Herne. Die Drittklässler einer Herner Grundschule nehmen an einem besonderen Projekt teil und gehen dafür freitags in den Wald und auf den Wochenmarkt.
Neue Wege des Lernens gehen Grundschüler der Max-Wiethoff-Schule in Herne-Sodingen. Die Drittklässler dürfen jeden Freitag an einem neuen Projekt teilnehmen und einen besonderen Unterricht erleben. „Lernen neu denken“ heißt das in Dortmund entwickelte Konzept, das benachteiligte Kinder fördern und ihnen Spaß am Lernen vermitteln soll. Dazu wird die Klasse immer freitags aufgeteilt. Und während die eine Hälfte in den Wald geht oder auf den Markt und in die Küche, können die anderen Kinder in der Klasse besonders individuell gefördert werden.
Waldpädagogin Judith Altenbockum schwingt mit einer Mitarbeiterin ein Seil, über das die Kinder nacheinander in den Wald und in ihr Abenteuer hüpfen sollen. Jedes der Kinder hat sich zuvor einen „Waldnamen“ überlegt, mit dem es in den kommenden Wochen angesprochen werden möchte – immer dann, wenn der Unterricht freitags in den Gysenbergpark verlegt wird. Isabella Igel, Marlon Marienkäfer oder Abdul Adler sind dabei herausgekommen.
Die Kinder sind an diesem Tag zum ersten Mal zum Unterricht im Gysenberg. Zuvor waren sie in der Kochgruppe, die zunächst zum Wochenmarkt geht. Dort lernen die Schülerinnen und Schüler beim Einkaufen viel über Obst und Gemüse, üben beim Bezahlen das Rechnen und dürfen anschließend in der Küche selbst kochen oder backen. „Wir haben Waffeln mit Kirschen gemacht, und vor Weihnachten haben wir Kekse gebacken“, erinnert sich Abdul. Aber vor dem heutigen Tag sei er besonders gespannt gewesen. „Ich habe mich gefreut, weil ich noch nie im Wald war“, sagt der Achtjährige und schnappt sich, wie seine Klassenkameradinnen und Klassenkameraden, einen langen Stock. Damit bauen sie sich auf einer kleinen Lichtung alle gemeinsam ein riesiges „Waldsofa“ für ein Picknick.
Die Kinder sollen in den kommenden Wochen nicht nur sehr anschaulich einiges über den Wald und seine Bewohner erfahren, sondern gleichzeitig werden der Zusammenhalt in der Gruppe, die Motorik und die Sprache gefördert. „Es geht darum, Kindern aus armen Familien andere Zugänge zu Bildung zu geben und Erfolgserlebnisse zu schaffen“, erklärt Dietmar Jäkel, Vorstandsmitglied des Vereins „Lernen in Herne“, der das Projekt gemeinsam mit Ruhrwerk e.V. mitfinanziert.
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Es sei ein relativ teures Projekt, weshalb derzeit auch nur zwei Klassen der Max-Wiethoff-Grundschule davon profitierten. 28.000 Euro koste es allein für die Gruppen für ein Schuljahr. Dabei wird nicht nur eine Waldpädagogin zur professionellen Betreuung der Kinder finanziert, sondern auch vier Mitarbeiter, die die Klassen betreuen, wenn sie zum Gysenberg oder auf den Wochenmarkt gehen. „Dieser hohe Personaleinsatz ist sehr kostenintensiv“, so Jäkel. Ziel sei es, genug Gelder zu beschaffen, sodass das Projekt an der Max-Wiethoff im kommenden Schuljahr fortgesetzt werden könne. Außerdem würden die Unterstützer es gerne auf die Grundschule Kunterbunt ausweiten. Dafür werden noch Spendengelder benötigt.
Szenenwechsel: Zur selben Zeit sitzt die jeweils andere Hälfte der 3. Klassen in der Schule an ihren Tablets. Was sonst angesichts überfüllter Klassen schwierig ist – individuelle Förderung und viel Zeit für jedes Kind – ist an diesem Freitag bei halber Klassengröße plötzlich möglich. Lehrerin Caterina Cillis freut das sehr: „Wir bekommen jeden Freitag die Chance, nochmal ganz eng zusammenzuarbeiten, und so können wir die Kinder fördern, aber auch fordern, auf einem ganz anderen Niveau als wir es sonst können.“ Die Kinder seien immer hellauf begeistert, und für viele sei es eine ganz neue Erfahrung einkaufen zu gehen oder so viele Stunden im Wald zu verbringen.
Der Schulleiter der Max-Wiethoff-Schule, Sebastian Reinhardt, ist vom Erfolg des Projektes überzeugt: „Das Tolle ist das ganzheitliche Lernen einerseits und die Chance, besser auf die Hälfte der Kinder einzugehen.“ So sei beispielsweise der freitägliche Schwimmunterricht mit der halben Klasse auch viel intensiver. Deshalb hofft er auf eine Fortsetzung des Projektes: „Wir würden es gerne als dauerhafte Instanz an unserer Schule haben.“
Für die Fortsetzung dieses und weiterer Förderprojekte sind die Vereine „Lernen in Herne“ und Ruhrwerk e.V. auf Spenden angewiesen. Weitere Informationen unter www.lernen-in-herne.de und dasruhrwerk.de.