnet.

Die Mobilitätsgarantie muss die Stadt aufrecht erhalten, heißt es aus der Verkehrsplanung. Für Mülheim, wo seit Jahren mit dem ÖPNV gehadert wird und der Radverkehr aus den Stadtteilen in die Innenstadt noch nicht ausreichend entwickelt wurde, ist das Auto noch Fortbewegungsmittel Nr. 1. Und doch steht der Verkehr der Attraktivität der Ruhrstadt auch im Weg.

Beispiel Rathausmarkt: ein verwaister Ort

An der Entwicklung des Rathausmarktes lässt sich das Dilemma einer Stadtentwicklung zwischen Verkehr und Verweilraum besonders deutlich erkennen: Als der Planungsausschuss 2015 nach jahrelanger Debatte dessen Umgestaltung zur „guten Stube“ von Mülheim und attraktiver Veranstaltungsfläche beschlossen hatte, regte sich Unmut bei Anwohnern wie beim Gewerbe und Gastronomie.

Konrad-Adenauer-Brücke wird angenommen

Die Parkplätze an der Konrad-Adenauer-Brücke und der Bergstraße würden inzwischen deutlich besser angenommen, sagt Verkehrsplaner Roland Jansen. 2015 sind diese nur zu Hälfte genutzt worden.

Ein Grund für die höhere Akzeptanz sieht Jansen in der Einführung des Monatstickets.

Ebenso bemerkenswert: Nur 40 Prozent aller Kurzzeitparker haben laut der Erhebung von 2015 die Brötchentaste genutzt. Auch auf das Kurzparken wird die Stadt genauer schauen.

Kunden und Gäste würden ausbleiben, wenn nicht das Parken auf dem Platz weiterhin möglich wäre – so die Beschwerde. Dabei gab und gibt es reichlich freie Plätze in der Tiefgarage, die Kunden aber offenbar nicht nutzen wollen. Die Politik knickte gegenüber Autofahrern und Gewerbe ein. Also entstand wenige Monate später auf politischen Wunsch ein zweiter Entwurf, der eine Fläche für etwa 40 Fahrzeuge mit Pollern abzirkelte.

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Der Vorrang für den Autoverkehr hatte nicht nur die bekannten optischen Auswirkungen, die den Platz zu einem funktionalen, aber noch immer verwaisten Ort gemacht haben, sondern weitreichende Folgen: „Eine Konsequenz dieser Änderung ist, dass der Betrieb eines Kioskes zur Belebung des Platzes hinfällig ist“, heißt es in der Änderungsvorlage, „da von dem vorgesehenen Standort an der Ecke Friedrich-Ebert-Straße/ Bahnstraße keine Verbindung zu dem Platzteil mehr besteht“.

Politik muss Prioritäten setzen

Was muss zuerst da sein: das Auto oder die attraktive Stadt? Wer ins Centro fährt, nimmt schließlich lange Fußwege durch triste Parkhauskulissen in Kauf. Und für den Limbecker Platz zahlen Kunden sogar Parkgebühren. Ein möglicher Kompromiss für Mülheim wäre es, zumindest die wenig ausgelasteten Tiefgaragen so zu gestalten, dass Parkraum an der Oberfläche anders genutzt werden kann.

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Das Einsparpotenzial – gemessen an der mangelnden Auslastung – liegt zwischen 20 und 40 Prozent, je nachdem, wie sehr man den Autoverkehr einschränken will und vielleicht gute Alternativen für den Innenstadtverkehr anbieten will. Ein stärkerer ÖPNV könnte das Auto entlasten. Verkehrsplaner Roland Jansen will die Zahlen für die Parkraumauslastung in den kommenden Monaten liefern, Potenziale aufzeigen, „die Prioritätensetzung ist aber eine Aufgabe der Politik“.