Mülheim. Zum ersten Mal tritt die „Grün-Bunte-Liste“ zur Wahl des Integrationsrates an. Die Kandidaten wollen gegen Rassismus und Vorurteile kämpfen.
Sie wollen mitreden, mitgestalten, mitbestimmen: Sechs Kandidaten für den Mülheimer Integrationsrat bilden die „Grün-Bunte-Liste“, eine von mehreren Wählergruppen, die am 13. September zur Wahl stehen. Sie sehen sich nicht als Einzelkämpfer, sondern als Team, das gemeinsam gegen Rassismus und Vorurteile in Mülheim kämpfen möchte – parteinah, aber -unabhängig.
Die Ergebnisse der letzten Wahlen des Integrationsrates 2014 waren ernüchternd: Von über 24.000 Wahlberechtigten, stimmten nur 4.166 Wähler ab. „Das wollen wir ändern“, sagen die Kandidaten. Es gelte nicht nur, bürokratische und sprachliche Hürden abzubauen, sondern auch den Integrationsrat und die Wahl- und Teilhabemöglichkeit bekannter zu machen. Dafür planen die Kandidaten in den nächsten Wochen vor der Wahl Sprechstunden, Aktionen und Infostände in den Stadtteilen.
Diskriminierung bei der Wohnungssuche oder der Notenvergabe in der Schule
Gilberte Ragmonde Driesen gilt als „Spitzenkandidatin“ der Liste, als Pädagogin ist sie bereits seit vielen Jahren aktiv als Ehrenamtlerin in Mülheim unterwegs. In verschiedenen Projekten leistet die gebürtige Senegalesin und zweifache Mutter „entwicklungspolitische Bildungsarbeit“, wie sie sagt, bietet Workshops und Fortbildungen an und hilft Familien bei Problemen in der Schule oder bei Amtsgängen und der Wohnungssuche.
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„Wir wollen der Stadt zeigen, dass wir Experten sind“, sagt die 47-Jährige, die seit 2007 in Mülheim lebt. Ziel sei es, eigene Ideen in den Stadtrat einzubringen, in den Dialog zu kommen. „Die Belange internationaler Familien müssen gehört werden – ich möchte ihnen eine Stimme geben.“ Denn Erfahrungen mit Rassismus und Vorurteilen machen viele Menschen, mit denen sie arbeitet: „Etwa bei der Wohnungssuche oder in der Schule bei der Notenvergabe.“
Angst vor der Sprachbarriere und vor Vorurteilen
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Auch Saadia Ibaoune kennt das Thema Alltagsrassismus aus ihrer Arbeit als Hausbesucherin. Im Auftrag der Stadt hilft sie Eltern, „ihre Kinder spielerisch aufs Leben vorzubereiten“. Ursprünglich kommt sie aus Marokko und lebt seit 1991 in Deutschland. Ehrenamtlich besucht sie internationale Familien und greift ihnen im Alltag unter die Arme. „Ich möchte, dass Frauen aus dem Haus kommen, denn viele von ihnen haben Angst – vor der Sprachbarriere und vor Vorurteilen“, weiß die 33-Jährige.
Luigino Autieri hat sich „über den Fußball integriert“. Denn Sport kenne keine Herkunft, sagt der 41-Jährige. Der Sohn italienischer Einwanderer ist in Mülheim geboren und aufgewachsen. „Ich möchte kostenlose Sportangebote bekannter machen“, sagt der Styrumer, der findet: „Egal, welche Staatsangehörigkeit: Alle Menschen, die hier wohnen, sollten das Recht haben, kommunal zu wählen.“ Nur so können auch ihre Belange vertreten werden.
In der Heimat Syrien als Englischlehrerin gearbeitet
Diana Zaza, 50, flüchtete vor fünf Jahren aus Syrien nach Mülheim. „In meiner Heimat habe ich als Englischlehrerin gearbeitet“, sagt sie. In Mülheim unterrichtet sie ehrenamtlich in internationalen Schulklassen, arbeitet als Sprachvermittlerin und auch in Kulturprojekten. „Demokratie habe ich in meiner Heimat nie kennengelernt“, sagt sie. „Daher möchte ich hier die Erfahrung machen, was Demokratie bedeutet.“ Vor allem syrischen Frauen wolle sie helfen, ihre Meinung zu sagen.
Auch Omar Mohamad (30) flüchtete aus Syrien nach Mülheim. Seitdem engagiert er sich ehrenamtlich in Projekten, etwa bei der Silent University oder dem Theaterprojekt „Ruhrorter“. Gerade habe er seine Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann im Ringlokschuppen abgeschlossen. „Ich möchte ausgegrenzte Stadtteile weiterentwickeln“, sagt Mohamad. Schauen, wie die Menschen leben, woran es fehlt, was verbessert werden könnte.
24 Mitglieder im Integrationsrat
Der Integrationsrat vertritt die Interessen der in Mülheim lebenden Menschen mit Migrationshintergrund. Insgesamt gibt es 24 Mitglieder, 18 davon werden gewählt, acht kommen über den Rat der Stadt hinein.
Die Mitglieder beraten den Rat der Stadt und seine Ausschüsse. Durch den Integrationsrat sollen auch Menschen, die aufgrund ihrer ausländischen Staatsbürgerschaft von Wahlen ausgeschlossen sind, am politischen Geschehen in der Stadt teilhaben.
Neben der „Grün-Bunten-Liste“, die nun zum ersten Mal antritt, gibt es noch weitere Wählergruppen und Einzelbewerber. Zwei Kandidaten der Liste sind Mitglieder der Grünen. Ansonsten handeln sie parteiunabhängig, fühlen sich „grünen Themen aber verbunden“. Die Partei unterstütze lediglich in organisatorischen Fragen.
Victoria Meier, 59, ist Tochter kroatischer Einwanderer und hat in ihrer Arbeit als Krankenschwester erlebt, wie Frauen mit Sprachproblemen zu kämpfen hatten, ihre Kinder für sie übersetzen mussten. „Daher möchte ich Frauen sagen: Erhebt eure Stimme! Aber das geht nur mit Sprache.“ Sprachförderung sei daher eines der Themen, für die sie sich einsetzen möchte.
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