Mülheim. Selbstbewusst stellt sich die Grünen-Bundestagskandidatin Franziska Krumwiede-Steiner zur Wahl. Wie sich Berlin für Mülheim rechnen soll.

An Enthusiasmus für die Bundestagswahl im September mangelt es den Mülheimer Grünen gerade nicht: „Ich will nach Berlin, gerade weil ich Bock auf Kommunalpolitik habe“, geht Spitzenkandidatin Franziska Krumwiede-Steiner selbstbewusst nach vorne. Bundesweit unterwegs zu sein, aber lokal zu handeln – das muss offenbar kein Widerspruch sein. Für die 35-Jährige heißt das zum Beispiel, mehr Fördermittel im Kinder- und Jugendbereich nach Mülheim zu holen: „Mein wichtigstes Ziel als Bundestagsabgeordnete wäre es, dass Mülheim nicht mehr die Liste der Kinderarmut anführt.“

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„Ich will alle Projektmittel abgrasen, damit Jugendliche in Mülheim mehr Förderung erhalten“

Als augenblicklich Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses und stellvertretende Vorsitzende im Bildungsausschuss ist die Grüne seit der Kommunalwahl 2020 noch näher am kommunalpolitischen Thema Kinder und Jugend sowie der Bildungssituation. Den „Durchblick“, sagt Krumwiede-Steiner, will sie nutzen, um in Berliner Ausschüssen, besonders der Kinderkommission an den Stellschrauben zu drehen, die sich auf die Kommune auswirken. Oder mal locker gesprochen: „Alle Projektmittel dafür abgrasen, die dazu führen, dass Jugendliche und Kinder lokal mehr Förderung erhalten.“

Einen Anspruch auf OGS-Betreuung, die Stärkung des Bildungssektors, mehr Chancengleichheit und die Stärkung von Rechten und Mitsprache von Kindern und Jugendlichen umsetzen – Krumwiede-Steiners Schwerpunkt ist deutlich. Als noch Referendarin und Mutter von zwei Kindern kann sie ihre persönliche Erfahrung einbringen. „Ich habe zum Glück ein gutes Betreuungsnetzwerk. Aber ich weiß von meinen Nachbarn, dass viele, vor allem Alleinerziehende darum kämpfen müssen, Beruf und Kinder unter einen Hut zu bringen.“

Sie hat „Bock“ auf Berlin und Mülheim: Franziska Krumwiede-Steiner will sich als mögliche künftige Bundestagsabgeordnete der Mülheimer Grünen für Kinder und Jugendliche stark machen.
Sie hat „Bock“ auf Berlin und Mülheim: Franziska Krumwiede-Steiner will sich als mögliche künftige Bundestagsabgeordnete der Mülheimer Grünen für Kinder und Jugendliche stark machen. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Als Bundestagsabgeordnete stünde ihr auch ein Wahlkreisbüro vor Ort zu. Das will Krumwiede-Steiner als Forum für Probleme der Jugend- und Kinderbetreuung nutzen und um weitere Vernetzungen zwischen Kinder- und Jugendeinrichtungen anzukurbeln.

Wie steht es um die grüne Doppelspitze in Mülheim?

Wie aber steht es dann um ihre Mandate und die Doppelspitze der Mülheimer Grünen? „Wir besprechen gerade im Vorstand, was sich miteinander vereinbaren lässt“, antwortet die grüne stellvertretende Fraktionsvorsitzende.

Und da wäre noch die entscheidendere ,Absprache’ mit dem Wähler, sprich: Wie stehen überhaupt die Chancen für ein Direktmandat? Zur Bundestagswahl 2017 landete die Grüne in Mülheim nur auf Platz sechs hinter den Linken und sogar der AfD. SPD-Kandidat Arno Klare holte damals die meisten Stimmen.

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Grüne gleiten in Mülheim wie bundesweit auf einem nie dagewesenen Auftrieb

Doch die Zeiten haben sich seitdem drastisch geändert: Die SPD steht im Bund nur noch bei knapp 16 Prozent. In Mülheim kassierten die Genossen trotz deutlicher Umwälzung an der Basis, mancher neuer Gesichter in der Fraktion und einer versierten OB-Kandidatin eine deftige Schlappe. Die CDU schwankt aktuell in der Wählergunst zwischen mal 28 und mal 25 Prozent – und damit hinter der einstigen „Öko-Partei“.

Die Grünen hingegen haben bundes- wie kommunalpolitisch einen nie dagewesen Auftrieb erlebt. In Mülheim rauschten sie vor gut einem Dreivierteljahr nur ganz knapp am Siegertreppchen der stärksten Fraktion vorbei, doch im kommenden September und angesichts der aktuellen Schwäche der Schwarzen könnte es für den Stimmensieg reichen.

Alternativ liegt Krumwiede-Steiner auf Platz 29 der Landesliste – das ist exakt die Zahl der Sitze, die die NRW-Grünen nach aktuellen Prognosen im Bundestag hätten. Eine knappe Sache. „Es hängt davon ab, wie stark die CDU wird“, glaubt die 35-Jährige.

Als Koalitionspartner schließt Krumwiede-Steiner nur einen aus: die AfD

Schneller politischer Aufstieg in Mülheim

Franziska Krumwiede-Steiner ist 1985 in Ingolstadt geboren. 2007 zog sie nach Mülheim, studierte Deutsch, Geschichte und Latein.

Schnell stieg sie bei den Mülheimer Grünen auf: 2012 wurde sie bereits Vorstandssprecherin im Kreisverband, 2014 stellvertretende Sprecherin der Ratsfraktion.

Kommunal leitet sie als Vorsitzende den Jugendhilfeausschuss, ist 1. stellvertretende Vorsitzende im Bildungsausschuss und Mitglied im Hauptausschuss, Ausschuss für Bürgerangelegenheiten, Sicherheit und Ordnung sowie im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Apropos: In Mülheim koalieren die Grünen mit der CDU, auch im Bund bahnt sich das schon aufgrund von Mehrheitsverhältnissen an. Eine Vorentscheidung? „Alle Koalitionen im demokratischen Spektrum sind möglich, auch Rot-Rot-Grün“, schließt Krumwiede-Steiner nur die AfD als Partner aus. Dass die grüne Politikerin auch mit der SPD kann, zeigte sie im virtuellen Gespräch auf Instagram mit dem Mülheimer Bundestagskandidaten Sebastian Fiedler. „Uns ist die Umsetzung unserer Ziele wichtig, idealerweise im Verhältnis 70 zu 30 – am Ende steht immer auch der Kompromiss.“

Zu guter Letzt: Was will die Bundestagskandidatin für das klassische Grünen-Thema tun, also das Klima? „Ich setze mich für Klimagerechtigkeit ein, indem ich für Kinderrechte weltweit kämpfe. Dazu gehört auch ein wirksames Lieferkettengesetz. Damit schützen wir gleichzeitig die Umwelt, schaffen Strukturen gegen Kinderarbeit und bekämpfen klimabedingte Fluchtursachen.“