Mülheim. Seit 2012, als der Stadtrat Baudezernentin Sander schasste, wirken in Mülheims Rathaus vier Beigeordnete. Warum es jetzt einer mehr sein soll.

Stadtdirektor und Krisenstabsleiter Frank Steinfort hatte zuletzt seine Klage über eine zu hohe Arbeitsbelastung mehrfach öffentlich gemacht, jetzt wird sie erhört. Das Ratsbündnis aus CDU und Grünen will aber nicht nur die vakante Stelle im riesigen Sozialdezernat endlich neu besetzen, sondern gar noch eine hoch dotierte Dezernenten-Stelle oben draufpacken. In einem aktuellen Antrag benennen sie dafür mehrere Gründe.

Seit Marc Buchholz nach der Kommunalwahl im September 2020 vom Chefsessel des Mega-Dezernates für Bildung, Soziales, Jugend, Gesundheit, Sport und Kultur ins OB-Amt gewechselt ist, werden die Fachgebiete und ihre mitunter volumenträchtigen Etats interimsweise von den verbliebenen Dezernenten Peter Vermeulen, Frank Steinfort und Frank Mendack sowie von OB Buchholz mitgemanagt.

Mülheims Krisenstabschef und Stadtdirektor hatte im Mai hohe Arbeitsbelastung beklagt

Stadtdirektor Steinfort, seit Beginn der Corona-Pandemie und in seinen letzten Dienstjahren noch dazu als oberster Krisenmanager vielfach in Verantwortung, hatte zuletzt seinem Frust über überbordende Arbeitsbelastung und Dinge, die notgedrungen unbearbeitet liegen bleiben müssten, gar öffentlich Luft gemacht, als es um die Frage ging, warum er als Krisenstabsleiter nicht früher auf die mutmaßliche Erkenntnis reagiert habe, dass es in der Krisen-Kommunikation offenbar an Zugang in bestimmte migrantische Milieus mangele.

Mülheims Mega-Dezernat mit Bildung, Soziales und Co. ist seit Oktober 2020 unbesetzt. Auf Buchholz’ Initiative hin hatte die Ratsmehrheit gar eine Wiederbesetzung hinausgeschoben, um mit dem eingesparten Geld etwa den Mülheimer Karneval in der Krisenzeit finanziell zu unterstützen. „Eine Nachbesetzung ist dringend erforderlich“, lautete Steinforts Alarmruf Anfang Mai. Da sagte OB Buchholz noch, dass die Arbeitsbelastung „sicher besonders“ sei, die Verwaltungsspitze wisse aber hinter sich eine starke Schar an Amtsleiterinnen und -leitern, auf die Verlass sei.

2012 hatten SPD und CDU die Zahl der Dezernenten reduziert

Nun ergreifen CDU und Grüne die Initiative und greifen Steinforts öffentlichen Ruf nach personeller Verstärkung auf. Das Ratsbündnis will gar zwei neue Dezernenten ins Rathaus holen – und so auf den Stand zurück von Anfang 2012, als die Verwaltung noch fünf Dezernenten hatte. SPD und CDU hatten seinerzeit aber ein Dezernat zur Sparmaßnahme deklariert und die insbesondere bei der CDU schlecht gelittene grüne Baudezernentin Helga Sander mit einem Paukenschlag vor die Tür gesetzt.

Nun steht der Salto rückwärts bevor. Die Grünen, seit dem Weggang Sanders nicht mehr im Verwaltungsvorstand vertreten, dürften Ansprüche geltend machen, auch auf Frauenpower in der Rathaus-Führung drängen, die seit dem Sander-Aus komplett in Männerhand liegt.

CDU und Grüne wollen das Mega-Dezernat mit Sozialem, Bildung und Co. aufspalten

Erst einmal steht aber das Vorhaben, gleich zwei neue Dezernentenstellen besetzen zu wollen, womit auch eine neue Aufgabenverteilung vorzunehmen wäre. Für die Ratssitzung am 1. Juli machen CDU und Grüne dafür einen gemeinsamen (und dann auch mehrheitsfähigen) Vorschlag: Das Mega-Dezernat V, bis zur Kommunalwahl von Buchholz verantwortet, soll demnach aufgespalten werden – in ein Dezernat für Kinder, Jugend und Schule sowie Sport, Hygiene (Gesundheit) und Kultur und in ein Dezernat für Soziales und Beschäftigung.

Die anderen Dezernate befänden sich in ihrer Aufgabenfülle „bereits am Limit“, heißt es da. Die CDU sieht sich so veranlasst zur Kehrtwende zu dem von ihr 2011 mitgetragenen Beschluss, die damaligen Dezernate IV (Bildung, Jugend und Kultur) und V (Soziales, Beschäftigung, Gesundheit und Sport) zusammenzulegen.

Bündnis sieht „erhebliche Herausforderungen“, die einer alleine nicht schaffen könne

„Der bisherige Geschäftsbereich des Dezernates V steht nicht nur infolge der Auswirkungen der Corona-Pandemie vor erheblichen Herausforderungen“, heißt es in der Antragsbegründung von CDU und Grünen. Die Koalitionäre führen Mammutaufgaben der näheren Zukunft auf, die allesamt nicht von einem einzigen Dezernenten zu stemmen seien.

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Genannt werden da der Ausbau des Offenen Ganztags hin zum 100-Prozent-Betreuungsanspruch ab 2025 und die neue Bildungsentwicklungsplanung (etwa G8/G9), dazu die dringend notwendige Neuaufstellung des Gesundheitsamtes, die Jugendhilfe, „die die Folgen der Pandemie im Wege veränderter Betreuungsstrukturen systematisch abmildern“ müsse oder die angestoßene Neuorganisation im Sozialbereich mit den Umwälzungen etwa im Jobcenter.

Höhere Personalaufwendungen (circa 130.000 Euro für eine weitere Dezernentenstelle) hält das Ratsbündnis trotz der hohen Verschuldung der Stadt für vertretbar.