Herne. Der Verein Ruhrwerk besteht 15 Jahre. In dieser Zeit sammelte er über eine Million Euro an Spenden, um Projekte für Herner Kinder zu finanzieren.
Was macht eine 21-jährige Frau mit 69 Euro, die sie bei ihrem Geburtstag bekommen hat? Junge Menschen haben da sicher viele Ideen. Doch diese junge Hernerin hat den Betrag gespendet - an den Herner Verein Ruhrwerk.
Für dessen Vorsitzende Cordula Klinger-Bischof ist diese Spende ein Sinnbild. Ein Sinnbild dafür, dass sich die gesamte Herner Stadtgesellschaft für benachteiligte Kinder engagiert. Nicht nur Unternehmen würden die Arbeit mit ihren Spenden unterstützen, sondern auch ganz normale Menschen - bei Geburtstagen oder Beerdigungen würde Geld gesammelt. „Es ist toll, dass die Stadtgesellschaft diese Vision mitträgt“, so Klinger-Bischof.
Das Ziel: Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit
Diese Vision und das Ziel: Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. „Das können wir als kleiner Verein natürlich nicht alleine erreichen, aber wir können immer wieder Menschen für die Idee gewinnen, Kinder in unserer Stadt zu unterstützen“, so Klinger-Bischof im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Es sei toll, wenn die Stadtgesellschaft für die Schwächsten einstehe. Und davon gibt es viele. Zurzeit leben etwa 19.000 Kinder in Herne. Die seien für die Stadt eine Chance, deshalb müsse man ihnen die Tür zur Bildung öffne: „Wir brauchen schlaue und gebildete Menschen“.
Der Verein habe sich von Anfang an dazu entschieden, Langzeitprojekte zu unterstützen - diese Entscheidung sei richtig gewesen. Die Kinder seien alle mindestens ein Jahr in einem Projekt, so könnten sie viel mitnehmen. Und bis auf die Reittherapie seien alle Projekte an Schulen angedockt. Der Meilenstein in dieser Hinsicht sei 2022 „Extrazeit Lernen“ gewesen, bei dem die großen Klassen geteilt werden, um in kleinen Gruppe lernen zu können. 340 Kinder an 18 Grundschulen seien in den Genuss der Extrazeit gekommen. Ruhrwerk habe dieses Landesprojekt sehr früh nach Herne geholt und 20 Prozent der Kosten finanziert. Es laufe nach wie vor, allerdings in einer reduzierten Version, weil die Landesförderung ausgelaufen sei.
350 Herner Kinder sind permanent in Ruhrwerk-Projekten
Klinger-Bischof: „Jedes Kind ist wertvoll, wir dürfen einfach keine Talente verlieren, wir brauchen sie. Die finden wir aber nicht in Klassenstärken von mehr als 30 Kindern, von denen einige auch Sprachbarrieren haben. In der Grundschule haben wir noch genug Stellschrauben, um Dinge zum Guten zu verändern, zehn Jahre später nicht mehr.“ Hernes Schuldezernent Andreas Merkendorf hat die Arbeit des Vereins einmal so beschrieben: „Ruhrwerk klebt kleine Pflaster.“ Und das sind inzwischen ziemlich viele. 24 unterschiedliche Projekte hat der Verein finanziert, seit zehn Jahren sind permanent 350 Kinder in Ruhrwerk-Projekten.
Klinger-Bischof spürt angesichts dieser Zahlen eine große Verantwortung, die sie und ihre Mitstreiterinnen übernehmen: Jedes Jahr müssten sie rund 87.000 Euro Spendengelder sammeln. „Wir müssen den Schulen ja ein Jahr im Voraus die Kostenzusage geben. Gerade in diesen krisenhaften Zeiten ist das keine leichte Aufgabe. Ich hatte vor einigen Monaten den Eindruck, dass sich einige Firmen, die uns seit Jahren unterstützen, wirtschaftlich nicht gut aufgestellt fühlten“, so Klinger-Bischof. Doch sie schaffe es eben auch immer wieder, neue Unternehmen von der Ruhrwerk-Idee zu überzeugen.
Verein arbeitet zu 100 Prozent ehrenamtlich
Mehr als eine Million Euro Spenden - all das haben die sieben Frauen ganz allein geschafft. „Ich wäre nichts ohne meine Mitstreiterinnen. Sie haben alle unterschiedliche Fähigkeiten, die am Ende das Team ausmachen.“ Das arbeite zu 100 Prozent ehrenamtlich. „Wir haben kein Büro, wir setzen kein Benzingeld ab, keine Überstunden, kein Nichts.“ Damit jeder Cent in die Projekte fließen könne.
+++ Nachrichten aus Herne. Lesen Sie auch +++
- Herne: Gründer der Isap AG hat sein Unternehmen verkauft
- Bezirksvertretung Eickel tagt an einem ungewöhnlichen Ort
- „Stadtwerke pleite“: Drückerkolonne mit dreister Masche
Ruhrwerk habe es in der Zeit geschafft, ein tragfähiges Netzwerk zu knüpfen: mit Kooperationspartnern, mit Politik, mit dem Bildungsbüro. „Und wir haben gezeigt, wie weit man mit Zeit, Ausdauer, Verlässlichkeit, Kraft kommt“, so Klinger-Bischof. Das macht sie an einem Beispiel deutlich: Während der Coronakrise habe die Reittherapeutin kurz davor gestanden, die Pferde zu verkaufen, weil sie keine Einnahmen mehr hatte. Ruhrwerk habe Sponsoren gewinnen können, die für zwei Monate den Unterhalt der Pferde finanzierten. Die Reittherapie war das erste Ruhrwerk-Projekt.
Einmal im Jahr feiert Ruhrwerk seine Arbeit, aber vor allem auch die Spender - mit einer großen Party, bei der sehr viele Akteure der Herner Stadtgesellschaft zusammenkommen. „Für uns ist es inzwischen fast so, als ob man sich mit Freunden trifft“, so Klinger-Bischof. Bei den Partys können die Gäste netzwerken, aber auch Ruhrwerk selbst kann sein Netzwerk enger knüpfen. Und ganz nebenbei kämen bei dieser Veranstaltung rund 60 Prozent aller Spenden zusammen. Einer der größten Unterstützer sei Oberbürgermeister Frank Dudda. Er habe schon viele Türen geöffnet und Impulse gesetzt. „Das ist eine gelebte Schirmherrschaft.“
Aber fühlen sich Klinger-Bischof und ihr Team nicht als Sisyphus? Denn die weltweiten Krisen wirken eben auch bis nach Herne. Besserung scheint nicht in Sicht. Bei Ruhrwerk will man sich die positive Sichtweise bewahren. „Wir können es ja nicht ändern. Wir müssen die Situation akzeptieren. Und wenn die Welt sich immer schneller ändert, müssen wir auch schneller reagieren.“ Ruhrwerk versuche auch in Zukunft Pflaster zu kleben.