Mülheim. Überraschend hat die Stadt Mülheim die Bike-Strecke im Uhlenhorst dem Erdboden gleichgemacht. Die Wut ist groß, aber das Ende nicht besiegelt.

Die Fassungslosigkeit steht den Beobachtern noch ins Gesicht geschrieben, während die Ketten des schweren Baggers Lehmbodenhügel zerwühlen, sich in breiten Schneisen über Baumwurzeln und Farn wälzen, seine Schaufel die selbst gebauten Rampen aus Baumstämmen einkrachen lässt. Die Mountainbike-Bahn am Großen Berg, die seit Jahrzehnten vielen als „Sieben-Huckel-Bahn“ bekannt war, ist Geschichte.

Auch interessant

Gegen 10.30 Uhr zieht die mit dem Abriss der Piste beauftragte Firma ab, erscheint das Gelände im ,ursprünglichen Zustand’, das seinen Namen durch Bombentrichter im Zweiten Weltkrieg erhielt. „Hier ist durch diese Maßnahme mehr an Natur zerstört worden, als wir mit den Rampen angerichtet haben“, schüttelt Lucas (32) den Kopf.

Über Soziale Netzwerke verbreitet sich der Ärger rasant. Der 32-Jährige und einige andere Biker sind entsetzt über das, was sie völlig unerwartet am Montagmorgen mitansehen mussten. „Wir haben noch am Samstag für den Erhalt demonstriert...“, meint einer. Auch etliche Spaziergänger wollen ihren Augen nicht trauen: „Traurig“, kommentiert eine Frau.

Rampen, Hügel und Steilkurven hat der Bagger nun eingeebnet. Dabei kämpfte er sich auch über schmale „Trails“, die nun deutlich verbreitert worden sind.
Rampen, Hügel und Steilkurven hat der Bagger nun eingeebnet. Dabei kämpfte er sich auch über schmale „Trails“, die nun deutlich verbreitert worden sind. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Warum die Stadt ausgerechnet jetzt, nach vielen Jahren, handelte, verstehen viele nicht. Warum hat man die Piste nicht einfach abgesperrt oder ein Warnschild aufgestellt? So wie nach dem Pfingststurm Ela. Der Auslöser, so vermutet mancher, sei aus dem Kreis der Anwohner gekommen. Doch unter den Spaziergängern, die am Montagmorgen vor der zerstörten Strecke stehen, scheint es nur Befürworter des Bike-Parks zu geben.

Ein anderer sieht darin ein typisches Beispiel für ein oft rigoroses Handeln der Stadt. Dabei waren doch die politischen Versprechen zur Demo am Samstagnachmittag gegeben worden. SPD, FDP und CDU zeigten sich vor Ort einig, den Abriss bis zu einer politischen Entscheidung im Sportausschuss stoppen zu wollen. Werner Oesterwind (CDU) hatte prompt eine Rundmail an OB Marc Buchholz und den verantwortlichen Umweltdezernenten Peter Vermeulen und andere in der Verwaltung geschickt. Die Botschaft? Alles tun, was in der Macht steht, damit die Bagger stillhalten. Vorerst.

Die Einebnung des Bike-Parks mit schwerem Gerät hat deutliche Spuren hinterlassen: Baumwurzeln wurden freigelegt, ein Jungbaum ganz entwurzelt und Vegetation durch breitere Schneisen zerstört.
Die Einebnung des Bike-Parks mit schwerem Gerät hat deutliche Spuren hinterlassen: Baumwurzeln wurden freigelegt, ein Jungbaum ganz entwurzelt und Vegetation durch breitere Schneisen zerstört. © Locals | Locals

Und nun der Wortbruch? Der Umweltdezernent reagiert auf Anfrage zerknirscht: Der Auftrag zum Abriss der nach Landschaftsschutzgesetz illegalen MTB-Piste sei vor der Demo und der politischen Intervention erteilt worden. Vermeulen bedauert, dass es so gekommen ist, sieht sich aber als verantwortlicher Dezernent gezwungen, bei Gefahrenquellen unverzüglich handeln zu müssen. „Ich war selbst vor Ort und habe mich davon überzeugt“, versichert dieser.

Auch interessant

Die Mountainbike-Strecken hätten Spazierwege gekreuzt und seien für Spaziergänger schlecht einsehbar gewesen. Die von den Bikern selbst errichteten Rampen seien zudem statisch nicht geprüft gewesen. Eine Absperrung des Bereiches sei hingegen nicht umsetzbar, sagt Vermeulen gegenüber der Redaktion, bei einem Unfall hätte die Stadt in der Verantwortung gestanden. „Ich übernehme die Verantwortung für die Entscheidung, die Strecke zu entschärfen“, so der Dezernent.

OB äußert sich verärgert über das Vorgehen seines Dezernenten

Dass die Firma ausgerechnet am Montagmorgen den Auftrag erfüllte, sei – so Vermeulen – der Planung der Firma geschuldet. Nur: Offenbar hatte die Verwaltung es auch versäumt, die Auftragnehmer rechtzeitig über die neue politische Lage zu informieren.

Am Nachmittag im Jugendhilfeausschuss distanzierte sich OB Marc Buchholz deutlich vom Vorpreschen seines Dezernenten: „Die Verwunderung und Verärgerung ist auch beim OB mehr als groß“, sagte er. Es hieß, Vermeulen sei angewiesen worden, am Dienstag im Sportausschuss zugegen zu sein. Dort solle er erklären, warum er der Ansicht sei, dass die Verpflichtung zur Gefahrenabwehr aus seiner Sicht keinen Zeitaufschub mehr zugelassen habe. Der gesamte Jugendhilfeausschuss missbilligte Vermeulens Vorgehen.

Umweltdezernent kündigt Gesprächsbereitschaft an für Planung einer legalen Strecke

Politik empört über Verwaltungshandeln

„Die Sache hat ein Nachspiel“, kündigt die SPD bereits kurz nach Bekanntwerden der Einebnungsaktion an. Die SPD hatte gehofft, dass die nicht-legale Anlage bestehen bliebe, bis eine Einigung über Standorte für Parcours erzielt werde: „Durch das handstreichartige Vorgehen demonstriert der zuständige Dezernent Peter Vermeulen jedoch eine kaum noch zu überbietende Arroganz und Empathielosigkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern“, empört sich SPD-Fraktionsvorsitzende Margarete Wietelmann.

Sie fordert daher verwaltungsinterne Konsequenzen für den amtierenden Umweltdezernenten. „Hier ist der Oberbürgermeister gefragt. Wenn Marc Buchholz nicht den Eindruck erwecken will, dass Mitglieder seines Verwaltungsvorstandes völlig bürgerfern agieren, muss er ein klares Signal an die Öffentlichkeit senden“, stellt Wietelmann fest.

Auch die CDU- und Grünen-Fraktionsvorsitzenden Christina Küsters und Tim Giesbert kritisieren, dass Verwaltung „in einen laufenden Prozess eingreift und Fakten schafft, ohne dies mit der Politik zuvor abgestimmt zu haben. Das Verwaltungshandeln ist gefühllos und respektlos“.

Beide Fraktionen befürworten, dass die Verwaltung gemeinsam mit den jungen Leuten eine verträgliche Lösung erarbeitet. Dass eine legale Strecke mit Auflagen auch am bisherigen Standort eingerichtet wird, sei dabei auch nicht ausgeschlossen.

Linken-Bundestagskandidat Eliseo Maugeri zeigte sich „fassungslos“, in Mülheim gebe es ohnehin viel zu wenig Freizeitangebote für Jugendliche. Dezernent Peter Vermeulen zeige „eine Arroganz gegenüber den meist jugendlichen Nutzern“.

Der Ärger unter Bikern und der Politik ist groß, doch das Ende des Bike-Parks ist mit dem Abriss noch nicht besiegelt. Die Strecke könnte erhalten bleiben, kündigt der Umweltdezernent an, einer möglichen Herausnahme dieses Teils des städtischen Forsts aus dem Landschaftsschutz nicht entgegenstehen zu wollen. Das wäre die Voraussetzung für einen dann legalen Bike-Park. OB Buchholz sagte am Nachmittag im Jugendhilfeausschuss, dass er sich wünsche, dass Jugendliche Möglichkeiten hätten, ihren Sport auszuüben. Ob der Uhlenhorst das richtige Umfeld sei, müssten weitere Gespräche zeigen.

Und noch eine weitere Voraussetzung muss dafür gegeben sein: ein Mülheimer Mountainbike-Sportverein, der die Verantwortung für die Piste übernehmen müsste. Einen solchen will Max Reinartz gründen. Schon am Montagabend will der Mountainbiker die konstituierende Sitzung für die Gründung eines solchen Sportvereins in Mülheim einberufen und mit dieser Nachricht am Dienstag in die Sitzung des politischen Sportausschusses der Stadt gehen. Ein Bike-Park in Mülheim? Er könnte nach Jahrzehnten der Illegalität nun erst recht ins Rollen kommen.