Mülheim. Ein „Bündnis gegen Kinderarmut in Mülheim“ soll gegründet werden - das fordern jetzt SPD, CDU und Grüne gemeinsam. Noch eine Arbeitsgruppe?

Kinderarmut ist ein Thema, das der Stadt Mülheim regelmäßig negative Schlagzeilen beschert. Und das seit Jahren. Jetzt wollen die drei großen Fraktionen SPD, CDU und Grüne ein „Bündnis gegen Kinderarmut in Mülheim an der Ruhr“ gründen. Der Antrag ist formuliert, der Rat soll am 3. September darüber entscheiden.

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Die Verwaltung soll auf Wunsch der drei Fraktionen dieses Bündnis organisieren, an dem „alle Akteure, die das Handlungsfeld tangiert“ gleichermaßen beteiligt werden. Namentlich genannt werden das Jugend-, Schul-, Sozial- und Gesundheitsamt, Jobcenter und Kommunales Integrationszentrum. Aber auch Kinder und Jugendliche selbst sollen mitwirken - „mittels geeigneter Beteiligungsformate“, wie es heißt. Ebenso die Träger der freien Wohlfahrtspflege und Vertreter der Ratsfraktionen.

Mülheimer Kinder und Jugendliche sollen im Bündnis gegen Armut mitarbeiten

Dieses Bündnis soll dann endlich das Handlungskonzept gegen die Folgen der Kinderarmut entwickeln, das der Rat bereits am 10. Oktober 2019 beschlossen hat. In der Begründung zum gemeinsamen Antrag heißt es: Zwar gebe es schon ein Problembewusstsein in Sachen Kinderarmut und „einen Kern an Akteuren“, der in die kommunale Präventionspolitik einbezogen ist, aber noch hätten sich „Präventionsketten“ nicht vollständig etabliert, nur als einzelne Glieder. Daher sei ein Gesamtkonzept nötig. Die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse aus dem Programm „Kein Kind zurücklassen“ sollen dabei berücksichtigt werden.

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Nach aktuellen Zahlen des Sozialamtes lebten Ende vergangenen Jahres knapp 28.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in Mülheim. Fast zeitgleich hat die Bertelsmann-Stiftung eine Erhebung gemacht, die viele aufschreckte: Im Dezember 2019 lebten danach 27,6 Prozent der unter 18-Jährigen hier in der Stadt in Familien, die Sozialleistungen beziehen. Tendenz steigend. Die Bertelsmann-Experten sehen die Corona-Pandemie als weiteren Gefährdungsfaktor, weil sie viele Arbeitsplätze vernichtet.

Kinderarmut ist auch Thema im Kommunalwahlkampf

Die Kreissprecherin der Linken, Andrea Mobini, hatte die wachsende Kinderarmut in Mülheim kürzlich noch als „hausgemachten Skandal und politisches Versagen“ heftig kritisiert. Ihre Äußerungen hatten umgehend Widerspruch der Grünen provoziert. Deren stellvertretende Fraktionsvorsitzende Franziska Krumwiede-Steiner hatte entgegnet, dass die bundespolitischen Rahmenbedingungen Hauptursache der Misere seien: Es sei höchste Zeit etwa für die Einführung einer Kindergrundsicherung. Kinderarmut ist auch ein Thema im Kommunalwahlkampf, dem sich mehrere Parteien, darunter die Grünen, mit Nachdruck widmen wollen.

Der Ratsbeschluss, der ein Handlungskonzept fordert, jährt sich im Oktober. Ein Konzept ist nicht in Sicht. Die Verwaltung ist aber nicht ganz untätig geblieben: Im Jugendhilfeausschuss wurde jetzt ein elfseitiger Bericht zum Thema präsentiert, verfasst vom städtischen Sozialplaner Jörg Marx. Darin werden noch einmal die Ziele eines Handlungskonzeptes klar benannt: Positive Zukunftschancen für alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft; Förderung ihrer Bildung und Gesundheit von der Geburt bis zur Ausbildung.

„Weit geöffnete Schere“ zwischen den Stadtteilen

Der Bericht bremst Erwartungen: Die „weit geöffnete Schere“ zwischen den Stadtteilen, zwischen Nord und Süd werde sich mit kommunalen Anstrengungen alleine nicht schließen lassen. „Solange es nicht gelingt, möglichst viele Menschen in auskömmliche Beschäftigung zu bringen, werden sich die Zahlen der von Armut betroffenen Menschen nicht wesentlich ändern.“ Zugleich stellt der Bericht klar, dass sich „arme“ Kinder nicht nur in Familien mit geringem Einkommen finden. Und dass es eine Reihe kommunaler Fördermöglichkeiten gibt, von der Schwangerschaft bis ins junge Erwachsenenalter (Stichwort: MH/0/25), die noch besser miteinander verzahnt werden müssten.

Kritik im Ausschuss: Endlich handeln, weniger Papier!

Im Jugendhilfeausschuss wurde der Bericht zur Kenntnis genommen, aber eine inhaltliche Diskussion blieb aus. Kritik kam von Seiten der freien Träger. So fragte Georg Jöres als Vertreter der Caritas: „Warum gelingt es uns nicht, vom Abstrakten endlich auf die Handlungsebene zu kommen?“ Torsten Schrodt, der für den Stadtjugendring im Ausschuss sitzt, erklärte: „Diese Stadt braucht keine weitere Arbeitsgruppe. Bitte konkret rangehen. Weniger Papier!“

Am Freitag befasst sich der Sozialausschuss mit dem Bericht. In der Ratssitzung am 3. September soll dann das Bündnis gegen Kinderarmut auf den Weg gebracht werden. Eine weitere Arbeitsgruppe.