Essen. Ihre Körper sollen nach dem Tod ausgestellt werden oder der Wissenschaft weiterhelfen. Warum Sandra und Daniel Francois die Entscheidung trafen.
Sandra François beschäftigt sich seit langem mit der Komplexität des menschlichen Körpers. Als Medizinisch-Technische-Assistentin hat die Essenerin schon in ihrer Ausbildung anatomische Exponate besichtigt, als noch niemand von einer „Körperwelten“-Ausstellung sprach. Deshalb war es für die Freisenbrucherin Anfang der 2000er Jahre auch rasch beschlossene Sache, Gunther von Hagens damals heftig umstrittene Plastinaten-Schau in Oberhausen zu besichtigen. Ihre Mutter und Ehemann Daniel hat sie gleich mitgenommen. Die Faszination der Ausstellung, in denen echte menschliche Körper, Organe, Muskeln und Sehnen plastiniert und in verschiedenen Positionen drapiert, zu sehen sind, hatte sie nicht mehr losgelassen. Bald darauf hatten alle drei selber ein Formular unterschrieben und sich zum Körperspender erklärt.
„Vielleicht kommt unsere Körperspende am Ende unseren Enkeln zugute“
Was anderen einen Schauer über den Rücken treibt, war für das Ehepaar François eine nüchterne Entscheidung. Auch einen Organspende-Ausweis haben die beiden längst ausgefüllt. „Erst einmal wollen wir lebenden Menschen helfen“, sagt Sandra François. Doch den Gedanken, ihren Körper nach dem Tod auch in den Dienst der Wissenschaft und Forschung zu stellen und Medizinstudenten so beispielsweise als Ausbildungsmaterial zu dienen, hält die 47-Jährige für ebenso wichtig. „Vielleicht kommt unsere Körperspende am Ende unseren Enkeln zugute.“
![Schon mehrfach hat das Essener Ehepaar die „Körperwelten“-Ausstellung besucht. Das Ticket ist eine Erinnerung an den Besuch in Berlin 2018. Schon mehrfach hat das Essener Ehepaar die „Körperwelten“-Ausstellung besucht. Das Ticket ist eine Erinnerung an den Besuch in Berlin 2018.](https://img.sparknews.funkemedien.de/401324104/401324104_1682484859_v16_9_1200.jpeg)
Ob die Körper von Sandra und Daniel François irgendwann einmal plastiniert in einer „Körperwelten“-Ausstellung landen, wie sie derzeit in Mülheim läuft, oder auf dem Seziertisch einer Uni-Klinik, ist nicht abzusehen. Wer sich als Körperspender zur Verfügung stellt, kann in seiner Verfügung zwar verschiedene Optionen ankreuzen, aber er kann nicht definitiv bestimmen, irgendwann zum Ausstellungsexponat zu werden. Ob und welche Teile des Körpers als medizinisches Anschauungsmaterial konserviert und präpariert werden, darüber entscheidet am Ende das Institut für Plastination in Heidelberg.
Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod
Für das Essener Ehepaar ist das zweitrangig. Die beiden sind vor allem auch froh darüber, sich gemeinsam mit einem Thema befasst zu haben, das die meisten am liebsten ausklammern: den eigenen Tod. Daniel François erklärt sich die bisweilen harsche Kritik an den Körperwelten-Ausstellungen denn auch „mit der Angst vor der eigenen Endlichkeit“. Aber die Ausstellung sei kein skurriler „Wander-Friedhof“ für morbide veranlagte Schaulustige, wie manche Kritiker monieren.
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Was Sandra und Daniel François als erstes mit „Körperwelten“ verbinden, ist keine Sensationsgier, sondern die „demutsvolle Stille“, die in den Ausstellungsräumen herrsche. In Oberhausen und vor drei Jahren in Berlin hat Familie François diese erlebt. Auch die Mülheimer Schau wollen sie baldmöglichst sehen. Vielleicht auch mit den beiden Kindern, 18 und 15 Jahre, die die Entscheidung der Eltern längst akzeptiert haben. Später würde ihnen dann immerhin die zeitaufwendige Organisation von Bestattung und Grabpflege erspart bleiben, meint ihr Vater. „Mit ein paar Anrufen ist alles erledigt.“
Eine Beerdigung wird es nicht geben
Dabei sind die Essener Eheleute keine, die das Abschiednehmen in ihrem Leben einfach ausklammern. „Ich glaube an ein Leben nach dem Tod“, sagt Sandra François. Nur müsse die sterbliche Hülle nicht in einem Grab liegen. Eine Beerdigung wird es für die Eheleute nicht geben.
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![Angelika Brauckmann (62) will nach ihrem Tod ihren Körper der Ausstellung „Körperwelten“ zur Verfügung zu stellen. Angelika Brauckmann (62) will nach ihrem Tod ihren Körper der Ausstellung „Körperwelten“ zur Verfügung zu stellen.](https://img.sparknews.funkemedien.de/400276262/400276262_1681646341_v1_1_200.jpeg)
Momentan freilich genießen die 47-Jährige ihr 49-jähriger Mann das Leben im coronakonformen Rahmen so weit wie möglich. Gleichwohl könne man nach einem Besuch der Körperwelten-Schau manches Zipperlein besser verstehen, finden die beiden. „Jeder erzählt von seinem Termin im MRT“, sagt Daniel François. Nach einem Körperwelten-Besuch wisse man endlich, was diese Scheibchenuntersuchung eigentlich bedeute. Und warum der Tumor im Nackenbereich das Laufen für eine Weile so erschwert habe.
Die Verfügung kann jederzeit widerrufen werden
Infos zur Ausstellung
Körperwelten – Eine Herzenssache: Laufzeit bis 22. August., Technikum, Ulmenallee 14-16, Mülheim. Geöffnet: Di-Fr: 9-18 Uhr, Sa/So: 10-18 Uhr.Tickets (ab 13 Euro) unter wir-lieben-tickets.de. Aufgrund der allgemeinen Bestimmungen herrscht in der Ausstellung die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske. Das Mitführen eines negativen Corona-Testergebnisses ist laut Ausstellungs-Homepage nicht mehr nötig.In der Schau sind rund 180 anatomische Präparate zu sehen. Mehr Infos unter https://koerperwelten.de
Sandra und Daniel François haben sich in vielen Bereichen schlau gemacht, auch eine Patientenvollmacht ist längst ausgefüllt. Die Entscheidung, Körperspender zu sein, könne außerdem jederzeit widerrufen oder verändert werden. Doch derzeit steht nicht zur Debatte, dass es sich beide noch mal überlegen. Auch Sandra François Mutter, die vor sechs Jahren starb, hat ihre sterbliche Hülle Gunther von Hagens Institut anvertraut. Was mit ihrem Körper geschehen ist, bleibe anonym, erklärt ihre Tochter. Und doch bleibt es nicht ganz ausgeschlossen, dass man sich irgendwann noch einmal in einer „Körperwelten“-Ausstellung begegnet.