Seit einem Jahr versucht eine spezielle Einsatzgruppe der Polizei Sicherheitsprobleme in Mülheims Innenstadt zu lösen. Eine Zwischenbilanz.

Mülheim. „Wenn wir nicht am Ball bleiben und enorme Energie einbringen, werden die Probleme sehr, sehr viel größer.“ Mit diesen Worten beschreibt Susanne Skorzik, Leiterin der Mülheimer Polizeiwache, die Sicherheitslage in der Innenstadt. Seit einem Jahr nun ist eine spezielle Projektgruppe bei der Polizei eingerichtet, die die Lage im Griff halten soll. Im Gespräch mit dieser Zeitung zogen Skorzik, Inspektionsleiterin Claudia Schepanski und der operative Leiter der Gruppe eine Zwischenbilanz.

Beschwerden von Bürgern, die sich in der Innenstadt unsicher fühlen, gibt es schon lange. Vor einem Jahr sah sich die Polizei veranlasst, das „Dunkelfeld“ der Kriminalität aufzuhellen. Sie gründete jene Projektgruppe, bestehend aus Freiwilligen, im Kern acht Beamte.

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„Es war einiges eingeschlafen wegen unserer Personalknappheit“

Zusätzliches Personal gab’s dafür nicht. „Wir haben es als Sonderaufgabe aber als notwendig erachtet, es war einiges eingeschlafen wegen unserer Personalknappheit“, so die Chefin der Mülheimer Polizeiinspektion, Claudia Schepanski.

Die Projektgruppe ist dafür da, dort intensiver hinzuschauen, wo Probleme sich häufen. Das gesamte Stadtgebiet kann Einsatzgebiet sein, neben der Innenstadt nahm die Task Force auch schon mal Styrumer Ecken oder den Bereich rund um den U-Bahnhof Heißen Kirche näher in Visier.

Polizei glaubt, offenen Drogenhandel verdrängt zu haben

Mai 2017: Zwei rivalisierende Familienclans lieferten sich am Dickswall eine Massenschlägerei.  
Mai 2017: Zwei rivalisierende Familienclans lieferten sich am Dickswall eine Massenschlägerei.   © Justin Brosch

Der Schwerpunkt im ersten Jahr lag aber in der Innenstadt, wo die Polizei feststellen musste, dass sich im Bereich von Hauptbahnhof und Forum gar schon ein offener Drogenhandel breitgemacht hatte. Gedealt worden sei hauptsächlich mit Marihuana, aber auch mit Heroin, so Skorzik.

Mit deutlich verstärkter Präsenz zu verschiedenen Tageszeiten sei es gelungen, die Betäubungsmittel-Kriminalität zumindest aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen, heißt es. Es habe Strafanzeigen gegeben, einige der Dealer seien auch in U-Haft gekommen.

Geringe Hemmschwellen: Aggressivität gegen Beamte wächst

Der Chef der Task Force, der seinen Namen nicht öffentlich lesen will, berichtet davon, dass es die Polizei vor Ort mitunter mit massiver Gegenwehr zu tun bekommen habe. Im Februar sei ein Beamter im Einsatz verletzt worden. „Das Aggressionspotenzial ist hoch“, sagt Skorzik. Es gebe viele Beispiele, dass es bei Tätern eine „niedrige Hemmschwelle gibt, Widerstand zu leisten, um nicht festgenommen zu werden“.

Die fast tägliche Präsenz zwischen Kurt-Schumacher-Platz und Hauptbahnhof habe dazu geführt, dass auch andere Straftaten aufgeklärt worden seien, etwa Diebstahlsdelikte. Auch überörtlich agierende Trickbetrüger habe man nach einem versuchten Diebstahl überführen können. „Fast täglich schreiben wir Strafanzeigen“, so der Gruppenleiter. Das sei ein fast zwangsläufiges Ergebnis der erhöhten Kontrolldichte.

Polizei hat verschiedene Gruppen im Visier

Aktuell weiter Probleme machen Gruppen junger Männer, die immer wieder durch „Rohheitsdelikte“ auffallen. Raub, Körperverletzung, das Mitführen von Messern, Streitigkeiten, Ruhestörung – die Liste der Vergehen ist lang.

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Die Personen werden abgetastet. Foto: Anne Orthen
Von Nikos Kimerlisund Mirco Stodollick

Besonders auffällig sei eine Gruppe von zehn bis zwölf Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 17 Jahren und aufwärts, „fast ausschließlich Migranten“, auch mit Bezügen zu den hiesigen Familienclans, so Skorzik aber mit dem Verweis, dass bei den Problemen in der Innenstadt grundsätzlich von einer „Gemengelage von deutschen und ausländischen Staatsangehörigen“ auszugehen sei.

Zwei Männer standen sich mit einem Messer und einem ausgerollten Gürtel gegenüber

Den Bereich rund um den Hauptbahnhof haben Polizei, Bundespolizei und Ordnungsamt seit Längerem als Problemzone ausgemacht.
Den Bereich rund um den Hauptbahnhof haben Polizei, Bundespolizei und Ordnungsamt seit Längerem als Problemzone ausgemacht. © WAZ FotoPool | Archiv, Oliver Müller

Besagte Gruppe hatte etwa im März 2018 Schlagzeilen gemacht, als sich zwei junge Männer abends am Hauptbahnhof mit einem Messer und einem ausgerollten Gürtel gegenüberstanden und wohl nur ein Sicherheitsdienst Schlimmeres verhindern konnte. Der Ermittlungskommission Jugend ist es laut Skorzik zuletzt gelungen, dass zwei der „Hauptaggressoren“ aus besagter Gruppe in Untersuchungshaft kamen.

Auf weitere Gruppen Jugendlicher und junger Männer ab 15 Jahren hat die Einsatzgruppe der Polizei ein Auge. Sie fielen durch Kleinkriminalität und Ordnungswidrigkeiten auf. So eine Truppe von zehn bis 15 Jugendlichen, „die sich ohne jegliche sinnvolle Freizeitbeschäftigung in der Stadtmitte aufhalten“, je nach Wetter pendelnd zwischen Hauptbahnhof, Forum, Schloßstraße, Haltestelle Stadtmitte und Ruhr. Es gibt die Sorge, dass die jungen Menschen „noch weiter abrutschen“.

Polizei sieht Probleme auch als Folge der Innenstadt-Krise

Man sei in dieser Sache in engem Austausch mit der Stadt, insbesondere mit dem Jugendamt, so Skorzik. Anfang des Jahres hatte etwa die „Werkstatt Solidarität“, eine Anlaufstelle an der Leineweberstraße, eröffnet. Sie betreut auf Vermittlung des Jugendamtes „Straßenkinder“ unter 18 Jahren. Pädagogen und Streetworker sind im Einsatz. Überlegt werde auch, ein Jugendcafé zu etablieren.

Dass es Sicherheitsprobleme ist der Innenstadt gibt, ist für Skorzik auch Folge der Innenstadt-Krise. Eine Buchhandlung oder eine Metzgerei seien nun mal weniger als Rückzugsmöglichkeit für Kriminelle geeignet als Shisha-Bars oder Spielhallen.

„Wir werden ganz offen und weiter massiv Präsenz zeigen“

„Wir werden ganz offen und weiter massiv Präsenz zeigen“, sagt der Projektgruppen-Chef, gleichzeitig aber betonend, dass es in Mülheim „definitiv keine Bereiche gibt, wo Bürger nicht hergehen können“.