Herne. Kinder an 18 Herner Schulen profitieren derzeit vom Corona-Förderprogramm „Extrazeit“. Doch Schulen und Träger sorgen sich um die Zukunft.
Wie wichtig das Förderprogramm „Extra-Zeit fürs Lernen“ für benachteiligte Kinder ist, um nach den Corona-Ausfällen den Anschluss in der Schule nicht zu verlieren, scheint unbestritten. Dennoch ist die Zukunft des durchs Land geförderten Programms mehr als Ungewiss – mal wieder. Träger und das städtische Bildungsbüro schlagen deshalb Alarm, dass das Land endlich Fördergelder bereitstellen soll, damit auch im kommenden Schuljahr Kinder unterstützt werden können.
Sprachliche Barrieren, kulturelle Hintergründe und Armut seien nur drei der vielfältigen Probleme, mit denen die Lehrkräfte der Josefschule in Herne-Wanne täglich konfrontiert würden, fasst Schulleiter Robert Faber zusammen. Er nennt seine Schule, bei der etwa 92 Prozent der 277 Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund hätten, eine „besondere Schule“. „Wir haben Kinder, die ausschließlich in der Familie sozialisiert werden. Durch Corona ist das noch extremer geworden.“
Herne: Projekt „Extra-Zeit fürs Lernen“ wohl vor dem Aus
„Extra-Zeit“ ermögliche es, nicht nur Lernstoff nachzuholen, sondern auch das Miteinander zu leben und üben oder auch einfach einen kurzen Ausflug zum nahe gelegenen Kanal zu machen, an dem manch ein Schüler nie zuvor gewesen ist, so Faber. Insgesamt gibt es an der Schule drei Gruppen à acht Kindern, die sich zweimal in der Woche für drei Stunden treffen.
„Wir machen keine Werbung für das Programm und trotzdem kommen Eltern auf uns zu und möchten, dass ihre Kinder an dem Programm teilnehmen dürfen“, sagt Julia Ciecior, Lehrerin an der Grundschule Josefschule und dort für das Projekt „Extra-Zeit fürs Lernen“ zuständig. Aber die Plätze seien begrenzt. „Kinder bekommen dort in kleinen Gruppen Unterstützung, die ihre Eltern, die auch wir ihnen nicht geben können“, so Ciecior. Deshalb ist die Sorge an der Stöckstraße groß, dass das Projekt auslaufen könnte. „Für die Kinder ist die Extrazeit ein fester Bestandteil ihres Schulalltags geworden, darauf freuen sie sich“, betont Ciecior.
Gerade im Bereich Schule werde so stark gespart, bedauert Cordula Klinger-Bischof vom Verein Ruhrwerk. „Die Nachfrage nach Unterstützung wird immer größer, Chancengleichheit wird immer schwieriger.“ Ihrer Ansicht nach sollten die Kinder bis zum Ende der Grundschulzeit gefördert werden. Denn: „Wollen wir Integrationsverlierer produzieren oder die Kinder an die Hand nehmen?“, so ihre rhetorische Frage.
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„Es wird keine Fortführung mehr geben, sagte man mir beim Ministerium“, bedauert Dietmar Jäkel, Vorstandsmitglied im Verein „Lernen! in Herne“, der sich ebenso wie Ruhrwerk e.V., die drei Träger Awo, Caritas und Gesellschaft freie Sozialarbeit (GfS) sowie das Kommunale Integrationszentrum für den Fortbestand stark macht. „Wir möchten aber definitiv weitermachen – in welcher Form auch immer – denn die Problemlage existiert auch weiter“, so Jäkel.
Fragt sich nur wie? Denn dauerhaft ließe sich das Programm nicht ausschließlich durch das besondere Bildungsnetzwerk in Herne stemmen. Bereits im Januar hatte die Projektgruppe es geschafft, eine Finanzierungslücke aus eigenen Töpfen zu schließen, bevor das Land ab Februar eine Verlängerung bis in den August finanzierte. Doch nun sei der Fortbestand erneut völlig ungewiss, sagt Christian Kattenbeck vom Bildungsbüro der Stadt Herne. Ohne Unterstützung des Landes – vielleicht durch ein Nachfolge-Modell – müsse das Projekt in Herne zunächst deutlich eingestampft und langfristig wohl eingestellt werden, so die Befürchtung.
>>>WEITERE INFORMATIONEN: Als Ferienprogramm gestartet
- Im Sommer 2021 war in Herne „Extra-Zeit fürs Lernen“ als Ferienprogramm gestartet und wurde dann schnell ausgeweitet, so dass es inzwischen an 18 Schulen und zumeist mit 28 Gruppen aktiv ist.
- Die Gesamtförderung liege für Herne seit März 2021 bei rund 750.000 Euro, sagt Christian Kattenbeck. Davon trägt 80 Prozent das Land und die restlichen 20 Prozent müssen als Eigenanteil aus Herne kommen.