Herne. Ist Herne kein Pflaster für anspruchsvolles Theater? Die Zahlen lassen das vermuten. Die Stadt will darauf reagieren und stößt damit auf Kritik.
Die Corona-Krise ist überwunden: Eine (fast) rundum positive Bilanz hat die Stadt für ihr Kulturprogramm im Jahr 2023 gezogen. Eine große Ausnahme sind Theaterveranstaltungen im Kulturzentrum (Kuz). Die Stadt will nun darauf reagieren.
Nach „Anregungen“ habe man sich einst entschieden, Änderungen bei der Ausrichtung des Theaterprogramms im Kuz vorzunehmen, berichtete Claudia Stipp, Leiterin des Fachbereichs Kultur, in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Kultur und Bildung. Mit der Folge, dass die Stadt bei der Auswahl der Theaterproduktionen von der Konzertdirektion Landgraf zum Westfälischen Landestheater (WLT) gewechselt sei.
„Wir wollten den Anspruch der Theaterstücke heben, haben dann aber festgestellt: Das kommt in Herne nicht an. Das Publikum ist nicht so anspruchsvoll, wie wir uns das gedacht haben“, so Stipp. Die Menschen bevorzugten offenbar „seichte Theaterstücke“, Komödien und Produktionen mit bekannten Schauspielerinnen und Schauspielern. Direkte Beschwerden habe es zwar nicht gegeben, aber die rückläufigen Besucherzahlen sprächen eine deutliche Sprache.
Auf Nachfrage der WAZ legte die Stadt konkrete Zahlen vor. Fünf WLT-Produktionen seien in der Spielzeit 2023/24 bislang im Kuz aufgeführt worden. Während für die Kindertheaterstücke „Die drei ???“ und „Freunde“ 782 bzw. 581 Gäste gezählt wurden, war der Zuspruch bei den drei Erwachsenenstücken deutlich geringer: insgesamt 247 Gäste bei „Das Pubertier“, 200 bei „Der Vorleser“ und 136 bei „Furor“. Für 2024 seien vier weitere WLT-Produktionen fürs Kuz geplant, aber noch nicht terminiert.
Komplett verabschieden wolle sich die Stadt aber nicht vom Theater mit Tiefgang. „Wir wollen das Programm ändern und alles ein bisschen durchmischen“, kündigte Stipp im Kulturausschuss an. Das weckte Widerspruch bei Peter Liedtke (Grüne), der auf den Bildungsauftrag städtischer Institutionen hinwies. Ein populäreres und leichter zugänglicheres Angebot gebe es ja bereits unter anderem im Wanner Mondpalast, so der Stadtverordnete.
Rückenwind erhielt die Kulturverwaltung dagegen von der SPD und der CDU. Sie freue sich über den Kurswechsel, sagte die SPD-Stadtverordnete Gabriele Przybyl. Sie kenne vier Besucherinnen und Besucher, die ihr Theater-Abo fürs Kuz nicht mehr verlängern wollten. „Das Programm hat nicht mehr den Geschmack des Publikums getroffen.“
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Ja, die Stadt habe einen Bildungsauftrag, räumte Przybyl ein: „Die Stadt hat aber auch finanzielle Probleme. Es bringt nichts, wenn ich Stücke zeige, die nicht gesehen werden.“ Ein Mix aus Boulevard und Anspruch sei deshalb der richtige Weg. Das sah Bettina Szelag (CDU) ähnlich. Das Ruhrgebiet sei sehr gut vernetzt, betonte die Vorsitzende des Kulturausschusses. Wer anspruchsvolle Stücke sehen wolle, könne das auch in benachbarten Städten tun.
Neues Team in den städtischen Flottmann-Hallen
- In den städtischen Flottmann-Hallen gebe es ein komplett neues Team, berichtete Claudia Stipp im Kulturausschuss. Hintergrund: 2023 gingen die Urgesteine Christian Strüder (Programmplanung) und Jutta Laurinat (Bildende Kunst) in den Ruhestand.
- Das „junge und dynamische“ Team bringe „neue Ideen und einen anderen Esprit“ rein, setze aber auch weiterhin auf Bewährtes wie zum Beispiel Neuer Zirkus.
- Vier der fünf Mitglieder arbeiteten erst seit 2023 in den Flottmann-Hallen, so Stipp. Und zwar: Janina Fenske (Nachfolgerin von Christian Strüder), Norman Debes (u.a. Veranstaltungsorganisation und Betreuung Ticketsystem), Samuel Wischnewski (u.a. Verwaltung, Beschaffung und Veranstaltungsorganisation) und Katrin Lieske (Nachfolgerin von Jutta Laurinat, zusätzlich zuständig für den Veranstaltungsbereich im Alten Wartesaal).