Mülheim. Das Ziel der Klimaneutralität stellt Mülheims Wohnungswirtschaft vor große Herausforderungen. Die große Frage: Wie sehr werden Mieter belastet?
Angesichts der Klimaziele schlägt das Mülheimer Wohnungsbauunternehmen SWB Alarm: Weil der Investitionsbedarf allein für energetische Maßnahmen so enorm sei, werde man auf Hilfe der Fördermittelgeber angewiesen sein. Denn erklärtes Ziel sei, den Klimawandel für seine Mieter bezahlbar zu gestalten.
Mit rund 8400 Wohnungen ist die städtische SWB der größte gewerbliche Akteur an Mülheims Wohnungsmarkt. Rund 3100 Wohnungen davon, also gut ein Drittel, sind preisgebunden. Kein Geheimnis ist, dass die SWB trotz erheblicher Investitionen in den vergangenen Jahren weiterhin viel Bausubstanz im Besitz hat, die einer umfassenden energetischen Sanierung bedarf. Der Anteil an Wohnungen, die den Standards einer Energieeffizienz- und Wärmeschutzverordnung entsprechen, liegt gerade einmal bei 44,9 Prozent. „Da müssen wir in Zukunft nachlegen“, so SWB-Geschäftsführer Andreas Timmerkamp.
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Mülheimer Wohnungsunternehmen sieht Investitionsbedarf von bis zu 350 Millionen Euro
Das Pariser Abkommen zum Klimaschutz, auch die Gesetzgebung der Bundesregierung fordern auf Sicht aber eine Klimaneutralität im Wohnungsbestand ein. Die SWB für sich sieht sich in der Verantwortung, aber weiß auch, dass sie dies „technisch wie finanziell vor große Herausforderungen stellt“.
Nach ersten groben Schätzungen werde die SWB 280 bis 350 Millionen Euro ausschließlich für energetische Maßnahmen investieren müssen, präsentierte Timmerkamp zuletzt immens hohe Zahlen. „Bei einer Bilanzsumme von 400 Millionen Euro müssen wir uns dafür innerhalb von 25 Jahren quasi noch mal neu erfinden“, führt Timmerkamp die Dimensionen vor Augen.
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Neu gegründete Gesellschaft „eMHergie“ soll bei Umsetzung helfen
Dabei liege die Betonung auf „grober Schätzung“. Vielfach fehle den Unternehmen der Wohnungswirtschaft das Knowhow für das Thema. „Wir können die Häuser ja nicht nur einpacken mit einer Wärmedämmung, so dass man am Ende keine Fenster mehr sieht“, mischt sich Sarkasmus in seine Feststellung. „Wir brauchen andere Energieträger.“
Hoffnung setzt die SWB hierbei auf die neu gegründete Mülheimer eMHergie GmbH, zu der sich der örtliche Energiedienstleister Medl mit den örtlichen Wohnungsgrößen SWB und Mülheimer Wohnungsbau zusammengetan hat. „Hier vereint sich Investitionsbereitschaft mit Finanzierungs- und technischem Knowhow, das betrifft Planungsleistungen auf dem Energiesektor genauso wie deren bauliche Umsetzung oder den Vertrieb von Mieterstrom“, sagt Sven Glocker als kaufmännischer Prokurist der SWB.
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SWB-Chef: Mehr als 1 Euro Anstieg bei der Quadratmeter-Miete nicht zumutbar
In welche Höhen werden Mieten klettern, sollte der Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2045 eben solche astronomischen Summen von bis zu 350 Millionen Euro verschlingen? Um exorbitante Mietsteigerungen in Mülheim, wo ohnehin ein großer Teil von Bürgern übermäßig viel des Einkommens für Miete aufzubringen hat, zu verhindern, sieht Timmerkamp die Fördermittelgeber beim Land, im Bund und in der EU gefordert.
Er hofft, „dass wir es weitgehend kostenneutral hinbekommen“. 50 Cent bis 1 Euro Anstieg der Kaltmiete sei aus seiner Sicht „das Maximum, was man Mietern zumuten kann“. Im Gegenzug müsse man schauen, den Mietern beim Einsparen von Nebenkosten zu helfen, etwa über Photovoltaik und Mieterstrom-Modelle. Allgemeinstrom könnte per Photovoltaik selbst erzeugt werden, ebenso Strom für E-Ladesäulen.
Es bedürfe „langfristig ausgerichteter, verlässlicher Rahmenbedingungen, etwa gesicherter Förderlandschaften. „Wichtig“, so Timmerkamp, „ist vor allem eine Legislaturperioden übergreifende Wohnraum- und Klimapolitik.“
„Initiative Wohnen.2050“: Unternehmen wollen voneinander lernen
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Um nicht für sich alleine der großen Herausforderung gegenüberzustehen, ist die SWB mittlerweile wie mehr als 70 andere Wohnungsunternehmen und Fachverbände in der „Initiative Wohnen.2050“ organisiert. Die Plattform dient dem Austausch, wie Klimaneutralität im Wohnungsbestand bestmöglich erreicht werden kann. Gegenseitig voneinander zu lernen, ist das Ziel: ob für die Erstellung einer CO-Bilanz, für Bestandsanalysen, bei der Ermittlung des Finanzierungsbedarfs oder bei Finanzierungsmodellen.
Bis Ende 2022 will die SWB eine erste Klimabilanz erstellt haben. Für 2023 sei vorgesehen, „Zeitachsen zu bestimmen, wann und wo wir Bestände entsprechend entwickeln“, so Timmerkamp.