Essen. Ginge es nach den Hausärzten, könnte die Zahl der Corona-Impfungen wöchentlich um eine Million steigen. Doch es hakt beim Piks in den Praxen.

Rund 3,7 Millionen NRW-Bürger sind seit dem Start der Impfkampagne im Dezember mindestens einmal gegen Corona geimpft worden. Ginge es nach den Hausärzten, könnte die Zahl im Wochenrhythmus bald um eine Million steigen. Doch die Hürden für den Piks in den Praxen liegen noch immer hoch. In der Verteilung der Impfstoffe sehen sich die rund 11.500 Hausärzte gegenüber den 53 Impfzentren im Land klar benachteiligt. Ein Überblick.

Warum kritisieren die Hausärzte die Verteilung der Impfstoffe?

Seit nicht einmal 14 Tagen sind die Hausärzte in die Impfkampagne einbezogen. Doch schon Ende der vergangenen Woche beklagten sich erste Hausärzte-Vertreter, dass deutlich weniger Impfstoff geliefert werde, als bestellt worden sei. „Die von der Politik Ende März getroffenen Vereinbarungen werden nicht eingehalten“, kritisierte etwa der Chef des Hausärzteverbandes Nordrhein, Oliver Funken, am Freitag. Am Montag legte der Hausärzteverband Westfalen-Lippe nach. „Natürlich ist es nicht gut, dass wir Hausärzte, nachdem wir direkt in der ersten Woche schon mit kontingentiertem Impfstoff die Impfzahlen enorm gesteigert haben, so wenig Impfstoff zur Verfügung gestellt bekommen“, sagte dessen Vorsitzende, Anke Richter-Scheer, unserer Redaktion.

„So wie es aussieht, wird dieses Problem im Mai gelöst sein."

Wie läuft die Impfkampagne in den Praxen?

Mangels Impfstoff impfen die Praxen nach Angaben der Verbände derzeit nur chronisch Kranke, Patienten mit Vorerkrankungen oder solche mit dringendem Bedarf. Zudem gibt es unter Hausärzten Irritationen darüber, welcher Impfstoff in welcher Menge geliefert wird. Ursprünglich sollten die Praxen bis zum 24. April nämlich ausschließlich Biontech-Impfstoff bekommen. Kurzfristig sei die Bestellungen zur Hälfte auf Astrazeneca umgewandelt worden, teilte der Hausärzteverband Nordrhein mit. Weil Astrazeneca aber für Unter-60-Jährige nicht empfohlen werde, fehle Biontech für jüngere chronisch Kranke. „Damit werden stattdessen die 70-80-jährigen in den Impfzentren geimpft. Das ist eine Verletzung der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission“, so Verbandschef Funken. Die Ärztevertreter rechnen allerdings mit einem baldigen Ende des Verteilungskampfes. „So wie es aussieht, wird dieses Problem im Mai gelöst sein, wenn die Hausarztpraxen – wie von der Politik in Aussicht gestellt – Impfstoff in ausreichender Menge erhalten“, sagte Richter-Scheer. Impfen gehöre als „ureigene hausärztliche Tätigkeit“ nun einmal in die Hausarztpraxis. Richter-Scheer: „Ziel ist, dass die Impfzentren bald nicht mehr vonnöten sind.“

Wie viele Dosen Impfstoff erhalten die Hausärzte in Deutschland?

Die niedergelassenen Ärzte in Deutschland sollen einem Bericht zufolge in der kommenden Woche 500.000 Corona-Impfdosen mehr erhalten als bisher geplant - allerdings nur noch den Impfstoff von Biontech und Pfizer. Wie die „Rheinische Post“ (Dienstagsausgabe) unter Berufung auf die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) berichtet. Ursprünglich sollten in der letzten Aprilwoche demnach rund 1,5 Millionen Impfdosen an die Praxen gehen, davon drei Viertel Biontech und ein Viertel Astrazeneca. „Durch die höhere Liefermenge können Vertragsärzte nunmehr 24 bis 48 Dosen für die Woche vom 26. April bis 2. Mai ordern“, zitierte die Zeitung aus einer Mitteilung der KBV an die Praxen. „Nunmehr erhalten die Arztpraxen ausschließlich Impfstoff von Biontech-Pfizer.“

Wer impft schneller: Hausärzte oder Impfzentren?

Seit dem Start der Impfungen bei Hausärzten am 7. April erhielten in den NRW-Praxen insgesamt rund 480.000 Bürger eine Corona-Erstimpfung. Allein die Hausärzte in Westfalen-Lippe verimpften am Mittwoch, dem Spitzentag der vergangenen Woche, über 42.000 Dosen. Zum Wochenende hin sank die Zahl der in den Praxen verimpften Dosen hingegen rapide. Zum Vergleich: In den westfälischen Impfzentren, wo im Gegensatz zu den Praxen auch am Wochenende durchgeimpft wird, liegt der Tagesdurchschnitt bei rund 35.000 verimpften Dosen (Erst- und Zweitimpfungen).

20 Impfungen pro Praxis und Tag

Könnten die NRW-Praxen mehr impfen als bisher?

Ja, sofern es genügend Impfdosen gibt. Nach einer Modellrechnung der Hausärzteverbände sind bis zu einer Million Impfungen pro Woche möglich. Ausgangspunkt ist eine „Impfleistung“ von 20 Impfungen pro Praxis und Tag, in größeren Praxen wären den Angaben zufolge sogar bis zu 100 täglichen Impfungen möglich. Den bürokratischen Aufwand halten die Hausärzte-Sprecher übrigens für verhältnismäßig gering. Dokumentation, Abrechnungsziffern und die abendliche Meldung der Anzahl der Impfungen sind zwar verpflichtend. Ob mit oder ohne Unterschrift aufgeklärt werde, liege aber in der Verantwortung des Arztes.

Wie einträglich ist die Impfung für die Ärzte?

Das hängt von der Zahl der Impfungen pro Praxis ab. Abrechnen können die Ärzte die Impfungen mit jeweils 20 Euro. Erst- oder Zweitimpfung bringen zusammen also 40 Euro ein. Laut Praxisinfo der Kassenärztlichen Bundesvereinigung umfasst das auch die Impfberatung, die symptombezogene Untersuchung zum Ausschluss akuter Erkrankungen oder Allergien und die unmittelbare Beobachtung nach der Impfung. Bei Hausbesuchen können 35 Euro zusätzlich abgerechnet werden.

Verträge mit den Impfzentren laufen noch bis Ende September

Was sagt das Land?

Das Land verweist auf die Zuständigkeit des Bundes. Die Zuweisung der Impfstoffkontingente für die Hausärzte erfolge unmittelbar durch den Bund, teilte das NRW-Gesundheitsministerium auf Anfrage mit. In der kommenden Woche erwarten die Bundesländer laut Ministerium insgesamt rund 2,16 Millionen Impfdosen für die Impfzentren. Die Arztpraxen erhalten im gleichen Zeitraum 1,5 Millionen Impfdosen. Zusätzliche Impfstoffdosen sollen nahezu vollständig an die ambulanten Ärzte gehen. Eine Auflösung der Impfzentren steht für Landesregierung derzeit nicht zur Diskussion. Die lmpfzentren seien neben mobilen Impf-Teams und der eigenständigen Impfung des Krankenhauspersonals wichtig für die Logistik der Impfkampagne. Auch könnten so durch die Zentren größerer Personengruppen aus bestimmten Berufen geimpft werden. Die Finanzierung der 53 NRW-Impfzentren durch Bund und Land ist zunächst bis Ende September gesichert.

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