Essen. Kindertheater, Musikprogramme, Lesungen: Veronika Maruhn und Kollegen starten in der Essener Gruga ein neues Kultur-Angebot in Corona-Zeiten.
Dass Theater mehr ist als die buchstäbliche Kirsche auf der Torte, kein nettes Extra, sondern ein unverzichtbares Grundbedürfnis, das hat in Corona-Zeiten so mancher gespürt. Für Veronika Maruhn und viele andere Künstler ist sie ein (Über)Lebensmittel, praktisch so unersetzlich wie ein Grundnahrungsmittel. Und so ziert eine dicke Kartoffel das Plakat für ein Kulturzelt-Event, mit dem die Essener Künstlerin und ihr Kollege Boris Quest ab dem 7. Oktober ein wichtiges (Überlebens)Signal aussenden wollen.
Denn wie viele Kreative fürchtet Veronika Maruhn in den kommenden Herbst- und Wintermonaten noch einmal einen dramatischen Einbruch der ohnehin schon geringen Auftrittsmöglichkeiten. Deshalb schlagen Maruhn und ein Dutzend Kollegen vom 7. und 11. Oktober ihr Theaterzelt am Haupteingang des Grugaparks auf.
Das Programm im Überblick
Überblick Kindertheater: Kühlschrankgeschichten (Theater Zebula), 7. 10., 15 Uhr. Die Geschichte vom Pinguin Fips und dem kleinen Eisbären Benno (Theater Zebula), 9. 10., 15 Uhr, „Kasperle und der kleine Drache (Bobori), 10. 10., 11 und 15 Uhr, Gebrüder Grimm (Theater Kreuz und Quer), 11. 10., 11 u. 15 Uhr.
Angebot Musiktheater: „In der Bar zum Krokodil“ (V. Maruhn/R. Dißelmeyer) 7. 10., 17 Uhr, Fraucontrabass (K. Debus/H. Höhn) 7. 10., 19.30 Uhr, „Warum Heinz mit Erhardt lacht“ (M. Ophelders/W. Schlütters) 8. 10., 17 Uhr, „Farben einer Nacht“ (teatro affetto), 8. 10., 19.30 Uhr, „Der singende Vorleser, (S. Domke/V. Maruhn) 9. 10., 19.30 Uhr, „Ol’ Blue Eyes/Hommage an Frank Sinatra“ (M. Ophelders/W. Schlütters), 10. 10., 19.30 Uhr.
Infos und Anmeldung unter www.theateristeinlebensmittel.de
Wer jetzt keine feste Spielstätte hat, wird womöglich lange keine Bühne mehr finden, könnte man frei nach Rilke formulieren. Die Herbst und Wintermonate, die für Hofkonzerte und andere Open-Air-Ereignisse denkbar ungünstige Voraussetzungen mitbringen, könnten die Kunst auch ohne einen neuerlichen Lockdown auf eine harte Probe stellen. Mit dem Zirkuszelt am Grugapark-Eingang wollen einige freie Ensembles nun zeigen, was trotzdem möglich ist: Kindertheater, Liederabende und eine Heinz Erhardt-Hommage stehen beispielsweise auf dem Programm, wenn neben Veronika Maruhn auch Essener Kollegen wie Kult-Autor Sigi Domke oder Schauspieler Michael Ophelders auf der Zeltbühne stehen. Und vielleicht sogar Weichen stellen für 2021, wenn mancher Zuschauer Geschmack bekommen haben dürfte am Kulturgenuss unter freiem Himmel .
Viele Künstler wünschen sich wieder Kontakt zum Publikum
„Wir wollen spielen, aber auch anderen Kollegen Auftrittsmöglichkeiten geben“,erklärt Veronika Maruhn, die ansonsten auf vielen Bühnen zu Hause ist, mit ihrem Theater Zebula Kindertheater zeigt und Liederabende für die Großen. Mit Ausbruch der Corona-Pandemie aber „hagelte es nur noch Absagen“, erzählt die Essenerin. In den ersten drei Monaten des Lockdowns hat sie deshalb mit einem Pianisten zusammen Freitagabendkonzerte in der eigenen Straße gegeben, während die Pandemie viele andere spannende Projekte zunichte gemacht hat. Nicht nur wirtschaftlich sei das eine extrem schwierige Situation. „Ich habe auch gemerkt, wie sehr mir der Kontakt zum Publikum fehlt“, sagt Veronika Maruhn.
Deshalb sollen die Zuschauer nun mit Sicherheit wieder kommen. Rund 40 Besucher finden pro Vorstellung im Zelt Platz. Für Abstand und Durchlüftung ist gesorgt, Maskenpflicht herrscht auf allen Wegen bis zum Platz. Gegen ein erstes Herbstfrösteln helfen dicke Decken. Und durch die vorherige Anmeldung können Familien und gemeinsame Haushalte auch zusammensitzen. Es gibt Mittags-, Nachmittags- und Abendvorstellungen.
Programme drehen sich um Heinz Erhardt und Frank Sinatra
Unterstützt wird das Theaterzeltprojekt aus dem Sonderfonds Kultur der Stadt Essen. Was abzüglich Zeltmiete und Grugapark-Pacht noch an Ticket-Einnahmen übrig bleibt, werde am Ende unter allen Beteiligten solidarisch geteilt. Das Statement ist Maruhn wichtig in einer Zeit, in der längst nicht jeder Künstler von der finanziellen Soforthilfe des Landes oder den NRW-Stipendien profitieren konnte.
Und in der viele Bühnenprofis dennoch nicht den Humor verlieren wie Schauspieler Michael Ophelders, der das Publikum im Theaterzelt beispielsweise zu einer launigen Vorlesung über Heinz Erhardt lädt. In dem bundesweit erfolgreich gespielten Programm verwandelt sich Ophelders in den Humor-Gelehrten Prof. Maximilan Busch und fügt Biografie, Lieder und Gedichte des prominenten Spaßmachers mit einem Augenzwinkern zusammen. Ähnlich konzipiert ist der Abend „Ol’ Blues Eyes“, bei dem Ophelders das Publikum als Sinatra-Double in Gedankengänge und Werk des schillernden Entertainers einführt. Der Abend hat am 12. März dieses Jahres im Theater Mönchengladbach noch seine Premiere erlebt. Es war die letzte Vorstellung für lange Zeit.