Mülheim. An Konzepten mangelt es Mülheim nicht. Warum aber fünf Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen die Kommune ihren Zielen kaum näher zu sein scheint.
Genau fünf Jahre ist es her, dass sich die Weltpolitik am 12.12.2015 in Paris für ihre Klimaziele feiern ließ, die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen zu wollen. Doch nach der „Party“ ist auch Katerstimmung eingetreten. Vor allem vor Ort, wo das Klima „gemacht“ wird, scheinen Kommunen oft überfordert. Jüngst räumte Umweltdezernent Peter Vermeulen ein, dass der energetische Stadtentwicklungsplan überaltert sei, weil Personal fehle. Der Mülheimer Klimaexperte Hans-Peter Winkelmann mahnt deshalb an: „Gesetze und Konzepte reichen nicht: Mülheim braucht eine Strategie für die Umsetzung.“
Denn der Klimawandel lasse sich natürlich nicht per Gesetz stoppen, übt Winkelmann Kritik am wenig systematischen Vorgehen der Stadt. „Dadurch, dass wir jüngst in der Kommune den Klimanotstand ausgerufen haben, ist noch kein Gramm CO2 gespart. Dabei haben wir mit Ulrike Marx und den neuen Klimaschutzmanagern sehr fähige Fachleute. Sie arbeiten jedoch auf verlorenem Posten, weil sie von der Politik allein gelassen werden.“
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Zu arm für den Klimaschutz? Der Faktor „Geld“
Woran liegt es dann, dass zwar in den vergangenen Jahren zahlreiche Ansätze entstanden sind, wie 2010 das integrierte Klimaschutzkonzept, 2014 das Klimaschutzteilkonzept Kommunale Liegenschaften, 2015 ein energetisches Stadtentwicklungskonzept und 2020 das Klimaanpassungskonzept, und dennoch der Eindruck von Stillstand entsteht?
Die berüchtigte leere Haushaltskasse lässt Winkelmann als Argument nicht gelten: „Mülheim ist nicht arm: Die Stadt hat einen Haushalt von 800 Millionen Euro. Die Frage ist also nur, wofür ich es ausgebe.“ Selbst wenn es einige Sachzwänge gebe, die finanziert werden müssen, könne man durch Förderungen Klimamaßnahmen ankurbeln. Die Stadt habe dies aber häufig versäumt, kritisiert der Klimaexperte.
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Viele Ansätze – aber ohne übergreifende Konsequenzen
„Die Summe des lokalen Tuns ist der globale Erfolg“, gab Wetterexperte Sven Plöger 2018 der versammelten Mülheimer Politik und Verwaltung mit auf den Weg. Von der Veranstaltung „Mülheimer Klimadialog“ in der Stadthalle sollte damals ein Impuls in den Bereichen Verkehr/Mobilität, Energieerzeugung, Müllvermeidung, Wohnen ausgehen, der sich das Jahr über in Workshops aus Bürgern, Verwaltung, Unternehmen, Wissenschaftlern, Interessensverbänden niederschlagen würde.
Hans Peter Winkelmann war dabei, auch bei den Treffen: „Sie hatten eine schlechte Resonanz und waren nicht gut organisiert. Es fehlten etwa Vertreter der Wirtschaft.“ Die mit viel Prominenz und von OB Ulrich Scholten als „Chefsache“ angeschobene Kampagne zeigte bis heute kaum Wirkung.
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„Wir brauchen ein Klimaschutzkonzept, das eine Controllingfunktion hat“
Und wie könnte man es besser machen? „Von unten, niederschwellig über mittlere Betriebe, Initiativen, Vereine, Schulen“, schlägt Winkelmann vor, „als akteursbezogenen Ansatz, denn das Interesse in der Bevölkerung ist hoch. Viele wissen aber nicht, wie sie sich einbringen können.“
Es brauche daher eine übergreifende Strategie, „ein integriertes Klimaschutzkonzept in alle Bereiche hinein, das eine Controllingfunktion hat. Damit hätte man die Grundlage, um die Einzelmaßnahmen zusammenzuführen“, so Winkelmann. Die Stadt könne dafür Plattformen schaffen, so wie es etwa in Styrum auf sozialer, kultureller und Bildungs-Ebene mit den Stadtviertelkonferenzen seit 26 Jahren geschieht. „Das wäre eine Maßnahme, die kaum Geld kostet.“
„Die Stadt muss nicht alles allein machen“
Zivilgesellschaft mitnehmen
Hans Peter Winkelmann hat als Geschäftsführer des Mülheimer Climate Campus und Mitbegründer des Klimaquartiers Broich vor drei Jahren niederschwellig begonnen, die mittleren Broicher Betriebe, Schulen, Vereine und Initiativen zusammenzubringen.
„Hier sagt keiner ,Quatsch’, wenn’s um den Klimawandel geht. Zum Beispiel haben kleine und mittlere Betriebe im Stadtteil unter den Klimafolgen gelitten. Wegen der heißen Sommer blieben Kunden weg, sie mussten teilweise schließen. Jetzt besprechen wir, welche Maßnahmen der Klimaanpassung notwendig sind.“
Auch die Stadt könnte von ihren europäischen Kontakten mehr profitieren: Mülheim ist dem Konvent der Bürgermeister beigetreten. Die Initiative mit etwa 10.000 EU-Kommunen unterstützt sich gegenseitig in lokalen Lösungen, zertifiziert machbare Klimaschutzpläne. Mülheim könnte davon stärker profitieren, will Winkelmann auch Mut zu konsequenten Schritten machen.
Wie stehen die Chancen seit Paris, ist die Klimaneutralität bis 2035 möglich? „Das ist keine Raketenwissenschaft. Wir haben neue Leute in der Politik, einen neuen OB“, ist Winkelmann optimistisch. „Aber die Stadt muss nicht alles allein machen, sondern nur die Zivilgesellschaft mitnehmen.“