Mülheim. Laut Liste des NRW-Landtags zählen 28 Mülheimer Straßen zu „gefährlichen Orten“. Aktuell sind sie nicht, im Blick hat die Polizei sie trotzdem.
Sie hat für viel Aufregung gesorgt: die Liste von „gefährlichen Orten“ in NRW, die das Innenministerium auf eine Anfrage der AfD veröffentlicht hat. 28 Mülheimer Straßen in der Innenstadt und in Eppinghofen tauchen darin auf, doch lauert dort wirklich Gefahr? Mülheims Polizeichef Alexander Prim verneint und erklärt, was hinter dem Begriff steckt.
Der Hintergrund: Bereits im November 2017 hatte die AfD-Fraktion im Landtag nach den „gefährlichen und verrufenen Orten im Sinne des Paragrafen zwölf des Polizeigesetzes“ gefragt. Die Landesregierung verweigerte zunächst eine detaillierte Antwort mit genauen Ortsangaben, musste die Liste nun nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes doch offenlegen.
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„Seit 2015 gibt es in Mülheim keine gefährlichen Orte mehr“
Letztlich sind es nun zwei Listen: Eine mit altem Stand als Antwort auf die Anfrage von 2017, eine aktuelle. In letzterer taucht Mülheim gar nicht auf, in der alten Version sind 30 Straßen rund um die Eppinghofer Straße gelistet. Alexander Prim, seit 1. Oktober 2019 Leiter der Mülheimer Polizeiinspektion, stellt klar: „Seit 2015 gibt es in Mülheim keine gefährlichen Orte im Sinne des Polizeigesetzes mehr.“
Der Begriff „gefährlicher Ort“ ist eine polizeiinterne Bezeichnung, eine taktische Maßnahme, um Kontrollen leichter durchführen zu können. Während es normalerweise eines strafrechtlichen Grundes, eines Verkehrsunfalls oder eines Gefahrenmoments für ein Einschreiten der Polizei bedarf, kann sie an „gefährlichen Orten“ niederschwellig Maßnahmen ergreifen und anlasslos kontrollieren.
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Im Polizeisprech heißt das, dass ein „kriminogener Ort“ aktiviert wird, einer, an dem Gesetzesverstöße sich häufen. Das bedeute nicht, dass Bürger Angst haben müssten, sich dort zu bewegen.
2015: Verschärfte Maßnahmen gegen Rocker-Banden in Eppinghofen
„Zuletzt haben wir in Mülheim einen kriminogenen Ort im Jahr 2015 gehabt“, sagt Alexander Prim. Damals habe der Bereich rund um die Eppinghofer Straße „gedroht, aus dem Ruder zu laufen“. Rockerbanden waren aktiv, Mitglieder der „Hells Angels“ versuchten massiv, die Polizei einzuschüchtern, einer schlug einen Ordnungsamtsmitarbeiter nieder.
Für einige Monate zeichnete die Polizei das Gebiet als „gefährlichen Ort“ aus, hatte so die Möglichkeit, verstärkt Kräfte vom Land anzufordern, umfangreich Personen, Fahrzeuge, Räumlichkeiten zu kontrollieren. „Die Maßnahmen haben funktioniert und wurden sukzessive runtergefahren“, sagt Alexander Prim.
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Am Donnerstag im Ausschuss für Bürgerangelegenheiten, Sicherheit und Ordnung noch überrascht von der langen Liste der Straßen, hat Prim nun eine Erklärung: „Das sind alle Straßenzüge, die damals in den Bereich fielen. Das bedeutet aber nicht, dass die gesamte Straße kriminogen war.“
Status „gefährliche Orte“ wird fortlaufend analysiert
Geht es um die Definition von gefährlichen Orten, spielen Parameter wie die Anzahl der Straftaten und der polizeilichen Maßnahmen im Vergleich zur Bevölkerungszahl eine Rolle. Kombiniert werden die objektiven Zahlen mit der subjektiven Wahrnehmung von Polizei, Verwaltung und Ansässigen.
Die Lage wird fortlaufend analysiert – und angepasst. So sei Orten in Essen der Negativ-Status des „gefährlichen Ortes“ im März kurzfristig entzogen worden, weil die Corona-Einschränkungen für Ruhe sorgten – und könnte auch bald wieder ebenso kurzfristig aktiviert werden.
Liste der ehemals „gefährlichen Orte“
Auf der Liste der „gefährlichen Orte“ in Mülheim stehen folgende Straßen. Sie liegen alle in der Innenstadt oder in Eppinghofen:
Im Neuhof, Kohlenkamp, Kohlenstraße, Kurt-Schumacher-Platz, Leineweberstraße, Löhberg, Löhstraße, Platz der Deutschen Einheit, Synagogenplatz, Rathausmarkt, Rheinische Straße, Ruhrstraße, Schloßstraße, Schollenstraße, Siegfried-Reda-Platz, Tourainer Ring, Viktoriastraße, Wallstraße, Zunftmeisterstraße, Charlottenstraße, Engelbertusstraße, Eppinghofer Straße, Heißener Straße, Kardinal-Graf-Galen-Straße, Klöttschen, Parallelstraße, Sandstraße, Schreinerstraße.
Nichtsdestotrotz seien die genannten Mülheimer Straßenzüge Orte, an denen die Polizei verstärkt Präsenz zeigt. „Wir sehen die Sorgen und Nöte rund um die Eppinghofer Straße und die Innenstadt“, sagt Prim. „Und wir kümmern uns darum.“