Mülheim. Ein Bulgare, dessen Sohn einer mutmaßlichen Vergewaltigung hauptverdächtig ist, soll sein Arbeitspapier gefälscht haben. Jetzt soll er ausreisen.
Im Zuge der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung Anfang Juli in einem kleinen Waldstück am Eppinghofer Bruch hat die Stadt Mülheim die bulgarische Familie des 14-jährigen Hauptverdächtigen jetzt zur Ausreise aufgefordert.
Das berichtete Ordnungsamtsleiter Bernd Otto auf Anfrage der CDU jetzt im Sicherheitsausschuss des Stadtrates.
Der EU-Freizügigkeit sind Grenzen gesetzt
Nachdem im Juli eine Gruppe zwölf- und 14-jähriger Bulgaren eine junge Frau in einem Waldstück am Eppinghofer Bruch vergewaltigt haben soll, hatte die Stadt zeitnah geprüft, ob den bulgarischen Familien der mutmaßlichen, minderjährigen Täter ihre Freizügigkeit innerhalb der EU aberkannt werden könne.
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Dafür ließ die Stadt die Familien Arbeitspapiere vorlegen, die belegen sollten, dass sie ihren Lebensunterhalt in Mülheim aus eigenen Stücken zumindest mitfinanzieren können. Das ist eine Regel der EU-Freizügigkeit: Sein Recht auf Freizügigkeit verwirkt ein EU-Bürger, wenn er nach sechs Monaten Aufenthalt weder einen Arbeitsvertrag vor- noch nachweisen kann, dass er aktiv nach Arbeit sucht und eine begründete Aussicht hat, von einem Arbeitgeber eingestellt zu werden.
Stadt: Arbeitsvertrag für einen Grill-Imbiss war gefälscht
Ein Minijob reicht schon aus. Genau hierfür, einen vermeintlichen Job in einem Grill-Imbiss an der Eppinghofer Straße, hatte der Vater des Hauptverdächtigen der Stadt im Juli einen Arbeitsvertrag vorgelegt. „Druckfrisch“, stellte der Stadtsprecher damals schon heraus, dass die Verwaltung „die Richtigkeit des Vertrages“ noch prüfen werde.
Dies muss wohl ganz nebenbei, bei einem Großeinsatz Ende August in einer Schrottimmobilie an der Eppinghofer Straße, geschehen sein, wie Ordnungsamtsleiter Bernd Otto nun im Sicherheitsausschuss des Stadtrates Revue passieren ließ. Ergebnis: Der Imbissbetreiber soll den Familienvater weder kennen noch jemals angestellt haben.
Aufforderung zur freiwilligen Ausreise ist auf den Postweg gebracht
Staatsanwaltschaft entscheidet im Fall des inhaftierten 14-Jährigen
Die Stadt Mülheim hat die Familie des hauptverdächtigen 14-Jährigen nun zur Ausreise aufgefordert. Vorbehaltlich einer Klage könnte die Familie nach Ablauf der Vier-Wochen-Frist auch zwangsweise nach Bulgarien abgeschoben werden.
Ob von der Abschiebung auch der 14-jährige Sohn betroffen sein würde, hat die Staatsanwaltschaft zu entscheiden. Eine Sprecherin der Behörde hatte zuletzt erklärt, „dass wir bei schwerwiegenden Verstößen in der Regel kein Einverständnis erklären“.
Kommt es zu einer Ausreise oder Abschiebung ohne Strafverfahren, wird laut Ausländeramtschef Udo Brost ein Eintrag in das Schengener Informationssystem veranlasst. Dies soll sicherstellen, dass mutmaßliche Straftäter nicht wieder nach Deutschland einreisen, ohne dass sofort wieder eine Strafverfolgung mit U-Haft greift.
In der Aktuellen Fragestunde berichtete Otto in Vertretung von Stadtdirektor Steinfort den aktuellen Sachstand. Bis Ende vergangener Woche habe der Bulgare die Möglichkeit gehabt, sich zur Sache zu äußern. Diese Frist habe er verstreichen lassen.
Am Montag sei dann umgehend seitens der Stadt die Aufforderung an die bulgarische Familie auf den Postweg gebracht worden, das Bundesgebiet binnen vier Wochen zu verlassen, weil das Recht auf Freizügigkeit erloschen sei. Dem Bulgaren bleibt der Klageweg.
Tochter und Kind sind nach Bulgarien ausgereist
Unklar blieb zuletzt, ob er und seine Frau sich überhaupt noch in Mülheim aufhalten. Abgemeldet zur Rückkehr in ihr Heimatland beim Einwohnermeldeamt hatte sich in der Zeit nach der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung bislang die älteste Tochter mit deren Kind. Der 14-jährige Sohn sitzt als Hauptverdächtiger der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung weiter in U-Haft.
Bisher ist Mülheims Verwaltung offenbar recht lax umgegangen mit der Prüfung, ob in der Stadt lebende Unionsbürger ihr Recht auf Freizügigkeit innerhalb der EU verwirkt haben. Der Fall der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung Anfang Juli hat offenbar aber ein Umdenken bewirkt.
Austausch zwischen Sozialagentur und Ausländerbehörde ist nicht die Regel
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Eine junge Frau soll am Freitag (5.7.) in Mülheim von Jugendlichen und Kindern missbraucht worden sein. Das ist unsere bisherige Berichterstattung:
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Auf Anfragen der BAMH-Fraktion verlas Ordnungsamtsleiter Bernd Otto im Sicherheitsausschuss eine vom OB gezeichnete Stellungnahme. Darin heißt es, dass es in der Regel keinen Austausch zwischen Ausländerbehörde und Sozialagentur zur Sache gebe. Zum diesbezüglichen Informationsaustausch gebe es im Freizügigkeitsgesetz auch keine grundsätzliche Ermächtigung. Lediglich werde bekannt, wenn ein EU-Bürger seine Erwerbstätigkeit beende.
Sozial- und Ordnungsamt, dem die Ausländerbehörde zugeordnet ist, haben nun – offenbar unter dem Eindruck des aktuellen Falls – ein Verfahren vereinbart, mit dem eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Freizügigkeit besser aufgespürt werden soll.
EU-Bürger werden nun aufgefordert, zeitnah Unterlagen einzureichen
So wird nun jedem EU-Staatsangehörige beim ersten Besuch im Einwohnermeldeamt ein Willkommensschreiben in die Hand gegeben mit der Aufforderung, die zur Feststellung der Freizügigkeit erforderlichen Unterlagen innerhalb von drei Monaten bei der Ausländerbehörde vorzulegen.
Komme jemand dem nicht nach, heißt es, werde ein Verfahren gestartet zur Feststellung des Verlustes der Freizügigkeit. Konsequenz daraus kann die Aufforderung sein, freiwillig auszureisen. Kommt er dem nicht nach, droht ihm die Abschiebung. So wie jetzt der Familie des Hauptverdächtigen im Fall der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung.