Mülheim. . Der unter Korruptionsverdacht stehende Ex-Geschäftsführer der Seniorendienste lässt Gerichtsterminzu seiner fristlosen Kündigung platzen. Damit liegt die Aufklärung nun allein in Hand der Strafermittler.

Der unter Korruptionsverdacht stehende ehemalige Geschäftsführer der Mülheimer Seniorendienste, Heinz Rinas, hat kurz vor dem Verhandlungsauftakt die Klage gegen seine fristlose Kündigung von Sommer 2013 zurückgezogen. Er umgeht damit zumindest vorerst einer umfangreichen Beweisaufnahme zu den zahlreichen auch strafrechtlich relevanten Vorwürfen, die ihm die Stadt Mülheim als seine ehemalige Arbeitgeberin macht. Die von der städtischen Beteiligungsholding mit der Causa Rinas betrauten Strafrechtler werten dessen Rückzieher als Etappensieg. Rinas-Anwalt Jürgen Masling dagegen sagt: „Alles Quatsch!“

Am Dienstag hätte das Landgericht Duisburg im Streitfall um die fristlose Kündigung zum ersten Mal erörtern wollen, ob die auf gut 100 Seiten vorgebrachten Vorwürfe gegen Rinas stichhaltig sind. „Aus persönlichen Gründen“ zog Rinas seine Klage nun zurück. Der Richter kann die von der Staatsanwaltschaft hinzugezogenen Ermittlungsakten wieder zurückschicken.

Persönliche Bereicherung?

Allein im Verfahren um die fristlose Kündigung des ehemaligen Chefs unter anderem der drei städtischen Seniorenheime wäre Rinas konfrontiert worden mit zahlreichen Fällen, in denen ihm zur Last gelegt wird, sich aus seiner exponierten Stellung heraus persönlich bereichert zu haben. Das fängt damit an, dass er sich auf Kosten der Stadttochter privat mit Lebensmitteln versorgt haben soll, andere Vorwürfe wiegen deutlich schwerer. Von abgezweigten Geldern für ein privat verfolgtes soziales Projekt in Mazedonien ist die Rede, vom umfangreichen Einsatz von Mitarbeitern der Seniorendienste für private Zwecke. Gar fünf Korruptionsverdachtfälle finden sich in den Gerichtsakten wieder (wir berichteten). So soll Rinas mit Geschäftspartnern der Seniorendienste innerhalb seines nur kurzen Wirkens ein umfangreiches Korruptionsnetzwerk aufgebaut haben, um sich bei Auftragsvergaben in die eigene Tasche zu wirtschaften. Dies will auch das Landeskriminalamt frühzeitig bei seinen Ermittlungen festgestellt haben.

All dies wird nun vorerst nicht öffentlich verhandelt. Im Verfahren vor dem Landgericht wären wohl zahlreiche Zeugen zu laden gewesen, die die Stadt benannt hat, darunter dem Vernehmen nach auch einige stadtbekannte Personen aus der politischen und/oder wirtschaftlichen Szene der Stadt. Das bei der Beweisaufnahme mögliche stadtgesellschaftliche Erdbeben bleibt zunächst aus. Die Seismografen könnten allerdings ausschlagen, falls die seit zwei Jahren ermittelnde Staatsanwaltschaft Duisburg Anklage gegen Rinas und weitere Tatverdächtige aus dem vermeintlichen Korruptionsnetzwerk erhebt.

Bundesweit Hausdurchsuchungen

So weit ist es aber nicht. Wie berichtet, hatte die verfahrensführende Staatsanwältin trotz mannigfach belastender Ermittlungsergebnisse des Landeskriminalamtes im Januar 2014 keine frühzeitigen Durchsuchungsbeschlüsse erwirken können gegen Rinas und seinerzeit 15 weitere Tatverdächtige – darunter mit Sabine Dreiling-Beitz die auch geschäftlich verbandelte Frau des FDP-Ratsherren Peter Beitz, die mit einem Ausbildungsprojekt für rumänische Pflegekräfte ins Visier der Ermittler geriet. Der Staatsanwaltschaft waren seinerzeit schwerwiegende handwerkliche Fehler unterlaufen, drastisch gerügt in einem Berufungsverfahren vor Gericht.

Offenbar haben die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im ersten Halbjahr 2015 aber doch wieder Fahrt aufgenommen. Man habe „zwischenzeitlich mehrere Objekte im gesamten Bundesgebiet durchsucht sowie eine Vielzahl Zeugen und Beschuldigte vernommen“, so eine Sprecherin der Behörde auf Anfrage dieser Zeitung. Zum Kreis der beschuldigten Personen und zu den gegen sie zu erhebenden Tatvorwürfen wollte die Staatsanwaltschaft aktuell nichts sagen. „Die Ermittlungen sind weiter im vollen Gang“, hieß es. Ein Verfahrensabschluss sei „noch nicht zu prognostizieren“. Auch die Steuerfahndung soll mittlerweile eingeschaltet sein. Kolportiert wird nach WAZ-Information ein Schaden jenseits der 100.000 Euro für die Staatskasse.

„Erst mal ein Volltreffer“

Volker Stuckmann, den die Stadt als Strafrechtler mit der Angelegenheit betraut hat, wertet Rinas’ Rückzieher von dessen Klage als Etappensieg. Aus seiner Sicht hat Rinas einen Beweisbeschluss des Gerichtes gegen ihn gefürchtet.

Mit der Rücknahme seiner Klage, so Stuckmann, habe Rinas „alle Argumente, die a) in der fristlosen Kündigung dargelegt waren, und b) die nachgereichten Gründe praktisch anerkannt, sonst hätte er die Sache durchgezogen“. Das sei „erst mal ein Volltreffer“, der sicher auch für die ermittelnde Staatsanwaltschaft von Bedeutung sei. Die Rinas unterstellten Straftaten wie Unterschlagung, Veruntreuung oder Urkundenfälschung könne dieser „nicht mehr ernsthaft“ gegenüber der Ermittlungsbehörde von sich weisen.

Für Rinas-Anwalt Jürgen Masling ist das „Quatsch“. Bei der Rücknahme der Klage vor gut einer Woche habe man deutlich gemacht, dass man die Vorwürfe weiterhin von sich weise. Die unterstellten Pflichtverletzungen seien in mehreren Schriftsätzen ohnehin widerlegt worden. Doch sein Mandant wolle aus besagten und nicht näher erläuterten persönlichen Gründen auf „einen Schauprozess“ verzichten. Um eine Reputation als Geschäftsmann müsse sich Rinas gar nicht bemühen, der Aufwand eines langwierigen Verfahrens stehe auch nicht im Verhältnis zu dem Geldbetrag, der für Rinas rausspringen hätte können, so der Arbeitsrechtler der Essener Kanzlei Buse Heberer Fromm.

Nun hat Rinas die Gerichtskosten zu tragen. Und weiter Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung im Nacken.