Mülheim. Ein Besuch der Ausstellung „Körperwelten“ in Mülheim. Wie sieht ein evangelischer Pfarrer die Exponate, die alle einmal lebende Menschen waren?

Die Ausstellung „Körperwelten – eine Herzenssache“ ist bis Mitte August in Mülheim zu sehen. Die plastinierten Körper- und Körperteile faszinieren viele. Auch unter der Woche bilden sich morgens Schlangen an den Kassen. Wie blickt ein Pfarrer auf die Ausstellungsstücke, die doch alle einmal lebende Menschen waren?

Ein männlicher und ein weiblicher Körper beim Tanz in der Umarmung: Auch dieses Exponat findet sich in der Ausstellung Körperwelten in Mülheim.
Ein männlicher und ein weiblicher Körper beim Tanz in der Umarmung: Auch dieses Exponat findet sich in der Ausstellung Körperwelten in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Wir haben Pfarrer Michael Manz von der evangelischen Lukaskirchengemeinde auf einem Rundgang durch die Ausstellung auf dem ehemaligen Tengelmann-Gelände begleitet. Für den 58-Jährigen sind einige Exponate und die Art der Präsentation nicht neu: Vor über 20 Jahren hat er sich schon die damals sehr umstrittene Ausstellung in Köln angesehen. Für die evangelische Kirche war die Ausstellung damals wie heute kein Aufregerthema. In seiner Gemeinde ist sie das derzeit wohl auch nicht.

Alle anatomischen Ausstellungsstücke in Mülheim stammen von echten Menschen

Am Ausstellungsstück „Der Herzchirurg“ bleibt Michael Manz stehen. Das in Mülheim gezeigte Exponat besteht aus zwei Menschen, einem liegenden und einem stehenden. Der Stehende hält das Herz des Liegenden in der Hand. Inspiriert sei das Exponat vom Rembrandt-Bild „Die Anatomie des Dr. Tulp“, verrät der Begleittext. „Menschen, die sich der Wissenschaft zur Verfügung gestellt haben, die hat es ja schon immer gegeben“, sagt der Pfarrer. „Und das ist ja auch gut so – denn wo wären wir jetzt ohne diese Forschungen?“ Für anatomische Studien sei das unerlässlich.

Das Exponat „Der Herzchirurg“ in der Ausstellung „Körperwelten – eine Herzenssache“ im Technikum Mülheim.
Das Exponat „Der Herzchirurg“ in der Ausstellung „Körperwelten – eine Herzenssache“ im Technikum Mülheim. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Manz versteht gut die Faszination, mit der die Besucher der Ausstellung der einzelnen Organe betrachten, die sie auch alle selbst in sich haben: Herz, Leber, Lunge, den großen Verdauungstrakt. Alle anatomischen Präparate, die in Mülheim gezeigt werden, stammen von echten Menschen, die vor ihren Ableben darüber verfügt haben, dass ihre Körper zur Aufklärung dienen sollen. Und genau das, so Manz, müsse man sich auch immer wieder vergegenwärtigen.

Gezeigt wird der Tod. Das sollten die Lebenden nicht vergessen

Das Exponat „Der Schachspieler“ in der Ausstellung „Körperwelten – eine Herzenssache“ in Mülheim.
Das Exponat „Der Schachspieler“ in der Ausstellung „Körperwelten – eine Herzenssache“ in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Auch wenn man bei den Exponaten des Schach- oder des Ballspielers oder beim Paar in der Umarmung auf den ersten Blick denken könne, sie seien künstlich: Ein erträglicher Anblick sei das ja auch für jene, die sonst sagen, sie könnten kein Blut sehen. Es wirkt alles sehr sauber und ästhetisch und dennoch: Gezeigt wird der Tod. „Hier muss man sich vorstellen, das waren auch einmal lebende Personen“, sagt Manz, der hofft, dass die Besucher das nicht vergessen. Auch wenn er eher vermutet, dass die Faszination, die unbestreitbar von dem Gezeigten ausgeht, im Vordergrund steht.

Faszination oder doch auch noch etwas anderes? Was es ja schon vor Jahrhunderten gegeben habe, sagt Pfarrer Manz, waren beliebte Ausstellungen des Menschlichen, vor allem des Absonderlichen, auf Jahrmärkten. Das diente sicher weniger dem Aufklärungsgedanken, als der Sensationslust.

Die Mülheimer Ausstellung präsentiert sich allerdings wirklich nicht sensationsheischend, das erkennt Michael Manz durchaus an. Das Licht ist dezent, die Exponate werden sparsam beleuchtet. Das wirkt auf die Besucher, die sich meist nur flüsternd unterhalten. Bilder und Zitate an den Wänden versuchen eine kulturelle Einordnung des Gezeigten, merkt Michael Manz an.

Pfarrer: Für Auferstehung und ewiges Leben braucht man den sterblichen Körper nicht

Zur Person

Michael Manz (58) ist seit 28 Jahren evangelischer Pfarrer in Mülheim.

Er war 20 Jahre lang in der Friedenskirche in Heißen tätig und wirkt jetzt in der Lukaskirchengemeinde in Styrum (Immanuelkirche).

Wie sieht es angesichts der Ausstellung mit Fragen aus, die sich ein Christ stellen könnte: Wohin gehen wir nach dem Tod? Der Pfarrer betont, dass man sich das ja auch bei See- oder Feuerbestattungen fragen könnte: Für die Auferstehung und das ewige Leben brauche man den sterblichen Körper nicht. „Wir setzen die Asche oder die sterbliche Hülle eines Menschen bei. Doch die geliebten Menschen verlassen uns ja nicht. Sie sind bei uns in unseren Gedanken und unseren Herzen.“

Wie damals in Köln, so fällt Michael Manz auch in Mülheim das Exponat der Raucherlunge – neben einem der gesunden Lunge – ins Auge. „Wenn nur ein Raucher nach diesem Anblick eine Schachtel weniger am Tag raucht, dann hat es sich ja schon gelohnt“, sagt Michael Manz. Ein erzieherischer Effekt, den er durchaus begrüßt.