Mülheim. Den Abriss des illegalen Mountainbike-Parks hätte Mülheim verhindern können. Warum ausgerechnet Krefeld als positives Vorbild dienen kann.

Sie pumpen, „whippen“ und „shredden“ nicht nur durch die Mülheimer ,Botanik’: Mountainbiker haben ihre Spuren auch in der freien Natur der Nachbarstädte hinterlassen. Reichlich Konflikte gab es zwischen Verwaltung, Naturliebhabern und Zweirad-Enthusiasten auch dort. Während man hüben jedoch gegen illegale Strecken offenbar nur den Abriss kennt, hat man drüben Trails für den Radsport geschaffen. Gerade Krefeld kann ein gutes Vorbild sein, das Biken zu fördern – und die Natur zu schonen.

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Oberhausen bietet eine MTB-Strecke im Ruhrpark und einen Pumptrack im Kaisergarten

Dabei hätten es Mülheimer bis zu den Strecken der Nachbarschaft nicht einmal weit: Der Ruhrpark in Oberhausen-Alstaden liegt an der Grenze zu Mülheim. Hier betreut der Radsportverein Blau-Gelb-Oberhausen eine Strecke, die von der Stadt geduldet wird. Die – vor Corona – jährlichen MTB-Veranstaltungen seien mit den Behörden abgesprochen, so ein Sprecher der Stadt.

Einen zusätzlichen Pumptrack hat Oberhausen im vergangenen Jahr in der „Open Airea“ am Kaisergarten geschaffen. Mit illegalen Trails kämpft die Stadt dennoch, räumt der Sprecher ein: An der Halde Haniel komme es immer wieder zu Konflikten zwischen MTB-Fahrern und Spaziergängern. Auch dort werden Pfade teils wild angelegt.

Mit dem neuen Brammen-Trail haben RVR und Stadt Essen an der Schurenbachhalde ein gutes Angebot für Mountainbiker geschaffen.
Mit dem neuen Brammen-Trail haben RVR und Stadt Essen an der Schurenbachhalde ein gutes Angebot für Mountainbiker geschaffen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Auch Essen räumt wilde Parks schnurstracks ab – bietet allerdings auch Strecken an

Nicht nur Mülheim lässt wilde Biker-Parks abräumen – auch Essen macht illegal geschaffenen Trails schnurstracks kurzen Prozess. Aber: Der große Nachbar bietet auch legalen Ersatz zum Austoben an. Und hat für ein gutes Miteinander von Natur und Sport zum einen das Projekt „Kaktus – Kommunales Aktionsprogramm Umwelt und Sport“ gegründet.

Zum anderen finanziert die Stadt Essen auch Strecken: Im Juni 2019 eröffnete der Sportverein Essen-Steele 2011 einen „Dirt-Park“ im „Center of Mountainbike Essen“ auf dem ehemaligen Sportplatz der Wolfskuhle Am Hellweg gemeinsam mit der Stadt Essen. Der Umbau wurde finanziert durch die Sport- und Bäderbetriebe Essen, den Essener Sportbund (ESPO) und der Bezirksvertretung VII.

RVR lässt 46 Halden auf MTB-Strecken prüfen

Das Mountainbiken ist offenbar auf dem Weg zum Volkssport, stellt der Regionalverband Ruhr fest. Klar ist dabei ebenso: Die Naturschutzgebiete kommen bei der Ausweisung von Trails nicht in Frage.

Mit einer Machbarkeitsstudie „Halden. Trail. Ruhr“ will der RVR deshalb just prüfen, welche der 46 Halden in seinem Besitz noch fürs „Naturradeln“ in Frage kommen. Mit Ergebnissen ist jedoch nicht vor Herbst zu rechnen.

Alternativen gibt es bereits: Neben der Schurenbachhalde ist ebenso auf der Halde Hoheward in Herten eine 6,5 Kilometer lange Cross-Country-Strecke (XC) entstanden. Auf der Halde Hoppenbruch hat der RVR gemeinsam mit dem Freeride Club Herten einen 4,4 Kilometer langen Enduro-Rundkurs geschaffen.

Und in der Haard ist im vergangenen Jahr ein 42 Kilometer langer Mountainbike-Rundkurs eröffnet worden. Einiges für MTB-Enthusiasten ist also auf den Weg gebracht. Und dennoch, merkt der RVR kritisch an, gibt es auch unter den Mountainbikern in der Haard immer wieder solche, die sich nicht an die legalen Strecken halten und illegale Routen suchen.

Die neueste Strecke – der Brammen-Trail auf der Schurenbachhalde – ist seit Mai 2021 nutzbar. Zuständig ist hier der RVR, beteiligt aber waren Mountainbiker über Kaktus, den Essener Sportbund und Essener Sportvereine. Das Umweltamt koordinierte die Beteiligung.

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Biker und Fußgänger geraten im Corona-Jahr immer häufiger in Konflikt

„Die Strecken, besonders in Steele, werden sehr gut angenommen“, heißt es aus dem Essener Rathaus. Man versuche weitere Bereiche für diesen Sport zu schaffen, wie aber für viele Sportstätten auch, brauche man dafür einen Verein, der sich kümmere.

Und trotz vieler Bemühungen schütze das nur bedingt vor wildem Biken oder vor Konflikten auf Wanderwegen. Die sollen im Corona-Jahr sogar zugenommen haben: Seit Mai arbeitet deshalb die Essener Kampagne „Unterwegs mit Respekt“ mit Mountainbikern zusammen, um für Verständnis unter den Nutzern zu sorgen.

In Mülheim gibt es – neben illegalen Bike-Parks und -Trails – lediglich einen legalen Pumptrack an der Gesamtschule Saarn. Künftig. Einen beliebten wie hoch umkämpften Parcours ließ Umweltdezernent Peter Vermeulen dagegen vor wenigen Wochen unerwartet beseitigen. Als Grund gab die Stadt eine unmittelbare Gefahr an.

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Was ein Mülheimer Umweltdezernent von seiner Heimatstadt hätte lernen können

Wie man aus illegalen Stätten einen Gewinn für Naturfreunde wie die Biker-Szene schaffen kann, hätte Vermeulen ausgerechnet von seiner eigenen Heimatstadt Krefeld lernen können: Zwei Jahrzehnte lang lieferten sich MTBler und Stadt im Landschaftsschutzgebiet am Inrather Berg eine Art Räuber-und-Gendarm-Spiel – die einen bauten Strecken auf, die anderen rissen sie ab.

„Es wurde uns aber auch irgendwann zu doof“, meint Steve Misselwitz, zweiter Vorsitzender eines 2017 gegründeten Mountainbike-Vereins „Home Trail Krefeld“. Aus sieben Mitgliedern sind in nur zwei Jahren 65, inzwischen sogar 180 geworden. Mit der entsprechenden politischen Power.

Man sprach mit dem Forst- und Umweltamt der Stadt, mit Politik und Bürgern. Die Essenz: „Wir wollten jungen Leuten etwas bieten, die Natur sollte geschont werden – die Stadt wollte einen festen Ansprechpartner. Win-win“, schildert Misselwitz. Der Nabu hatte keine Einwände – ohne Auflagen ging es zur Gründung der Strecken im Juli 2019 dennoch nicht.

Wie Krefeld und Mountainbiker einen guten Deal schlossen

So müssen sich die MTBler auf drei Routen – immerhin gut 700 Meter – beschränken. Es gibt ebenfalls bestimmte Nutzungszeiten. Und die einstigen wilden Areale um den Hülser und Kapuziner Berg bleiben tabu. Der Verein sorgt für verkehrssichere Strecken, verhindert die Erosion auf der Schutthalde mit frischer Erde, die die Stadt sogar liefert. Und die Mitglieder beseitigen den Müll. Da kommen mehrere 1000 Euro im Jahr zusammen, die der Verein über Mitgliederbeiträge und Sponsoren trägt.

So sorgt „Home Trail Krefeld“ an Kreuzungswegen mit Fußgängern für Entschleunigung und Sicherheit. Wilde Sprungrampen aus Holz, wie es sie in Mülheim gab, bauen die Mitglieder aber lieber nicht – sie müssten vom Tüv abgenommen werden, meint Misselwitz. Also wird alles aus Erde gefertigt und kann „gerollt“ werden.

Für ein verletzungsfreies Fahren ist jeder selbst verantwortlich – auf großen Tafeln werden die drei unterschiedlichen Trails und die Nutzungsbedingungen erklärt, „wie auf jeder Ski-Piste auch“, erklärt der zweite Vereinsvorsitzende.

Der Inrather Berg könnte ein Vorbild für Mülheim werden

Seitdem habe die Nutzung der Strecke enorm zugenommen und die illegalen Pisten seien weniger geworden: Der Inrather Berg wirke für die Szene wie ein Magnet. Die Hälfte der Mitglieder sind übrigens Jugendliche – darauf ist Misselwitz auch stolz: „Wir bieten Trainings für ein verantwortungsvolles Fahren an, wir vermitteln Freude und Naturbewusstsein – das macht Spaß und gibt uns ein gutes Gefühl.“

Der Inrather Berg, er könnte ein Modell für Mülheim werden, ermutigt Misselwitz. Wenn auch aus nicht ganz uneigennützigen Gründen – abwechslungsreiche Strecken seien schließlich immer gefragt.