Mülheim. Die Massenschlägerei unter Jugendlichen am Mittwoch wirft Fragen auf. Händler beobachten mit Sorge regelmäßigen Zoff und fordern mehr Polizei.

  • „Streit unter Heranwachsenden“ führte zur Massenschlägerei an der Haltestelle Mülheim-Stadtmitte
  • Händler beobachten die Entwicklung von Jugendgruppen seit Jahren mit Sorge
  • Die Polizei nahm vier Personen vorläufig fest
  • Beteiligt waren Jugendliche ohne Migrationshintergrund und mit irakischem Hintergrund

Den Kaufleuten im Umfeld der Haltestelle Mülheim Stadtmitte steckt die Massenschlägerei unter mutmaßlich 50 bis 100 Jugendlichen am vergangenen Mittwoch noch in den Knochen. Dabei zeigt sich im Gespräch mit Händlern, dass die Situation umherstreifender Jugendgruppen seit Jahren für Ärger sorgt. „Wir brauchen eine Polizeistreife genau hier“, zeigt ein Ladenbesitzer mit Migrationshintergrund entschlossen auf die Kreuzung an der Haltestelle, „sonst gehört dieser Bereich endgültig den Jugendbanden. Weil sich abends sonst niemand mehr hierhin traut.“

Nicht nur „junge Männer mit Migrationshintergrund“

Ist das nicht schon der Fall? Die Schlägerei am späten Mittwochnachmittag, die laut Polizei aus einem „Streit unter Jugendlichen“ resultierte, der dann schnell auf Dutzende junge Leute eskalierte, ist für manche Geschäftsleute ein Stück schlimmer Alltag.

Die Polizei nahm vier Männer in Gewahrsam. Unter den Beteiligten sollen nach aktuellen Erkenntnissen Jugendliche ohne Migrationshintergrund sowie mit irakischem Hintergrund gewesen sein.
Die Polizei nahm vier Männer in Gewahrsam. Unter den Beteiligten sollen nach aktuellen Erkenntnissen Jugendliche ohne Migrationshintergrund sowie mit irakischem Hintergrund gewesen sein. © ANC

Im nahen Kiosk spricht eine Mitarbeiterin von regelmäßigen Treffs von Jugendlichen mit häufigen Schlägereien an den Wochenenden im Umfeld der Haltestelle: „Das ist ihr Mittelpunkt“. Ein nicht geringer Teil soll gerade einmal zwischen 12 und 14 Jahren alt sein. Seit Corona seien die Rangeleien etwas seltener geworden, aber es gebe sie nach wie vor.

Und das ist offenbar keine alleinige Sache der berüchtigten „jungen Männer mit Migrationshintergrund“, auch Mädchen mischten dabei mit, egal ob mit oder ohne Migrationsgeschichte. Auch seien nicht nur Mülheimer unter ihnen, will sie wissen. Die Jugendlichen kämen aus Essen, Duisburg, Oberhausen.

Händlerin beobachtet: „Es wird häufig gemobbt“

Manche der Jugendgruppen hätten Messer dabei, Alkohol und auch Drogen gingen rum. „Es werden häufig Kleine gemobbt“, sagt sie. Offenbar gibt es keinerlei Kontrolle durch die Eltern oder Angehörigen. Auch die soziale Kontrolle scheint an diesem Ort, wo Menschen kommen und gehen, zu fehlen.

In einem Fall eines jungen Mädchens in ihrem Laden sei sie eingeschritten, „lasst sie in Ruhe“, habe sie die Jugendlichen angeschrien. Die ließen dann davon ab. „Die wollen hier cool sein – zuhause bei ihren Eltern verhalten die sich anders“, meint die Frau. Und doch, glaubt sie, müssten die Polizei und das Ordnungsamt hier viel strenger durchgreifen.

Das denkt auch eine Ladeninhaberin ein paar Meter weiter: Sie erzählt noch mit Schreck in den Knochen von den brutalen Ausschreitung am Mittwochnachmittag gegen 18 Uhr. „Sie haben sich so dermaßen geprügelt… Ein paar von ihnen haben eine junge Frau mit dem Kopf gegen die Scheibe der Kofferecke geschlagen.“ Aus Angst hatte sie ihren Laden abgeschlossen, „sonst hauen die mir noch alles kaputt“.

Polizei schlichtete mit großem Aufgebot

Mit etlichen Einsatzwagen brachte die Polizei die Schlägerei unter Kontrolle, in die sich auch erwachsene Erziehungsberechtigte eingemischt haben sollen. Die Polizei bestätigt ebenso, dass in der Gruppe auch Minderjährige im Alter von 12 bis 14 Jahren gewesen sind. Unter den Verletzten mussten zwei Männer (15 und 20 Jahre) sowie eine Frau (18) in ein Krankenhaus gebracht werden.

Vier junge Männer (19, 20, 24, 37 Jahre) wurden in Gewahrsam genommen, die offenbar beteiligt waren. Doch etliche weitere seien bereits in alle Himmelsrichtungen geflohen, als sie die Einsatzwagen hörten, so dass die Beamten nur noch etwa 30 Jugendlichen gegenüber standen.

Gegen 19.10 Uhr konnte die Polizei den öffentlichen Nahverkehr an dieser Stelle zwar wieder freigeben. Die Einsatzkräfte blieben aber danach noch eine Zeit lang in der Stadt, aus Sorge, die Prügeleien könnten sich an anderer Stelle fortsetzen.

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Wer die Jugendlichen sind, können die Händler nicht sagen. Nur, dass das Problem seit etwa zwei Jahren bestehe. Mancher sagt, die jungen Leute sprächen alle Deutsch, andere behaupten, einige sollen Arabisch gesprochen haben. Die Polizei hat bei ihren Ermittlungen bislang festgestellt, dass es sich zumindest bei den bekannten Jugendlichen um Deutsche ohne Migrationshintergrund sowie mit irakischer Herkunft handelt. Hinweise auf einen Streit unter Clans gebe es aktuell nicht. Vieles ist aber noch unbekannt wie etwa die Gründe für den Streit.

Doch ein paar von ihnen tauchten auch sonst den Tag über auf sagt eine Händlerin, „allein verhalten sie sich friedlich“. Die Stadt müsse sehr aufpassen, meint ein anderer Händler, die Lage sei nicht unter Kontrolle. Die Polizeiwache ums Eck, wo Ruhrbania ein exklusives Wohnen verspricht, bekomme doch die Situation nicht mit.

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Ist die Kontroll-Decke zu kurz?

Dabei ist das Thema nicht neu: Vor gut drei Jahren hatte die Polizei eine spezielle Einsatztruppe für die Sicherheitsprobleme in der Mülheimer Innenstadt gegründet. „SIE“, ein Akronym für Styrum – Innenstadt – Eppinghofen, sollte den Beschwerden von Bürgern nachgehen, die sich in der Innenstadt unsicher fühlen.

Doch die im Kern nur acht Beamten müssen ein weites Areal überwachen: „Sie können nicht überall sein und sind auf die Hinweise angewiesen“, erläutert Polizeisprecher Pascal Schwarz-Pettinato. Dann würden Schwerpunkte eingerichtet. Doch reicht diese Decke aus? Ist mehr Polizei überhaupt der richtige Ansatz oder wäre eher mehr Jugend- und Sozialarbeit von Nöten?

Noch im vergangenen Februar hatte die SPD im Hauptausschuss den Antrag auf die Einrichtung eines weiteren Streetworkers mit Fokus auf die Innenstadt und Styrum gestellt. Die Idee der Genossen war es, eine Ansprechperson für weibliche Jugendliche einzustellen. Der Antrag wurde mit Hinweis auf die Kosten und die Befristung mehrheitlich abgelehnt: Dies stünde, so die Begründung, „zu einer kontinuierlichen und verlässlichen Arbeit in dieser auf Beziehungsebene stattfindenden Vertrauenstätigkeit im Widerspruch“.