Mülheim. Buchholz gegen Griefahn, heißt es am Sonntag bei der OB-Stichwahl in Mülheim. So schlugen sich der CDU-Mann und die SPD-Frau auf dem Podium.
Im ersten Anlauf zur OB-Wahl in Mülheim errangen Monika Griefahn (SPD) und Marc Buchholz (CDU) jeweils fast genau ein Viertel der Wählerstimmen. Um den Rest des Kuchens kämpfen sie am 27. September in der Stichwahl. WAZ und NRZ haben beide Kandidaten jetzt noch einmal auf dem Podium befragt - Bühne frei im Mülheimer Ringlokschuppen!
Kaffee contra Kräutertee
Monika Griefahn (SPD) und Marc Buchholz (CDU) hatten für die Podiumsrunde ein ähnlich schlichtes Outfit gewählt: weiße Bluse, beziehungsweise weißes Hemd zur grauen Hose. Es sind aber zwei sehr gegensätzliche Charaktere, die hier um den OB-Sessel kämpfen.
Mit jeweils zehn Fotos aus ihrem Leben stellten sie sich und ihre Biographie dem Publikum vor.
Griefahn präsentierte sich unter anderem als junge Aktivistin auf einem Greenpeace-Schiff, barfuß im Wattenmeer, als niedersächsische Umweltministerin an der Seite des späteren Bundeskanzlers Gerhard Schröder und bei einer Rede vor dem Bundestag.
Buchholz zeigte eingangs ein Familienfoto mit seiner Frau und den beiden Kindern, erschien danach unter anderem als Teilnehmer einer Grubenfahrt, als Vorsitzender der Jungen Union beim Betanken eines Elektroautos und mitten auf der Leineweberstraße, der Allee in der Mülheimer Innenstadt.
Später wurden die Kontrahenten spielerisch gefragt: Kaffee oder Tee? Buchholz bevorzugt Kaffee, „zehn bis zwölf Tassen pro Tag“, Griefahn trinkt Kräutertee.
Wegen der Corona-Auflagen durften im großen Saal nur gut 200 Zuschauer teilnehmen. Vor dem Eingang des Schuppens hatten sich Vertreter der VHS-Initiative postiert, verteilten Flyer. Ihr Anliegen sorgte später in der Debatte noch für heiße Köpfe. Von den früheren OB-Anwärtern war einzig Horst Bilo dabei, unübersehbar in der ersten Reihe. Der unabhängige Bewerber hatte zuletzt Partei ergriffen für Buchholz, als „das kleinere Übel“.
Die Top-Kandidaten Buchholz und Griefahn wissen, worauf sie sich einlassen. Beide sind lange genug im Politik-Geschäft und dürften auch mit dieser Frage gerechnet haben, die jeden in Mülheim sofort erdet: „Die Stadt ist pleite. Wie wollen Sie als OB etwas gestalten?“
Griefahn: Gewerbesteuersätze mit anderen Ruhrgebietsstädten abstimmen
Monika Griefahn setzt auf „innovative Firmen“, die sie ansiedeln möchte, und auf junge Familien, „um die Schlüsselzuweisungen des Landes zu erhöhen“. Den NRW-Ministerpräsidenten will sie dazu bewegen, den Entschuldungsvorstoß des Bundesfinanzministers zu unterstützen. Die Gewerbesteuersätze, in der aktuellen Höhe ein immenser Aufreger in Mülheim, will die SPD-Politikerin in Abstimmung mit den anderen Ruhrgebietsstädten angleichen. Und generell von den Nachbarn lernen: Nachahmenswert findet Griefahn etwa die Stadtentwicklungsgesellschaft in Duisburg mit deren Strategie, Problemimmobilien aufzukaufen und zu sanieren: „Das wertet die Innenstadt auf.“
Buchholz: Vier Millionen Euro ins Corona-Jahr mitgenommen
Marc Buchholz, seit 18 Monaten als Dezernent im Amt, mag gar nicht so schwarz sehen. Er blickt „stolz“ auf 2019, da der Kämmerer einen positiven Abschluss vermeldet habe. „So konnten wir vier Millionen Euro ins Corona-Jahr mitnehmen.“ Als OB wolle er sich dafür einsetzen, dass es keine Steuererhöhungen gibt. Einnahmen generieren will Buchholz durch Firmenansiedlungen, zum Beispiel auf dem Tengelmann-Areal, und durch neuen Wohnraum auch für Gutverdienende. „So bekommen wir Geld in die Stadt.“
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Schwerer Ballast in Mülheim ist das Defizit beim ÖPNV und der Ratsbeschluss, hier bis zum Jahr 2023 insgesamt sieben Millionen einzusparen. Dass es so kommt, ist für beide OB-Kandidaten aber gar nicht ausgemacht. Keiner der beiden kann bei diesem Thema allerdings auch mit Expertenwissen glänzen. Griefahn nennt die Kürzungen „noch offen“. Frisch in das Ruhrparlament gewählt, will sie die Zukunftsfähigkeit des ÖPNV dorthin übertragen, städteübergreifend, will - wie Buchholz - Vorschläge etwa von Tramvia überdenken.
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Einsparungen beim ÖPNV noch mit Fragezeichen
Buchholz hofft, dass die Millionen im Nahverkehr nicht eingespart werden müssen, und will darüber mit der Bezirksregierung verhandeln, „damit wir Luft zum Atmen bekommen“. Gespräche mit seinem erfolgreichen Essener Amtskollegen Thomas Kufen (CDU) hätten ihm bewusst gemacht: „Essen investiert in den Nahverkehr, und wir wollen sieben Millionen einsparen. Das ist so konträr wie irgendwas.“ Erst recht, wenn man eine Verkehrswende einleiten wolle.
OB-Bewerber streiten über die VHS-Sanierung
Beim Thema VHS wird die Stimmung auf dem Podium gereizter. Im Oktober jährt sich der Bürgerentscheid zur Sanierung. Griefahn hält Buchholz in seiner Funktion als Bildungsdezernent vor: „Sie waren für die VHS zuständig. Warum haben Sie nichts gemacht?“ Für sie selber sei der Bürgerwille entscheidend. Buchholz kontert: „Sie bleiben die Antwort schuldig, wo Sie die Millionen hernehmen wollen.“ Weder sei er ÖPNV- noch Bauexperte.
Für Buchholz zeigt sich hier eine Schwachstelle seiner Kontrahentin, die er auch später noch einmal hervorhebt. Da geht es um ein Wirtschaftsförderungskonzept. Griefahn äußert ihr Unverständnis, dass drei CDU-Dezernenten in Dauer-Abwesenheit des SPD-Oberbürgermeisters nichts auf den Weg gebracht hätten. Buchholz kontert: „Da sieht man mal, wie wenig kommunalpolitische Erfahrung meine Mitbewerberin mitbringt.“ Verwaltungsarbeit funktioniere nicht so, dass man Mehrheitsentscheidungen herbeiführt.
Der CDU-Kandidat hat die Machtverhältnisse im künftigen Stadtrat theoretisch schon vor Augen: Er plant mit einer „gestalterischen Mehrheit von Schwarz und Grün mit einer Stimme von Marc Buchholz als Oberbürgermeister“, die durchaus offen sei für anderen Fraktionen. Aber ganz gleich, wer das Rennen für sich entscheidet, einer grundlegenden Herausforderung muss er oder sie sich stellen: Blockaden auflösen, Handlungsfähigkeit wiederherstellen.
Wir-Gefühl erzeugen, Dauer-Blockade im Stadtrat beenden
Ein Zuschauer - höchst unzufrieden mit den Zwistigkeiten und Ausfällen der vergangenen Ratsperiode - formuliert es in der abschließenden Fragerunde und erhält lauten Applaus: „Was rechtfertigt Ihren Optimismus, im Rat der Stadt Mülheim künftig ein Wir-Gefühl zu erzeugen, nicht gegeneinander zu arbeiten, sondern miteinander zum Wohle der Stadt zu entscheiden?“
Monika Griefahn sagt darauf, sie sei „eine alte Mülheimerin, aber mit einem frischen Blick von außen“, unbefangen. Sie habe „nichts mit der Geschichte zu tun“, gehe offen auf alle Fraktionen zu, habe schon Schnittmengen ausgemacht und hoffe, dass man in den nächsten fünf Jahren gemeinsam einiges auf den Weg bringen könne. „Ich kann mit meiner Geschichte beweisen, dass ich viele Dinge hingekriegt habe“, erklärt die SPD-Politikerin selbstbewusst. „Und ich glaube, dass ich das auch hinkriegen werde.“
Darauf Buchholz: „Ich schließe mich an.“ In mehr als 20 Jahren Verwaltungserfahrung habe er gezeigt, dass er Dinge umsetzen könne. „Ich möchte Vorbild sein für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kommunalverwaltung.“ In seinen 18 Monaten in Mülheim habe er „ein unheimliches Misstrauen“ erleben müssen und wolle nun - gemäß seiner ersten Wahlkampagne - Vertrauen in die Verwaltungsspitze zurückgewinnen.
Nach dem hauchdünnen Vorsprung des CDU-Kandidaten in der ersten Wahlrunde hat die CDU neue Großplakate errichtet: Im Look eines Fußballfeldes, auf grünem Grund, wird das „1:0 für Buchholz“ gefeiert. Ob es im Endspiel reicht? In unserem Live-Stream auf www.facebook.com/wazmuelheim können Sie die Podiumsdiskussion noch einmal in voller Länge nachverfolgen - und selber entscheiden.