Mülheim. . Wir werfen einen Blick zurück: Was ist aus den alten Projekten des Verkehrsentwicklungsplans 2009 geworden? Nicht alle scheiterten nur am Geld.

2009 gab der Verkehrsentwicklungsplan (VEP) ein Leitbild für die Entwicklung des Verkehrs in der Stadt vor. Darin vorgeschlagen waren einige Projekte, die zum Teil schon deutlich älter sind als der VEP. Drei davon stellen wir exemplarisch auf dieser Seite vor. Große Stichworte 2009 waren Simply City und Shared Space (siehe Glossar links), die aus Sicht der Verantwortlichen ein Erfolg waren. Andere Ideen warten bis heute auf ihre Verwirklichung. Die Gründe sind oft politischer Natur: In vielen Fällen konnte sich bislang weder für die eine noch für die andere Lösung eine Mehrheit finden.

Die Serie „Mobilität Mülheim“ beschäftigt sich mit den Verkehrsthemen der kommenden Jahre.
Die Serie „Mobilität Mülheim“ beschäftigt sich mit den Verkehrsthemen der kommenden Jahre. © Oliver Schäfer

Ein Beispiel dafür ist die Verlängerung der U18 durch den Ruhrtunnel weiter zur Fachhochschule bis vielleicht nach Duisburg – diese Idee ist in etwa so alt wie der Ruhrtunnel selbst. Immer wieder diskutierte die Politik darüber, die U18 entweder durch den Ruhrtunnel zu verlängern oder sie nicht zu verlängern und die Unterführung aus Kostengründen zuschütten zu lassen. Weder für das Eine noch das Andere konnte sich in der Vergangenheit eine politische Mehrheit finden.

Verschiedene Gleise und Systeme

Befürworter der ersten Variante planten, die Linie 901 (verkehrt zwischen Mülheim und Duisburg) zu verkürzen und eine durch den Ruhrtunnel verlängerte U18 an die U79 nach Düsseldorf anzuschließen. Aus Mangel an Geld wurde das Projekt nicht weiterverfolgt.

Doch es gab noch ein zweites Problem: Die Linien 901 und 102, die den Tunnel nutzen, haben unterschiedliche Spurbreiten. Deswegen sind drei Schienensysteme und zwei verschiedene Signalanlagen nötig. Ein Vorschlag war, die Linie 102 aus dem Tunnel zu verbannen und die U18 dort fahren zu lassen, weil sie die gleiche Spurbreite hat wie die 901. Damit würden nur noch zwei Systeme gebraucht. Jedoch sind die U-Bahn-Wagen zu breit und würden nicht am Bahnsteig vorbei passen.

Gleichzeitig wurde die Diskussion um den Ruhrtunnel noch mit einer ganz anderen Debatte vermischt: Weil die verschiedenen Gleissysteme die Unterhaltungskosten des Tunnels in die Höhe treiben, forderten einige in der Mülheimer Stadtpolitik, ihn zuzuschütten, die U18 nicht zu erweitern und sie gleichzeitig oberirdisch nach Essen fahren zu lassen.

Vorschlag stieß auf Ablehnung

2016 schlugen die Grünen vor, die U 18 in eine Niederflurstraßenbahn umzuwandeln und zu erweitern, um das Problem der unterschiedlichen Spurbreiten im Tunnel zu lösen. Ein Gutachter aus Dresden empfahl im gleichen Jahr, den Tunnel zuzuschütten und die U18 nicht zu erweitern. Mehr noch: Es würden jährlich Millionen eingespart, würde die Linie oberirdisch fahren.

Dieser Vorschlag stieß bei der MVG (heute Ruhrbahn) unter anderem deshalb auf Ablehnung, weil eine oberirdische Bahn durch Ampelschaltungen und Kreuzungen langsamer sei als die U-Bahn. Roland Jansen damals: „Eine Aufgabe des Mülheimer Tunnels geht nur mit Essen zusammen.“

VEP schlug lediglich vor, erneut nachzudenken

Eine Vision für die U18 hatte der VEP 2009 nicht. Er schlug lediglich vor, über die ursprünglich vorgesehene Weiterführung der U18 erneut nachzudenken, „weil gerade für Heißen eine wesentliche Verbesserung der Erreichbarkeit der westlichen Innenstadt, der westlich an der Ruhr gelegenen zentralen Einrichtungen (z.B. Stadthalle, VHS, Müga-Gelände, Schloß Broich) sowie der Stadtteile Broich und Speldorf erwirkt würde“.

Zwar gebe es zurzeit keinen Beschluss, die U18 zu verlängern, komplett „ad acta gelegt“ sei das Projekt aber nicht, sagt Roland Jansen. Was mit dem Ruhrtunnel in Zukunft passieren soll, ob er zugeschüttet wird oder nicht und ob die U 18 oberirdisch fahren soll oder nicht, ist weiterhin unklar.

(K)eine Verbindung unter der 102: Streit um die Straßenbahn nach Saarn 

Verschiedene Strecken waren im Gespräch, eine Einigung gibt es nicht.

Die letzte Straßenbahn nach Saarn fuhr 1968.
Die letzte Straßenbahn nach Saarn fuhr 1968. © Oliver Müller

Als am 4. Mai 1968 die letzte Straßenbahn nach Saarn fuhr, ahnte noch niemand, dass das Konzept Straßenbahn im 21. Jahrhundert eine Renaissance erleben könnte. Bis vor 50 Jahren war die Tram DAS Verkehrsmittel in Saarn. Anschließend eroberten Busse die Straßen im Dorf, die heute allerdings durch ihren hohen CO2-Ausstoß einen schlechteren Ruf haben als noch vor wenigen Jahrzehnten. Damals galten sie als modern. Heute wünscht sich manch einer die Elektrische zurück.

Im VEP 2009 schlug die Stadt vor, die Linienführung der 102 so zu verändern, dass eine Verbindung von Oberdümpten zur Saarner Kuppe entsteht. Ab dem Heuweg sollte die Bahn nicht mehr zum Uhlenhorst fahren, sondern nach Saarn. Haltestellen sollten unter anderem Schleswiger Straße, Alte Straße und Gesamtschule Saarn sein. Dadurch könne auf eine Verdichtung des Busverkehrs in Saarn verzichtet werden.

„Das System Straßenbahn ist nicht nur leistungsfähiger, [...] durch die Mitbenutzung des Innenstadttunnels wird zudem eine besonders störungsfreie und zügige Anbindung an die Innenstadt gewährleistet“, so der VEP. Ursprünglich sollte die Linie 102 über Prinzeß-Luise-Straße, Waldschlösschen und Bühlsbachtal nach Saarn führen. Das lehnte der VEP aus ökologischen Gründen jedoch ab.

Sechs Vorschläge zur Linienführung

Im Nahverkehrsplan 2017 machte die Stadt sogar sechs Vorschläge, wie eine Linienführung nach Saarn aussehen könnte. Etwa zur gleichen Zeit führte ein erbitterter Streit über das Pro und Contra dieses Projekts dazu, dass es vorerst gar nicht weiter verfolgt wird. Inwieweit sich eine Tram nach Saarn finanziell überhaupt lohnt und ob es genügend Fahrgäste gibt, ist immer noch ungeklärt.

„Zurzeit liegt das Projekt auf Eis“, sagen Christof Löchteken und Roland Jansen vom Tiefbauamt. „Solange die Politik keine Anbindung beschließt, wird auch nicht daran gearbeitet.“ Ob Saarn jemals wieder ans Straßenbahnnetz angeschlossen wird, steht in den Sternen. Immer wieder gibt es Diskussionen darüber, die Straßenbahn in Mülheim aus Kostengründen komplett abzuschaffen und das Busnetz insgesamt auszudünnen. Seit Jahrzehnten taucht das Thema in der Stadtpolitik immer wieder auf – bislang ohne Ergebnis.

Das Henne-Ei-Problem bei der Tangente 

Umgehungsstraße über das Mannesmanngelände.

Seit 18 Jahren träumen die Styrumer von einer Tangente, die den Lkw-Verkehr um den Stadtteil herum führen soll. Im VEP 2009 wurde das Projekt erwähnt, jedoch nur als Vorschlag. Im Jahr 2000 begannen die Planungen, die Tangente zu realisieren. Doch die Idee dafür ist schon wesentlich älter. Passiert ist bislang nichts. Immer wieder wurde die 90 000 m² große angrenzende Fläche im Norden ins Gespräch gebracht, um dort neues Gewerbe anzusiedeln. So zuletzt im vergangenen März.

„Tangente liegt nicht auf Eis“

Angedacht ist die Straße von der Oberhausener Straße bis zur Fritz-Thyssen-Brücke über das Areal der Mannesmannröhren-Werke, um die Augusta-, Oberhausener und Dümptener Straße zu entlasten. Ob das sinnvoll ist, wurde immer wieder angezweifelt. Im Oktober 2017 war im Mobilitätsausschuss sogar die Rede von mehr Schwerlastverkehr als vorher, wenn sich zum Beispiel ein Logistikunternehmen dort niederlasse. 2006 war die Erschließung zum Greifen nah, als Bauhaus auf dem Gelände eine Filiale plante. Doch das Vorhaben scheiterte am Veto der

Seit Jahren soll eine Tangente in Styrum entstehen.
Seit Jahren soll eine Tangente in Styrum entstehen. © Christoph Wojtyczka

CDU.

„Die Tangente liegt nicht auf Eis“, betont Roland Jansen. Sie zu bauen mache erst Sinn, wenn sich die Fläche entwickelt habe. Es droht also ein Henne-Ei-Problem: Ohne Unternehmen, die sich dort ansiedeln, gibt es keine Tangente. Ohne Tangente, also ohne Anbindung, wird sich jedoch nur schwer ein Betrieb finden, der sich auf dem Mannesmanngelände niederlassen möchte. Der nördliche Teil liegt immer noch brach. Hinzu kommt, dass der Eigentümer des Geländes seinen Besitz zurzeit nicht verkaufen möchte.

Und so werden die Anwohner in Styrum weiterhin darauf warten, dass die großen Laster eines Tages vielleicht doch über die Umgehungsstraße rollen können, statt durch das Ortszentrum. Das neue Mobilitätskonzept der Stadt, das im Laufe dieses Jahres veröffentlicht werden soll, schafft keine Abhilfe, denn die auf dieser Seite vorgestellten Ideen werden darin nicht erwähnt. Statt neue Straßen und Wege zu bauen, soll der Bestand optimiert werden. Das Fahrrad rückt mehr und mehr in den Mittelpunkt.

>> Glossar

Shared Space bedeutet auf Deutsch übersetzt so viel wie „geteilter Raum“. Zweck dieses Verkehrskonzeptes ist es, dass Autofahrer, Radfahrer, Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) und Fußgänger die gleichen Rechte haben. Jeder muss also auf den anderen achten. Autos haben nicht automatisch Vorfahrt. Ein anderer Begriff, der als Synonym gebraucht wird, ist der „verkehrsberuhigte Bereich“. In Mülheim ist in der Altstadt auf dem Kirchenhügel ein Shared Space entstanden. Die Leineweberstraße ist zum Teil ebenfalls verkehrsberuhigt.

SimplyCity ist ein Wortspiel aus den englischen Begriffen „Simply“ (einfach) und „City“ (Stadt). „Simplicity“ bedeutet übersetzt so viel wie „Einfachheit“. SimplyCity war ein Modellprojekt des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr NRW. Zweck war es, die Mobilität in der Stadt zu vereinfachen, indem unnötige Schilder, Ampeln und Markierungen entfernt wurden. Unter anderem am Heißener Marktplatz konnte die Stadt auf mehrere Schilder verzichten.