Mülheim. Am 13. September wird der Integrationsrat gewählt. In Mülheim war zuletzt die Luft raus. Können neue Kandidaten das Gremium wiederbeleben?
Zeitgleich mit dem OB, dem Stadt- und dem Ruhrparlament wird am 13. September der Integrationsrat gewählt. Beim letzten Mal, 2014, lag die Wahlbeteiligung bei gut 17 Prozent, und von den abgegebenen Stimmen waren 8,6 Prozent ungültig. Wenn das Gremium zusammenkam, blieben oft viele Plätze leer. In Sachen Information und Motivation ist reichlich Luft nach oben.
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Wahlberechtigt sind Migrantinnen und Migranten, die seit mindestens einem Jahr in Deutschland leben. Der Integrationsrat wird zu einem Drittel – acht Sitze – von den Ratsfraktionen beschickt, während 16 Plätze in freier und geheimer Wahl vergeben werden. Dieses Mal treten acht unterschiedliche Listen an sowie drei Einzelbewerber. Auffällig sind zahlreiche neue Gesichter.
Stadt Mülheim bekommt viele Anfragen, darf aber keinen Wahlkampf machen
Der Mülheimer Integrationsrat, der alljährlich mit der Verleihung seines Förderpreises an die Öffentlichkeit tritt, hat eine eigene Geschäftsstelle im Rathaus. Dort muss Martina Weiß-Peleikis momentan viele Anfragen zu den Kandidaten beantworten: Was sind das für Leute, was machen die? „Das Interesse ist groß, aber wir als Stadtverwaltung dürfen natürlich keinen Wahlkampf machen“, erklärt sie. „Darum müssen sich die Bewerber schon selber kümmern.“
Mangelnde Information: Grüne kritisieren die Stadt
Die Mülheimer Grünen finden, dass die Stadt – schriftlich sowie auf ihrer Website – nicht ausreichend über die Wahl zum Integrationsrat informiert. Sie werde, im Vergleich zu den anderen Wahlgängen am 13. September, „eher nebensächlich behandelt“, kritisiert Ingrid Tews, Mitglied im Fraktionsvorstand.
Auf Nachfrage im zuständigen Referat habe man sie auf das „in schönstem Bürokraten-Deutsch“ gehaltene Amtsblatt hingewiesen. „Dieser Ladenhüter ist zur Information von Migranten absolut ungeeignet“, ärgert sich Tews.
An Info-Ständen zur Integrationsratswahl habe sie festgestellt, dass viele Wahlberechtigte das Gremium gar nicht kannten. „Die Verwaltung ist gefordert, nachzubessern“, meint die Grünen-Politikerin.
Tatsächlich gibt es ausführliche Informationen auf der städtischen Homepage www.muelheim-ruhr.de unter dem Stichwort „Integrationsrat“ – allerdings auf Deutsch.
Die älteste Kandidatin, sie gehört zur langjährig aktiven Gruppe „Frauen der Welt“, wurde 1952 im Iran geboren. Die jüngste – mit marokkanischen Wurzeln – kam 1999 in Mülheim zur Welt. Auf den Listen stehen Menschen aus Afghanistan und Ägypten, Syrien oder Sambia, Ghana oder Russland, aber – und das markiert für Mülheim einen Umbruch – niemand mehr aus den großen türkischen Vereinen und Moscheegemeinden.
Bislang haben drei Frauen den Vorsitz geführt
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Auch die Noch-Vorsitzende Emine Arslan verabschiedet sich. Hinter ihr liegen sechs Jahre, in denen es nicht gerade glänzend lief. Ihre Liste Internationale Bürger Mülheims (I.B.M.) erzielte zunächst mit mehr als 20 Prozent der gültigen Stimmen ein Wahlergebnis, das viele überraschte. Der langjährige Vorsitzende Enver Sen verließ wenig später frustriert das Gremium, drei Frauen bildeten fortan das Führungstrio: Emine Arslan, Stella Weber und Mehrnaz Koch.
In der Folgezeit hatten sie es schwer, die Mitglieder bei der Stange zu halten. Es gab schwach besuchte Sitzungen und sogar solche, bei denen der Integrationsrat nicht mehr beschlussfähig war. Nach Auskunft von Emine Arslan sei dies aber in der Wahlperiode lediglich zwei Mal vorgekommen. Sie kandidiert kein weiteres Mal – aus familiären Gründen, wie sie erläutert. Gleiches gilt für Ferit Sentürk, einen ihrer Mitstreiter bei den I.B.M. und nebenbei Vorstandsmitglied der Grauen Wölfe. Auch er verlässt den Integrationsrat, hat dafür aber beim Bündnis für Bildung auf umstrittene Weise die Führung übernommen.
Bewerber Hasan Tuncer: Integrationsrat hat versagt
Dort liegt er im Clinch mit dem Stadtverordneten Hasan Tuncer, der nun seinerseits für den Integrationsrat kandidiert, als Initiator einer fünfköpfigen, bunten Liste mit Namen „Mülheim Miteinander“. Tuncer kritisiert: „Der Integrationsrat hat total versagt und wird auch von der Verwaltung gar nicht ernst genommen. Er ist nie auf die Idee gekommen, mal ein Zeichen zu setzen, eine Resolution zu verabschieden, einen offenen Brief an den OB zu schreiben.“
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Der Integrationsrat sei aber wichtiger denn je, meint Tuncer, denn in den letzten Jahren seien viele Menschen neu nach Mülheim gekommen. „Wir sollten Akzente setzen. Wenn wir das schaffen, bringen wir die Stadt auch nach vorne.
Vorsitzende Emine Arslan: Am fehlenden Engagement verzweifelt
Noch-Vorsitzende Emine Arslan will sich keineswegs nur beklagen. Die Arbeit habe ihr bis zum Schluss Spaß gemacht. Überall, auch in der Verwaltung oder bei kirchlichen Einrichtungen, hätten sie offene Türen und offene Ohren vorgefunden. „Aber die geringe Beteiligung an Sitzungen, das fehlende Engagement der Leute – daran verzweifelt man.“ Sie findet es nicht nur schade, sondern auch unfair: „Schließlich haben sie den Wählern etwas versprochen.“
Doch Arslan sieht hier nicht nur ein Problem des Integrationsrates, sondern eine generelle Tendenz. „Auch in vielen Vereinen fehlen Leute. Und viele sind sich nicht bewusst, wie viel Zeit und Arbeit in so einem Ehrenamt steckt.“ Zum Abschied möchte sie sich ausdrücklich bedanken, „bei allen Behörden und Institutionen“. Dem künftigen Integrationsrat wünscht sie viele gute, engagierte Mitglieder. „Vielleicht“, so Emine Arslan, „kommen mal wieder Elan und neue Ideen rein.“
Stella Weber: „Gute und verrückte Erfahrungen gemacht“
Stella Weber, bislang stellvertretende Vorsitzende, lässt sich nicht unterkriegen und hat eine eigene Liste auf die Beine gestellt: „Mülheim für Alle“, sechs Leute mit afrikanischem Background. Sie habe zwiespältige Erfahrung gemacht bei ihrer Arbeit im Integrationsrat, „gute und verrückte“, sagt Stella Weber, die sich seit Jahren an vielen Stellen in der Stadt engagiert. „Was ich persönlich schade finde, waren die starken Meinungsverschiedenheiten mit einigen. Das hat uns die Arbeit sehr schwer gemacht.“ Die Stadt sollte das Gremium stärker unterstützen, ihm mehr Entscheidungen anvertrauen, meint Weber. „Hand in Hand. Dann könnte der Integrationsrat super gut funktionieren.“