Herne. Um mehr OGS-Plätze zu schaffen, baut die Stadt Herne Teile von Grundschul-Aulen zu Küchen um. Was das mit Blick auf den Rechtsanspruch bedeutet.
Zwei Jahre vor Inkrafttreten des Rechtsanspruches auf einen OGS-Platz zeichnet sich ab: Die Stadt Herne wird wohl nicht ausreichend Plätze bieten können. Nun möchte sie fast 8,5 Millionen Euro in den Neubau, Umbau und Erweiterungen investieren, um möglichst viele Betreuungsplätze zu schaffen. Denn schon jetzt warten vielerorts Eltern vergeblich auf einen OGS-Platz. Durch den Rechtsanspruch könnte die Nachfrage weiter steigen.
Ab Sommer 2026 haben alle Kinder der ersten Klassen einen Rechtsanspruch auf einen ganztägigen Betreuungsplatz im offenen Ganztag (OGS). Dieser wird sich in den Folgejahren sukzessive um einen Jahrgang erweitern, sodass 2029/2030 jedes Grundschulkind der Klassenstufen 1 bis 4 einen Anspruch auf ganztägige Betreuung hat. Zumindest theoretisch. Denn noch kann die Stadt Herne nicht ansatzweise so viele Plätze bereitstellen.
In Herne fehlen geschätzt mehr als 1600 OGS-Plätze bis 2029
Derzeit besuchen laut Angaben der Stadtverwaltung 3147 Schülerinnen und Schüler in Herne die OGS. Das sind 51,9 Prozent aller Kinder, die eine Grundschule besuchen. Trotz des stetigen Ausbaus sei das Angebot „dennoch als nicht ausreichend zu bewerten“, heißt es in der Beschlussvorlage, die unter anderem dem Schulausschuss vorgelegt wurde. Mit einem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung werde sich der Platzbedarf absehbar laut Bundesfamilienministerin auf 80 Prozent erhöhen. Für Herne bedeuteten das mit Blick auf die Schülerprognose rund 4780 Plätze – 1.633 mehr als heute. Die Stadt bezeichnet dies als eine „konservative Einschätzung“ und geht davon aus, dass die Nachfrage an manchen Standorten höher sein werde.
„Die derzeitig schwierige Situation im Schulbau, die angespannte Raumsituation sowie die gestiegenen Schüler*innenzahlen sind Gründe dafür, dass dem Rechtsanspruch ab 1. August 2026 voraussichtlich nicht an allen Standorten entsprochen werden kann“, heißt es von der Verwaltung weiter. Hierbei stellten vor allem der Küchen- und Mensabereich und die damit verbundene Verpflegungssituation eine sehr große Herausforderung dar. Die zahlenmäßigen Auswirkungen des Zuzuges von geflüchteten Kindern in den kommenden Jahren seien zudem noch nicht absehbar. „Es ist zumindest in den folgenden Jahren sehr fraglich, ob der Ausbau der Ganztagsplätze mit wachsendem Bedarf realisiert werden kann.“
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Beim Vergleich der OGS-Quoten an den Grundschulen werde deutlich, dass diese sehr unterschiedlich seien – von 33,9 Prozent an der Grundschule Ohmstraße bis 86,3 Prozent an der Grundschule Horstschule. Maßgeblich seien vor allem die räumlichen Bedingungen – insbesondere unzureichende Küchen- und Speiseräume. In einem ersten Schritt sollen deshalb die Schillerschule und die Grundschule Jürgens Hof umgebaut werden. Dabei soll jeweils in einen Teil der großen Aula ein Küchenbereich eingebaut werden. Die restliche Fläche reiche weiter für Veranstaltungen. Die zum Teil frei werdenden Räume der jetzigen Küchen sollen zu OGS-Betreuungsräumen umgebaut werden. Nach ersten Schätzungen liegen die Kosten bei der Schillerschule und der Grundschule Jürgens Hof bei je rund 3,8 Millionen Euro.
„Wir haben derzeit extreme Defizite“, fasst Schuldezernent Andreas Merkendorf die aktuelle Situation im offenen Ganztag zusammen. Das untermauern auch Zahlen, die Armin Kurpanik dem Schulausschuss auf eine entsprechende Anfrage von Theres Boneberger (SPD) mitteilt: „141 Kinder haben – Stand jetzt – keinen OGS-Platz erhalten. An acht Schulen haben wir Auswahlverfahren durchgeführt.“ Derzeit liefen noch Widerspruchsverfahren, sodass sich die Zahl noch ändern könne. Dabei zeige sich: „Nicht alle Eltern, die berufstätig sind, haben automatisch einen OGS-Platz bekommen“, erläutert Kurpanik. Eltern, bei denen ein Elternteil in Vollzeit arbeite, der andere aber weniger als 25,5 Stunden, könnten ebenfalls leer ausgehen.
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Kann der Schulträger Herne ab 2026/2027 nicht ausreichend Plätze zur Verfügung stellen, ist es Eltern freigestellt, Rechtsmittel einzulegen. „Das hätte zur Folge, dass neben Anwalts- und Prozess- auch Betreuungskosten in Rechnung gestellt werden könnten“, heißt es in der Beschlussvorlage für den OGS-Ausbau. Ein ähnliches Vorgehen sei bereits im Kita-Bereich festzustellen. Allerdings sei von einer erhöhten Klagebereitschaft der Elternschaft auszugehen, da die Kinder bereits im Grundschulsystem eingegliedert seien.
Es besteht also dringender Handlungsbedarf, gerade mit Blick auf den nahenden Rechtsanspruch, denn auch Schuldezernent Andreas Merkendorf geht davon aus, dass dann noch deutlich mehr Eltern einen Platz einfordern. „Ob man 2029 die höchste Versorgungsquote hat, da bin ich skeptisch“, räumt er ein. Die finanziellen Mittel, die der Stadt bisher zur Verfügung gestellt wurden, reichten nicht aus. Aber dennoch: „Wenn ich mir ansehe, welches Tempo dieses Thema zuletzt aufgenommen hat, bin ich hoffnungsvoll.“
>>> WEITERE INFORMATIONEN
- Im Jahr 2021 wurde mit dem Ganztagsförderungsgesetz der Anspruch auf ganztägige Betreuung rechtlich verankert. Ab dem Schuljahr 2026/2027 haben alle Kinder der ersten Klassenstufe einen Anspruch. In den Folgejahren erweitert er sich um je eine Klassenstufe, damit ab dem Schuljahr 2029/2030 jedes Grundschulkind der Klassenstufen 1 bis 4 einen Anspruch auf ganztägige Betreuung hat.
- Vorgesehen ist beim bundesweiten Rechtsanspruch ein Betreuungsumfang von acht Stunden an allen fünf Werktagen. Die Unterrichtszeit wird angerechnet. Der Rechtsanspruch soll auch in den Ferien gelten, dabei können Länder eine Schließzeit bis maximal vier Wochen regeln. Eine Pflicht, das Angebot in Anspruch zu nehmen, gibt es nicht.